UNSTRUT - VON DER QUELLE BIS MÜHLHAUSEN

Das Unstruttal ist ein stilles Tal, wenig bekannt und abseits der breiten Touristenwege. Die Landschaft, vorwiegend von kleinen Städten und Dörfern geprägt, liegt heute mitten in Deutschland. Seit tausenden von Jahren siedeln Menschen am Fluss. Frühe Funde wie die der Frauenfigurinen von Nebra aus dem späten Jungpaläolithikum (12.-11.Jahrhundert v.Chr.) im Jahr 1962 oder die der Himmelsscheibe von Nebra 1999 belegen die lange Siedlungsgeschichte am Fluss. Unter den Ottonen war die Gegend vor eintausend Jahren Kerngebiet des deutschen Reiches und immer wieder Schauplatz politischer und blutiger Auseinandersetzungen. So lieblich und fruchtbar die Gegend durch den Fluss ist, die Unstrut selber bleibt unberechenbar. Selbst mit der Urbarmachung im 18.Jahrhundert nehmen die schweren Überschwemmungen nur in ihrer Häufigkeit und Gewalt ab, ganz verschwinden sie nie.

Die Unstrut ist die Hauptwasserader Nordthüringens, entspringt im Eichsfeld und ergießt sich nach 189 Kilometern in die Saale. Im Thüringer Becken nimmt der Fluss mit seinen Nebenflüssen bedeutende Wassermengen auf und zwängt sich bei Sachsenburg zwischen den Höhenzügen von Hainleite und Schmücke zur Goldenen Aue hindurch. Hinter Artern schwenkt die Unstrut nach Süden und reiht ab Wendelstein Burgen, Schlösser und Ruinen aneinander.

Nordwestlich von Kefferhausen, ein kleines Dorf im thüringischen Eichsfeld mit etwas über 700 Einwohnern im Jahr 2013, wurde eine der zahlreichen Wiesenquellen als Unstrutquelle erkoren und in Muschelkalksteinen gefasst.

Kefferhausen

1146 erfolgt die erste Erwähnung als „Keverenhusen“ in einer Urkunde des Mainzer Erzbischofs Heinrich I. Der Sprengel bleibt bis zur Säkularisation im Besitz von Kurmainz. 1686 wird die Kirche Johannes dem Täufer geweiht und erhält schwere Schäden im April 1945 durch Beschuss der US-Artillerie. 1802 bis 1807 wird Kefferhausen preußisch und kommt in der Folge der Napoleonischen Aufteilung Deutschlands zum Königreich Westphalen. Ab 1815 wird der Ort Teil der preußischen Provinz Sachsen. Die Einwohner arbeiten hauptsächlich in den Fabriken von Dingelstädt oder im Sommer als Tagelöhner. Im April 1945 wird Kefferhausen nach heftigen Kämpfen zwischen US Army und Wehrmacht besetzt. Während der deutschen Teilung 1949 bis 1990 liegt der Ort nahe der innerdeutschen Grenze.

„Seit 1998 ist die Werdigeshäuser Kirche, eine 250 Jahre alte Wallfahrtskapelle, vor allem auf Betreiben der Pfarrei St. Johannes der Täufer in Kefferhausen, zu der sie gehört, und der Kommune umfassend saniert worden. Ein Ort Werdigeshausen war 1221 urkundlich erwähnt worden, 1312 eine entsprechende Pfarrei. 1610 wurde das Dorf als Wüstung bezeugt. Die jetzige "Neue Kirche" St. Cyriakus wurde 1750 unter Pfarrer Cyriakus Frankenberg an Stelle der alten errichtet.“ (Quelle: Wikipedia)

Dingelstädt

Der Ort wird erstmals in einer Urkunde des 9.Jahrhunderts als „Dingilstat“ erwähnt. Den Ortsnamenkundlern nach verweist der Name auf eine alte germanische Gerichtsstätte. Auf dem „Kerbschen“ Berg vermuten Forscher eine ehemalige Königspfalz. Doch wo im frühen deutschen Reich gab es keine dieser königlichen Raststätten? 1134 wird der Ritter von Kirchberg als Lehnsmann der Mainzer Bischöfe in den Analen erwähnt; nachdem das Geschlecht ausstirbt, wird Heinrich von Bodungen mit dem Besitz belehnt. Bereits 1546 ist das Dorf aufgegeben und als „wüst“ bezeichnet. Nur zur Kirche St.Martin als alten Erzpriestersitz pilgern die katholischen Eichsfelder der umliegenden Dörfer noch im 19.Jahrhundert. Seit 1994 werden die Klostergebäude durch den Ursulinen-Orden genutzt.

Obwohl Dingelstädt altgermanischer Thingplatz ist, wird ihm erst im Februar 1859 das Stadtrecht verliehen. Nach den Napoleonischen Kriegen gehört der Ort von 1815 bis 1945 zum Regierungsbezirk Erfurt der preußischen Provinz Sachsen. Im April 1945 erfolgt die kampflose Besetzung durch US-amerikanische Soldaten, die drei Monate später den Verträgen von Jalta entsprechend das Eichsfeld den sowjetischen Besatzern übergeben.

 Silberhausen

1171 wird „Silverhusen“ erstmals urkundlich erwähnt. Der Autor und Historiker Reinhold Andert schreibt in seinem 1995 erschienen Buch „Der Thüringer Königshort“: „Ob die fränkischen Ortsgründer dort (in Silberhausen, A.d.R.) Silber fanden, damit handlten oder es nur bearbeiteten, ist nicht bekannt. Einen gewissen Wohlstand aber wird es dem Ort schon verschafft haben. Das muß sich nach 1945 jäh geändert haben. Kein Ort des Eichsfeldes muß unter der SED so gelitten haben wie Silberhausen. In einer kleinen Parkanlage mitten im Ort steht ein Stück Berliner Mauer.“

Helmsdorf

Erste urkundliche Erwähnung 1162; eine Pfarrkirche wird erstmals 1283 genannt. Die heutige Kirche St. Peter und Paul wird 1708 eingeweiht; der Pfarrort selber gehört bis zur napoleonischen Neuordnung 1802 zu Kurmainz, danach als preußische Siedlung für fünf Jahre zum Königreich Westphalen. Nach dem Wiener Kongress von 1815 wird Helmsdorf Teil der preußischen Provinz Sachsen. Wie viele Orte der Umgebung ist die Siedlung vorwiegend landwirtschaftlich geprägt. Daneben entwickelt sich die Hausweberei zur wichtigen Erwerbsquelle, die um 1800 ihren Höhepunkt erreicht. Mit dem industriellen Aufschwung im Deutschen Reich werden Webereien und Wirkereien an der Unstrut ebenfalls industrialisiert.

Zella

Zur Siedlung, die 1201 im Eichsfeldischen Urkundenbuch erwähnt wird, gehört das östlich gelegene Anwesen Breitenbich, welches 1249 erstmals als Zisterzienserinnen-Kloster in den Urkunden erwähnt wird. Doch bereits vier Jahre später ziehen die Nonnen nach Mühlhausen und Breitenbich wird Gut. Der Taufstein in der St.Nikolaus Kirche von Zella trägt die Jahreszahl 1538. Da der heilige Nikolaus bereits im frühen Mittelalter Schutzheiliger der Händler war, vermutet Reinhold Andert hier ein Teilstück der Fernstraße von Lübeck nach Nürnberg, „die am Kirchberg von Dingelstädt bewacht wurde. Hinter Zella beginnt die Grenze zwischen dem katholischen Eichsfeld und dem sonst vorwiegend evangelischen Thüringen.“

Horsmar

Mit dem Aufstieg Mühlhausens zur freien Reichsstadt gehörte die Stadt um 1400 mit 10.000 Einwohnern und 220 Quadratkilometer Territorium mit 20 zugehörigen Dörfern, die der Versorgung dienten, zu den zehn größten Städten Europas. Den Schutz der Reichsstadt sollte der Mühlhäuser Landgraben, ein Verteidigungssystem von Gräben und Wällen, Hecken und Wachtürmen, übernehmen. Auch Horsmar gehörte über Jahrhunderte zum Mühlhäuser Territorium. In napoleonischen Zeiten fiel das Nest, wie die meisten Orte der Region, erst zum Königreich Westphalen und nach 1816 zur preußischen Provinz Sachsen.

Das de Hursmare aus dem Jahr 1191 wird später als Hurtsmari bezeichnet. Die evangelische Kirche, ist dem heiligen Pankratius gewidmet. Pankratius, der als vierzehnjähriger Christ unter dem römischen Kaiser Diokletian enthauptet wurde, ist in Thüringen ein seltener Patron. Im späten Mittelalter zählte der Märtyrer zu den sogenannten vierzehn Nothelfern.

Etwa zwei Kilometer nördlich des Dorfes befinden sich auf dem Balzenberg noch die zwei letzten „Franzoseneichen“. Die Stieleichen wurden als Erinnerung an ein Scharmützel zwischen französischen und preußischen Truppen und den hierbei gefallenen französischen Offizieren gepflanzt.

Beyrode

Reinhold Andert schreibt über die Streusiedlung: „Es war einst eine Wüstung, die letztmalig 1268 als Reichsgut Beienrode in einer Urkunde Erwähnung fand. Auf einem nördlich des Ortes gelegenen Bergrücken soll, so die Sage, einst eine Burg gestanden haben. Ihre Bewohner, die Herren von Riedesel oder Rintefel, hätten sich mit den Burgherren der „Blauen Haube“, einer Burg etwa 300 Meter davon entfernt in der Horsmarer Flur gelegen, bekriegt, und in diesen Kämpfen seien beide Anlagen zugrunde gegangen.

Dachrieden

Dachrieden gilt als eine der ältesten Siedlungen. 897 wird Dachreda als Fuldaer Besitz erstmals urkundlich erwähnt. Im frühen 17.Jahrhundert griff auch hier an der Unstrut der Hexenwahn um sich und eine Anna Fürstin wurde in einem Hexenprozess als solche erst verurteilt und dann verbrannt.

Reiser

Der Weg nach Reiser führt nur zu Fuß entlang der Unstrut und durch eines der schönsten Naturschutzgebiete des thüringischen Freistaates. Die Flurnamen der näheren Umgebung, Burgkringel und Eselsstieg, Weinberg und Kirchhof, weisen auf den Besitz zur früheren Reichsburg „Tutinsoda“ hin, die 974 vom Kaiser Otto II. seiner Frau Theophanu zusammen mit den Höfen Mühlhausen und Schlotheim geschenkt wurden. Heute sind die Wallanlagen einer Burganlage noch erkennbar, doch bis ins 10. Jahrhundert reichen die archäologischen Funde nicht.

Ammern

Ammern ist eine alte Siedlung, eine uralte und die Unstrut ist inzwischen vom Bach zum kleinen Fluss geworden. Der dörfliche Charakter von Ammern ist mit der nahen Industrialisierung Mühlhausens verloren gegangen. „Archäologen konnten nachweisen, dass dieses Dorf in germanischer und Altthüringer Zeit mindestens genauso stark besiedelt war, wie Mühlhausen. ... Zwei der Friedhöfe in Ammern stammen aus dem Thüringer Reich, der dritte aus der fränkischen Zeit. Auf allen drei Friedhöfen fand man Gräber, die wertvolle Waffen und kostbaren Schmuck enthielten.“, schrieb Reinhold Andert im „Thüringer Königshort“.

Mühlhausen

„Die Kreisstadt mit ihrer an geschichtlichen Ereignissen reichen Vergangenheit hat sich in den letzten Jahren zu einer modernen Industriestadt mit vielen kulturellen Bildungs- und Sozialeinrichtungen entwickelt. Doch auch zahlreiche historische Bauwerke, zum Beispiel das Innere Frauentor, der Rabenturm mit dem Wehrgang, das Rathaus und einige Kirchen geben der Thomas-Müntzer-Stadt ihr Gepräge. Mühlhausen bildete im deutschen Bauernkrieg ein Zentrum des Aufstandes der Thüringer Bauern gegen die Ausbeutung durch den Adel. Thomas Müntzer war der große Führer jener Bewegung. Im Heimatmuseum der Stadt Mühlhausen wird sein Wirken in der Thomas-Müntzer-Abteilung eingehend gewürdigt. Wer nach Mühlhausen kommt, dem sei auch der Besuch des Erholungsgebietes Schwanenteich-Popperode empfohlen. Eine Gaststätte, ein Terrassencafe, das Freibad sowie der Schwanenteich mit Bootsausleihstation bieten viele Möglichkeiten für erholsame Stunden.“ (aus dem Ferien- und Bäderbuch, Verlag Tribüne, 1970) 

Johann Sebastian Bach, Kaiser Lothar III. und Konrad von Staufen, Johann August Röbling der die New Yorker Brooklyn Bridge konstruierte, der Kupferstecher und Arzt Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau und der Zisterziensermönch Heinrich Pfeiffer. Lang ist die Liste der Menschen, die aus Mühlhausen stammten oder die Stadt an der Unstrut streiften und ihre geschichtlichen Spuren hinterließen. Selbst der Hunnenkönig Attila soll auf seinem Feldzug von Ungarn nach Frankreich 451 auf der Burg Mulhus gewohnt haben. Doch an Thomas Müntzer, der im heutigen Reformationsbild an Martin Luther verblasst ist, kommt an der Unstrut niemand vorbei. 1525 wurde Mühlhausen Zentrum der Reformbewegung. Die „Mühlhäuser elf Artikel“ und der „Ewige Rat“ sollten unter dem Leitgedanken „Die Macht soll gegeben werden dem gemeinen Volk“ die Herrschaft des Adels in der Stadt beenden. Nach der verlorenen Schlacht bei Frankenhausen im Mai 1525 wurde der revolutionäre Prediger enthauptet. Mühlhausen musste schwere schwere Straf- und Entschädigungszahlungen leisten und verlor alle Dörfer. Die Reichsfreiheit wurde vorübergehend ausgesetzt und den sächsischen und hessischen Siegern übereignet.

In der fruchtbaren Unstrutniederung siedelten bereits in der Jungsteinzeit Menschen. Münzen mit dem Abbild des Honorius (393-423) und des Anasthasius (491-518) wurden in Mühlhäuser Gräbern gefunden. Die Mönche beurkundeten 967 mulinhuson als Reichsgutbezirk Kaiser Ottos II. 1135 erhielt Mühlhausen als erster Ort Thüringens das Stadtrecht verliehen, entwickelt sich zu einem der bedeutenden Zentren deutscher Reichsgewalt und wird 1180 durch den Braunschweiger Löwen Heinrich erobert. Einhundert Jahre später wurde Mühlhausen Mitglied der Hanse.

Die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges konnte die Stadt mit der Zahlung von 1,75 Millionen Gulden verhindern, was jedoch eine allgemeine Verarmung nach sich zog. Die einsetzenden Hexenverfolgungen denunzieren zwischen 1624 und 1731 Frauen und Männer, von denen etliche verbrannt und enthauptet werden, unter der Folter sterben oder Selbstmord begehen.

Nach den Napoleonischen Kriegen, dem Wiener Kongress und der Eingliederung in die preußische Provinz Sachsen folgen Industrialisierung, Erster Weltkrieg und Hyperinflation. Die ehemaligen Wirtschaftsmotoren von Textilherstellung, Metallverarbeitung und Tabakindustrie, die auf internationalen Ausstellungen mit Medaillen ausgezeichnet wurden, entlassen wie im Rest des Deutschen Reiches tausende Mitarbeiter. Nationalsozialismus, Zwangssterilisation  KZ-Außenlager gehen US-amerikanischen Bomberangriffen voraus, der Besetzung durch die Amerikaner im April 1945 und der Übergabe an die Rote Armee am 5.Juli des selben Jahres. Zahlreiche Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland werden in Mühlhausen angesiedelt, darunter viele Auf die politische Wende 1989 folgte auf Beschluss der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung im Juli 1990 der Stop der Abrissarbeiten in der historischen Altstadt, betriebsbedingte Kündigungen und Streiks, Auflösung des Grenztruppen-Kommandos und das Ende der sowjetischen Garnision. 1991 wurde der Beiname „Thomas-Müntzer-Stadt“ aus dem Stadtnamen gestrichen.