RÖCKEN & LÜTZEN

Der feindt marschiert hereinwarths der herr lasse alles stehen und liegen und incaminiere sich herzu mit allem volck…“ (Wallenstein an Marschall Pappanheim)

Lützen

Mit dem Tauschvertrag vom 14.Mai 1282 zwischen König Rudolf I. und Bischof Friedrich I. von Merseburg fiel der Flecken Lützen an das Merseburger Hochstift. 1291 wurde Lützen als Gerichtsstuhl in den Urkunden erwähnt. In jenen Jahren wurde auch mit dem Bau der Burganlage begonnen. Im sächsischen Bruderkrieg 1445, Portugal steigt in den Handel mit afrikanischen Sklaven ein, kam es während des sächsischen Bruderkrieges zu zahlreichen Verwüstungen, Tod und Elend. Nachdem 1530 die Stadtmauer wieder aufgebaut wurde, hielt im Dezember 1542 die Reformation Einzug im sächsischen Lützen.

Nach der Säkularisierung des Bistums Merseburg 1561 fielen Ort und Amt an Sachsen, dessen Kurfürsten nun die neuen Landesherren wurden. Die Errichtung des Hospitals 1574 half Lützen in den Folgejahren nur wenig. In den 1580er Jahren suchten Seuchen wie die Pest die Region heim und vermeintliche Hexen wurden verbrannt. Eine dieser heute irrsinnig anmutenden Schauergeschichten beschreibt den Prozess des Totengräbers Michael Schimpf und dessen Ehefrau Ursula und ist heute in Wikipedia nachzulesen: „Nachdem dieser (die Pest, d.R.) im Spätsommer auch der Scharfrichter zum Opfer gefallen war, beschuldigte dessen Knecht den Totenträger Melchior Schimpf, den rechten Daumen des Verstorbenen zur Handinnenfläche gebogen und dabei etwas Unverständliches gemurmelt zu haben. Wegen dieses untrüglichen Indizes für Pestzauber ermittelte das Stadtgericht gegen Schimpf. Seine Frau Ursula geriet ebenfalls in den Fokus der Ermittler, weil sie mit einer unbekannten Wurzel das Leiden Pestkranker lindern konnte. Unter der Folter gestand Melchior Schimpf nicht nur, vielen weiteren Toten den Daumen in die Handfläche gebogen zu haben, sondern auch, dem Leichnam eines verstorbenen Mädchens mit der Zauberformel „Ich stecke dich ein in aller teuffel nahmen uff 200 Personen, die hernach sterben sollen“ ein Tuch in den Mund gesteckt zu haben, wodurch 200 weitere Menschen von der Pest dahingerafft worden seien. Angestiftet habe ihn seine Frau, die eine Hexe sei. Dieser presste man durch die Folter das Geständnis der Teufelsbuhlschaft und Teilnahme am Hexensabbat ab. Außerdem gestand sie, die Pestbeulen von Toten mit Köpfen von Kaninchen und Wieseln gekocht und den Sud in die Häuser gegossen zu haben, um Menschen zu töten. Die Eheleute wurden verurteilt und am 10. November 1585 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ 1692 kam es zur letzten Hinrichtung.

In die Geschichtsbücher ging Lützen indessen mit der Schlacht und dem Tod des Schwedenkönig Gustav II. Adolf vom November 1632 ein. Die Schlacht zählt, auch wenn sie rein militärisch ohne entscheidende Bedeutung war, zu den Hauptschlachten des Dreißigjährigen Krieges und mit dem Tod des Schwedenkönigs zu den politischen Katastrophen jener Zeit. Im Kampf selber standen sich die katholischen kaiserlichen Truppen unter der Führung Albrecht von Wallensteins und das protestantische, vorwiegend schwedische Heer unter Gustav Adolf gegenüber. Die Schlacht wurde in den vergangenen Jahrhunderten vielfach beschrieben, verklärt, zur Propaganda genutzt, dokumentiert und verfilmt. Die Ereignisse sind daher nur schnell umrissen.

Wallenstein war mit seinen katholischen Truppen auf dem Weg in das protestantische Sachsen unter Kurfürst Johann Georg I. Gustav Adolf war in Eilmärschen gefolgt und versuchte, Wallensteins Einmarsch in Sachsen zu verhindern. Bei Naumburg ließ der Schwede ein Lager aufschlagen und marschierte am 15.November in Richtung Elbe um sich mit den Sachsen zu vereinen. Wallenstein hatte seine Truppen bereits aufgeteilt und in die umliegenden Städte zur bevorstehenden Überwinterung geschickt wie beispielsweise die Reitertruppen unter Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim nach Halle. Der Generalissimus selbst hatte sein Lager in Lützen aufgeschlagen. Die ersten Feindberührungen erfolgten nur zufällig an jenem Morgen. Gustav Adolf erfuhr von den geteilten Truppen und setzte seinen Schweden in Richtung Lützen in Marsch; Wallenstein beorderte schriftlich seine Truppen zurück, besonders seine Pappenheimer. Der Tag war gefüllt mit Aufmärschen, Truppenbewegungen, hastigen Korrespondenzen, Befehlen und wachsender Anspannung. Dichter Nebel behinderte die Sicht und die Stellung der Gegner, die sich teils nur wenige hundert Meter gegenüberstanden.

Erst am nächsten Tag gegen elf Uhr lichtete sich der Nebel und das Gemetzel begann. Finnische Kürassiere zersprengten Wallensteins leicht berittene Polen und Kroaten. Die Schweden überrannten die kaiserlichen Musketiere, eroberten die ersten Geschütze und schienen die Schlacht gegen Mittag für sich entschieden zu haben. Doch mit dem Eintreffen der Reiterregimenter unter Marschall von Pappenheim wendete sich das Blatt. Die Schweden mussten sich zurückziehen, Geschütze und Aufmarschwege wurden wieder zurückerobert. Doch das Schlachtenglück war wechselhaft. Pappenheim wurde schwer verwundet, starb am nächsten Tag und mit seinen Kommandeuren flohen die meisten der Pappenheimischen Reiter. Die Schweden rückten wieder vor. Tote, Verwundete, Chaos und Verwirrung blieben auf dem Schlachtfeld. Doch Wallensteins Kaiserlichen gelang es die Front zu stabilisieren. Besonders Oberst Octavio Piccolomini schrieb dabei mit seinen Kürassieren Militärgeschichte. Im Laufe der mit aller Wucht und Wut geführten Kämpfe geriet Gustav Adolf, der kurzsichtige Löwe aus Mitternacht, im Nebel an die feindlichen Linien, wurde erkannt und im kurzen Gefecht erschossen.

Die Kämpfe hielten, ohne Aussicht auf Erfolg, bis in die Dunkelheit an. Wallenstein befahl den Rückzug und die Schweden blieben erschöpft auf dem Schlachtfeld zurück. Ein Sieg war für keine Seite errungen worden. Die Leiche des schwedischen Königs wurde, ausgeraubt und teilweise entkleidet, in der Nähe eines großen Feldsteins unter anderen Toten entdeckt. Später wurden hier ein Gedenkstein und eine kleine Kapelle errichtet. Im neuen Jahrtausend untersuchten Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt systematisch das Lützener Schlachtfeld, entdeckten zahlreiche Einzelfunde und ein Massengrab, welches „en bloc“ geborgen wurde und 2015 den Mittelpunkt einer Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte bildete.

Da Napoleon 180 Jahre später vor der Schlacht von Großgörschen demonstrativ an jene zurückliegenden Ereignisse anknüpfte und am Gedenkstein für Gustav Adolf übernachtete, wird Napoleons Schlacht von 1813 in Frankreich irritierenderweise als „la bataille de Lützen“ bezeichnet. Nach Napoleons Niederlage fiel ein Großteil Sachsen mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses an Preußen und das Amt Lützen wurde geteilt. Der größere Westteil mit der Stadt fielen an das nun preußische Merseburg, der kleinere Ostteil wurde an das sächsische Amt Leipzig angegliedert.

Im Zuge der wachsenden Industrialisierung wurden die ersten Braunkohlegruben um Lützen in Betrieb genommen; 1872 die Zuckerfabrik. Die Fenchelproduktion wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Was folgte waren zwei Weltkriege, verschiedene politische Systeme, Niedergang und Wiederaufbau und das nicht enden wollende Gerücht, das das Grundstück um Gustav Adolfs Gedenkstein der schwedischen Regierung gehören würde und exterritoriales Gebiet sei.

Röcken

"nmitten einer düstern und über die Maaßen verantwortlichen Sache seine Heiterkeit aufrecht erhalten ist nichts Kleines von Kunststück: und doch, was wäre nöthiger als Heiterkeit? Kein Ding geräth, an dem nicht der Übermuth seinen Theil hat. Das Zuviel von Kraft erst ist der Beweis der Kraft. – Eine Umwerthung aller Werthe, dies Fragezeichen so schwarz, so ungeheuer, daß es Schatten auf Den wirft, der es setzt, – ein solches Schicksal von Aufgabe zwingt jeden Augenblick, in die Sonne zu laufen, einen schweren, allzuschwer gewordnen Ernst von sich zu schütteln. Jedes Mittel ist dazu recht, jeder »Fall« ein Glücksfall. Vor Allem der Krieg. Der Krieg war immer die große Klugheit aller zu innerlich, zu tief gewordnen Geister; selbst in der Verwundung liegt noch Heilkraft. Ein Spruch, dessen Herkunft ich der gelehrten Neugierde vorenthalte, war seit langem mein Wahlspruch: increscunt animi, virescit volnere virtus.

Eine andre Genesung, unter Umständen mir noch erwünschter, ist Götzen aushorchen ... Es giebt mehr Götzen als Realitäten in der Welt: das ist mein »böser Blick« für diese Welt, das ist auch mein »böses Ohr« ... Hier einmal mit dem Hammer Fragen stellen und, vielleicht, als Antwort jenen berühmten hohlen Ton hören, der von geblähten Eingeweiden redet – welches Entzücken für Einen, der Ohren noch hinter den Ohren hat, – für mich alten Psychologen und Rattenfänger, vor dem gerade Das, was still bleiben möchte, laut werden muß..." (Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung oder wie man mit dem Hammer philosophiert, 1889)

Das kleine Nest Röcken, 1232 erstmals urkundlich erwähnt und ehemalige slawische Siedlung, ist heute als Teil der internationalen Geschichts- und Kulturregion Lützen und Umgebung sowie als Geburtsort und Grabesstätte des Philosophen Friedrich Wilhelm Nietzsche bekannt. Der brachialen Landschaftsänderung durch den Kohleabbau in der Leipziger Tieflandsbucht entgangen, blieb das ursprüngliche Dorfbild auch nach der Industrialisierung erhalten.