ROSSLEBEN

Die Historie der Kleinstadt, die erst im Juni 1999 das Stadtrecht nach der Eingemeindung von Bottendorf und Schönewerda verliehen bekommt, reicht weit in die Vorzeit zurück. Im 8.Jahrhundert gehören Siedlung, Menschen und Kirchenzehnt dem Kloster Hersfeld. Zahllose urgeschichtliche Funde, Steinkammergräber und Einzelfunde belegen die lange Besiedlung seit jungpaläolithischer oder frühmesolithischer Zeit.

Altthüringischer Rastplatz, Klosterschüler und Heinrich Rau

Die Historie der Kleinstadt, die erst im Juni 1999 das Stadtrecht nach der Eingemeindung von Bottendorf und Schönewerda verliehen bekommt, reicht weit in die Vorzeit zurück. Im 8.Jahrhundert gehören Siedlung, Menschen und Kirchenzehnt dem Kloster Hersfeld. Zahllose urgeschichtliche Funde, Steinkammergräber und Einzelfunde belegen die lange Besiedlung seit jungpaläolithischer oder frühmesolithischer Zeit. 1846 schrieb der Hallenser Ethnograph Christian Keferstein: „In der Gegend von Roßleben ... stehen über 100 Grabhügel, zum Theil sehr großartige; viele haben Steinkreise und Steinkammern aus mächtigen Platten, auf deren meist gepflasterten Boden man Skelette, Urnen und Kunstsachen findet ...“ Ein idealer Flecken zum Siedeln. In den dichten Wäldern grasten Auerochsen, Bären und Wildschweine; im Unstrutried Rebhühner und Fasane. Der Ort, im Hersfelder Zehntverzeichnis als „Rostenleba“, 1177 als „Rusteleve“ – Erbgut eines Rusto – beschrieben, zählt zu den Siedlungen der frühen Thüringerzeit. Mit der Bestätigung des Augustinerklosters St.Peter durch Papst Innocenz II. am 27.April 1142 und der Stiftung der Andreaskirche durch den Edlen Ludwig von Wippra und seine Frau Mathilde gewinnt der Flecken an Bedeutung. Das Mönchskloster wird in ein Zisterzienserinnenkloster umgewandelt, übersteht die Strudel der Bauernaufstände 1525 weitestgehend unbeschadet und letztlich doch 1554 durch den letzten Schirmvogt Dr. Heinrich von Witzleben in eine Klosterschule säkularisiert. Es gab immer wieder Anlaufschwierigkeiten; der Schulunterricht musste mehrere Zeiten pausieren, zwischen 1639 und 1675 und nach dem großen Brand von 1686, der auch große Teile des Dorfes in Asche legte. Nach der Wiederaufnahme des Unterrichts 1742 blühte die Lehranstalt langsam auf, verfügte Ende des 18.Jahrhunderts über dreißig Frei- und sechzig Koststellen. Nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 nutzen die preußischen Truppen auf ihrem Rückzug das Kloster als Lazarett. „Actio est reactio“. In den unruhigen Jahren des 20.Jahrhunderts formiert sich neben zahlreichen Parteigängern der jeweiligen Regime auch Widerstand  in der Klosterschule. Peter Graf Yorck von Wartenburg, Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Egbert Hayessen, Wolf-Heinrich Graf von Helldorff und Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort und Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, Mitglied der Stifterfamilie, fünf Absolventen der Klosterschule, werden wegen ihrer Beteiligung am Hitlerattentat hingerichtet. Im Einflussbereich der Sowjetischen Besatzungszone wird die Stiftung Klosterschule Rossleben enteignet, Schüler und Lehrer als Werwölfe denunziert und verhaftet: Der Hausmeister und zwei Lehrer werden hingerichtet, die Übrigen in die Speziallager Buchenwald und Sachsenhausen interniert. 1949 wird aus der Klosterschule die Erweiterte Goetheschule (EOS). Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Staatliche Gymnasium  „Klosterschule“ Rossleben in Trägerschaft des Kyffhäuserlandkreises in die Liegenschaften der Stiftung überführt. Nach der vorzeitigen Auflösung des Nutzungsvertrages zwischen Kyffhäuserkreis und Stiftung im Dezember 2008 übernahm die Stiftung Klosterschule Rossleben unter der Geschäftsführung von Christian von Witzleben wieder die Trägerschaft über die „Klosterschule Roßleben als Gymnasium in freier Trägerschaft“. Im Jahr 2014 ist die Zukunft der Bildungseinrichtung jedoch nach 460Jahren ungewiss, wie die Thüringer Allgemeine Zeitung am 30.Juli berichtet.

Doch das Dorf selber gehörte zu den großen Siedlungen an der unteren Unstrut.1822 gab es unter den Häusern nur 21 Bauerngüter und so erweckte Rossleben eher den Eindruck einer ländlichen Kleinstadt denn einer Landgemeinde. 1851 entsteht die erste Roßlebener Zuckerfabrik im Osten, woraus später erst das Dampfsägewerk Meitz und dann eine Schuhfabrik wird. 1858 geht die zweite Zuckerfabrik zwischen Roßleben und Bottendorf in Betrieb. Die erste Roßlebener Zeitung erscheint 1895, die vier Jahre später vom Anschluss an die Unstrutbahn berichtet. Das Autorenkollektiv um Hans Kugler und Werner Schmidt zählt in den „Werte(n) unserer Heimat“ weitere Arbeitsstätten hinzu: „Die Bergarbeitergemeinde Rossleben, 1980 der drittgrößte Ort im Kreis Artern, ist vor Freyburg die größte Siedlung im unteren Unstrutgebiet. Ihre Bedeutung erlangt sie in erster Linie durch die Funktion als Wohnsitz für die Werktätigen des VEB Kalibetrieb Südharz, Heinrich Rau, nordöstlich des Ortes. Der frühere Spartakist und KZ-Häftling Heinrich Gottlob Rau, am 2.April 1899 in Feuerbach bei Stuttgart geboren, war Politbüromitglied, Vorsitzender der Staatlichen Plankommission der DDR sowie Minister für Maschinenbau und für Außenhandel und Innerdeutschen Handel. Außer dem Kaliwerk bestimmt die Leicht- und Nahrungsmittelindustrie mit dem VEB Thüringer Holzwerke, dem VEB Zuckerfabrik (Werk IV der Zuckerfabrik Helme-Unstrut in Artern) und der Konsum-Großfleischerei die industrielle Struktur der Gemeinde. Auch die Land- und Forstwirtschaft ist mit mehreren wichtigen Betrieben, so der GPG Unstruttal mit einem Gewächshauskomplex, dem VEB Getreidewirtschaft, der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft und dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb sowie je einem Betriebsteil des VEG (P) Memleben und VEG (T) Memleben – einer Milchviehanlage – vertreten. Das Korbflechterhandwerk nutzt die Weiden in der Unstrutniederung.“

Die Wende kommt 1989 erst politisch ins Unstruttal und dann wirtschaftlich; reißt mit Privatisierungen und endlosen Stillegungen Familien und Existenzen in den wirtschaftlichen Abgrund und aus der Heimat. Der einhundertjährige Kaliabbau wird beendet, die Tore von Schacht und volkseigenen Betrieben geschlossen und so wie plötzlich die Planwirtschaft nicht mehr zum neuen ostdeutschen Turbokapitalismus passt, gehören moderne Arbeitslosenagenturen dazu. Mit fast 20 Prozent Arbeitslosigkeit gehört der Kyffhäuserkreis, zu dem nun auch Rossleben gehört, zu den unheimlichen Spitzenreitern in Thüringen. Zumindest blühen die Landschaften und Wälder aufgrund der fehlenden Industrie an der Unstrut wieder auf.