KLEINEICHSTÄDT

Als im Jahre 1892 die Chronik des Dorfes Kleineichstädt erscheint, kann der Herausgeber Pastor Max Könnecke voller Stolz auf eine Schrift verweisen, der eine sorgfältige Suche nach den Kleineichstädter Vorfahren und mühevolle Kleinarbeit ist. Die Entwicklung des Dorfes Kleineichstädt steht gleichfalls als Beispiel für die Höhen und Tiefen anderer Dörfer in einer geschichtsträchtigen Umgebung.

Der Name des Ortes Kleineichstädt erfährt schon von Beginn an eine Vielzahl von Veränderungen und reicht vom 1179 erwähnten Ekstede zum 1396er Eychstede. Ab dem 16. Jahrhundert variiert der Ort von „Wenigen-Eichstedt“ bis zum „Klein-Eichstedt“ des vorigen Jahrhunderts. Wahrscheinlich ist der Eichenwald, der noch bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts an das Dorf heranreicht, für den Namen verantwortlich (ein Ort wurde oft nach auffallenden Eigentümlichkeiten seiner Umgebung benannt: Eke als alte Bezeichnung der Eiche). Zusammen mit der Endsilbe „stede“ ist also der Name als „Wohnstätte im oder am Eichwalde“ zu deuten. Ausgeschlossen bleibt nach Könnecke die volkstümliche Erklärung, daß an der Stelle des heutigen Dorfes viele kleine Eichen gestanden hätten. Möglicherweise sind es Thüringer, die an dieser Stelle die erste Siedlung anlegen, Gebäude errichten und Wege in das Dickicht schlagen. Doch nach dem Untergang des Thüringer Reiches bei Burgscheidungen 531 teilt die Siedlung das Schicksal anderer Ortschaften und gelangt als Siegerbeute in die Hände der Sachsen.

Entstehung und erste Entwicklung bis zum 17.Jahrhundert

Über die Entwicklung Kleineichstädts bis zum Jahre 1575 läßt sich nur mutmaßen. Gleichmäßig wird durch das Los in den ersten Jahren die Wohnstätte und der notwendige Ackerbesitz an Neuansiedler verteilt. Kein Mitbürger, der ohne Acker auskommen muß; für den Lebensunterhalt ist gesorgt. Den Zehnten (der 10.Teil aus den Erträgen des Grundbesitzes) muß man jedoch auch verrichten, doch wer zahlt heute keine Steuern? „Hintersassen“ oder „Hintersättler“ ziehen erst später zu. Anfangs ohne Acker, erwerben sie nach und nach kleine Feldstücke und schaffen sich Pferde an. Allerdings unter heftigen Protest der Vollbauern, die in den Dörfern Anspänner genannt werden.

Im Jahre 1674 erheben die Anspänner der Vitzenburger Gerichtsdörfer, zu denen auch Kleineichstädt gehört, Klage gegen die Hintersättler beim Gerichtsherrn. “Wider Recht und Herkommen und zum Schaden der Anspänner halten sich die Hintersättler Pferde“, werfen die Bauern den Kleinbauern vor. Unter anderem verrichten diese Ackerarbeit anderer gegen geringes Endgeld - harter Konkurrenzkampf im 17.Jahrhundert!

Bei Strafe von enormen 20 Groschen wird den Hintersassen daraufhin jegliche Pferdearbeit gegen Lohn zu leisten, verboten. Die Anspänner wiederum werden verpflichtet, „in jetzt mangelnder Geldzeit billige Zahlung als Handarbeit und allerlei Ware anzunehmen“.

In der Dorfhierarchie stehen also die größeren Landwirte, die Anspänner, über den kleineren, den Hintersättlern. In den kommenden Jahren heben sich die Hintersättler, ackerlose Leute, dagegen von den einfachen Häußlern hervor.

Der Deutschen Dreissigjährig Krieg

Ab 1575 geben alte Kirchen- und Pfarrarchive genauen Aufschluß über die weitere Entwicklung von Kleineichstädt. Mit dem Prager Fenstersturz am 23.05.1618 ändert sich die Geschichte im mitteleuropäischen Raum grundlegend und bald erschallt Kriegsgeschrei in vielen Gebieten Deutschlands. Doch während zahllose Ortschaften in Rauch aufgehen, bleibt Kleineichstädt weitestgehend vom Krieg verschont. Auf kaiserlicher Seite stehend, bleibt es auch so bis 1629. Allerdings bricht schon 1626 die Pest aus und der Schwarze Tod verursacht ein großes Sterben unter der Bevölkerung. Wochenlang schlagen auch die Totenglocken in den Nachbardörfern. Trotz des Krieges werden 1627 neue Emporen in die Kirche eingebaut und neue Böden im Glockenturm gelegt.

1629 wird sogar die Turmuhr von einem Meister aus Halle eingebaut. Doch Kleineichstädt soll vom Krieg nicht verschont bleiben.

Den Truppen des Johann Graf von Tilly gelingt es, am 20.05.1631 Magdeburg zu erobern. Noch während dichte Rauchschwaden über der Stadt schweben, plündern die Tilly’schen Truppen auf ihrem Marsch zur Sachsenburg in den letzten Maitagen des gleichen Jahres auch Kleineichstädt. Tilly, Generalissimus der kaiserlichen Truppen, stirbt am 30.04.1632 in der Schlacht bei Rain am Lech. In den kalten Novembertagen des darauffolgenden Jahres kommt es zur Schlacht bei Lützen. Doch bevor die kaiserlichen Truppen unter Albrecht E.W. von Wallenstein auf die schwedischen und sächsischen Regimenter König Gustav  Adolf’s treffen, ziehen die gefürchteten kaiserlichen Pappenheimer Kürassiere durch die Ortschaften.

Vieh und Getreide werden ohne viel Aufheben konfisziert, die Kirchenfenster eingeschlagen.Gefallen finden die Söldner auch am Klingelbeutel der Kirche, der respektlos aufgebrochen wird. Dem Pfarrer Joh.Köhler, der im Hintersättlergut Nr.12 lebt (später Kurzhals), bleibt nichts weiter übrig, als  resigniert die Geschehnisse im Pfarrbuch festzuhalten. Diejenigen Bauern, die sich gegen die Willkür zu wehren suchen, werden gnadenlos verprügelt. König Gustav II. Adolf von Schweden fällt am 16.11.1632 in der Schlacht bei Lützen. Einen Tag später wird Gottfried Heinrich Graf  zu Pappenheim tödlich verwundet.

Doch die Kirchenglocken kommen nicht zur Ruhe. Laut schlagen diese Alarm, als sich die Schweden im Frühjahr 1635 dem Dorf nähern. Allerdings sind die Söldnertruppen unter Bauer schon im Ort bevor irgend jemand an Gegenwehr denkt; welche ohnehin gegen die schwer bewaffneten Soldaten rein hypothetisch erscheint.

Schlimmer als die Pappenheimer brandschatzen die Schweden im Dorf. Wiederum hat man es auf das Vieh abgesehen. Doch selbst die Seigerleinen, an denen die Gewichte der Turmuhr hängen, werden mitgenommen. Wer versucht, sein Eigentum zu retten, kann sich glücklich schätzen, anschließend mit einigen Blessuren davonzukommen. Als im Herbst die ersten Blätter fallen, ziehen die Schweden erneut brandschatzend durch das Dorf. 5 Jahre später, im Dezember, wird Kleineichstädt wieder geplündert.

Das vor dem Krieg blühende Dorf verarmt. Von 46 Gehöften werden nur noch 5 bewirtschaftet. Die restlichen Anwesen sind entweder eingeäschert oder von den Bewohner verlassen worden, die nun bettelnd durch das Land ziehen oder sich in der Zwischenzeit dem Kriegsvolk angeschlossen haben. Selbst die Pfarrei bleibt von 1642 bis 1652 unbesetzt. „Die Pfarre stund ledig wegen der Kriegsverwüstung, ward aber vom Pfarrer (Nicolai) zu Weißen-Schirmbach als ein Filial versorget, welcher 1645 auch wegzog“. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wird die alte Einwohnerzahl der kleinen Ortschaft wieder erreicht werden.

Mord, Brand und die Jahre der französischen Koalitionskriege

Von Oktober bis Dezember 1681 wütet der Schwarze Tod erneut im Dorf. Obwohl die Seuche von Januar bis März 1683 wieder grassiert, bleibt die allgemeine Sterblichkeit recht gering. 1729 suchen dagegen die Blattern die Kleineichstädter heim.

Nach einer verhältnismäßig ruhigen Zeit breitet sich 1740 erneut Entsetzen unter den Einwohnern des kleinen Ortes aus. In den Wintermonaten finden Anwohner im Rohrteich ein totes Kind. Nachdem der zuständige Kriminalinspektor mit dem Fall beauftragt wird, gelingt es ihm rasch, diesen zu lösen. - Anna Maria von Braunin aus Oberschmon, im Dienste des Christian Spieler aus Eichstädt, gebar ein uneheliches Kind. Sich ihrer Ausweglosigkeit bewußt (strenge Sitten zu damaliger Zeit) erstickte sie in ihrer Not das Kleinkind mit Spreu und Häckerling. Um den grausigen Mord zu vertuschen, warf sie den leblosen Körper anschließend in den nahen Rohrteich. - Doch der Tat bald überführt, kann die Magd diese auch nicht länger leugnen. Nach ihrer Verurteilung wird die von Braunin am 29.März 1740 dem Scharfrichter in Vitzenburg vorgeführt und enthauptet. 

Während des Siebenjährigen Krieges, den Friedrich der Große im August 1756 durch seinen Angriff auf Sachsen beginnt, bleibt Kleineichstädt von den Kriegshandlungen weitestgehend verschont.

Als am 19.Mai 1773 in der Dorfschmiede (Nr.25) ein Brand ausbricht, gelingt es nicht mehr, diesen rechtzeitig einzudämmen. Schnell greifen die Flammen auf dem nördlichen Berg um sich. Fast sämtliche Gebäude werden ein Raub der Flammen. Insgesamt 18 Bauerngehöfte, die Wirtschaftsgebäude des Rittergutes und die Pfarrei; selbst vor der Schule machen die Flammen nicht halt. Glücklicherweise kostet der Brand keine Menschenleben. Jedoch bereits zwei Jahre später wird die Schule neu gebaut und 1779 das Pfarrgebäude.

Oktober 1806. Einen Tag vor der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14.10., in der die Truppen Napoleons I. mühelos das preußische Heer schlagen, lagert in der Nähe von Oberschmon eine Abteilung französischer Jäger, welche die Umgebung rücksichtslos brandschatzt. Keine Woche später zieht das Bernadottesche Corps plündernd durch die Gegend. Auf dem Weg nach Querfurt wird Liederstedt geplündert. Um die Sicherheit seiner Familie besorgt, flieht der Pastor Mag. Wittig mit Frau und 7 Kindern zu seinem Amtsbruder nach Kleineichstädt. Argwöhnisch warten die Einwohner auf die Ereignisse, die noch kommen werden. Doch die Ortschaft kommt diesmal mit 40 Thalern Kriegssteuern relativ glimpflich davon.

Sieben Jahre später, nach dem gescheiterten Rußlandfeldzug Napoleons und dem Untergang seiner „Großen Arme“ im November 1812, kommt es bei Leipzig vom 16.-18.10.1813 zur bis dahin größten Schlacht in der bekannten Geschichte, an der etwa 530.000 Soldaten beteiligt sind. Auf ihrer Flucht kommen die Franzosen auch durch das Unstruttal. Doch die verbündeten Preußen, Schweden und Russen sind diesen hart auf den Fersen. Während eines Biwak zwischen Kleineichstädt und Gölbitz kommen die Truppen auch in die Ortschaften.

Trotzdem sie sich in deutschen Gebieten aufhalten, werden die Dörfer und ihre Einwohner feindlich behandelt. Pferde und Vieh werden geraubt, Bier, Wein und andere wichtige Nahrungsmittel beschlagnahmt. Doch findet der Raub verständlicherweise nicht gerade die Zustimmung der Bauern. Die Folge sind handgreifliche Auseinandersetzungen, bei denen der Gerichtsschöppe Christoph Müller durch einen Säbelhieb über der Stirn schwer verletzt wird. Über weitere Mißhandlungen hält sich die Feder des Autors allerdings weitgehend bedeckt.

Kriege, Friedensfeiern und Dorferneuerungen

1866 kommt es zwischen Preußen und Österreich zum „Deutschen Krieg“. Grund für die Auseinandersetzung bieten die gemeinsam verwalteten Herzogtümer Schleswig und Holstein. In der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz gewinnen am 03.07. die preußischen Truppen. Aus der kleinen Ortschaft Kleineichstädt werden neun junge Männer zum Kriegsdienst verpflichtet. Ottomar Zahnert, Albert Reinboth, Emil Köhne und der Schmiedegeselle Friedrich Hendrich nehmen letztendlich an den Schlachten teil. Den Heldentod allerdings stirbt nur Hendrich bei Königgrätz als Husar im 12.Husaren-Regiment. Gardist Gustav Staudte stirbt nach der Militäraktion in Berlin an der Cholera.

Den Frieden von Prag, 23.08., feiert das Dorf im November des selben Jahres. Feierlicher Kircheneinzug unter Leitung des Veterans Ortsrichter a.D. Zahn, Umzug, Festessen im Gemeinde-Gasthof und abendlicher Ball bilden das Rahmenprogramm der Festlichkeit. Am nächsten Nachmittag werden vier Friedenseichen gepflanzt. Zwischen Pfarrei und Rittergut, unter den Weiden, vor dem Hause des Gerichtsschöppen Zahnert und am Hause des Anspänners Müller.

Im August des folgenden Jahres, am 21. gegen 4Uhr nachmittags, sorgen Hagelstücke von der Größe von Taubeneiern für 24 eingeschlagene Fensterscheiben im Pfarrgebäude. In Mitleidenschaft werden ebenfalls Obstbäume und das restliche Getreide gezogen.

Im kühlen November 1868 wird der neue Gottesacker nördlich der Kirche eingeweiht. Des Weißenschirmbacher Amtmannes Hübner Kinder sind die ersten, die an diesem trüben 14. bestattet werden.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 ist der letzte der drei deutschen Einigungskriege. Und wieder ziehen Kleineichstädter Krieger den Waffenrock über. Neun von zwölf Männern nehmen sogar an Kämpfen in Feindesland teil. Ernst Müller, Hermann Riese und Emil Köhne werden zur Bewachung französischer Kriegsgefangener in Torgau eingesetzt. Während der Kampfhandlungen werden Karl Gaudig und Christian Thierolf verwundet. Ottomar Zahnert, Reserve-Jäger des Magdeburger Jäger-Bataillon Nr.4 fällt am 30.08. in der Schlacht bei Beaumont. 5 Jahre nach dem letzten, feiert Kleineichstädt im Sommer 1871 wiederum ein Friedensfest. 9 Jahre später, am 12.09.1880 wird zur Erinnerung an die beiden Kriege das Kriegerdenkmal vor dem Rittergut feierlich eingeweiht.

Zwischen 1873 und 1874 wird die Dorfstraße vom Eingang von Oberschmon bis zum Ausgang nach Gölbitz gepflastert. Gleichzeitig entsteht die Sandsteinmauer rechterhand der Straße und die Sandsteinbrücke am Backhaus, um „das lästerliche Durchfahren des Baches zu beseitigen ...“.

Zum vierhundertjährigen Luther-Jubiläum wird im November 1883 am Abhang zwischen den Gehöften Nr.33 und 45 eine Luthereiche gepflanzt. Am 2.Weihnachtsfeiertag 1884 wird der neue Friedhof am Spielberger Weg eingeweiht.

Nachdem im Sommer 1890 der Spielberger Weg chausseemäßig ausgebaut wird, verfügt nun auch Kleineichstädt endlich über eine ordentliche Anbindung an den Außenverkehr. Mit der Einweihung des neuen Gasthofes am 14.September des gleichen Jahres scheinen die Feierlichkeiten in dem kleinen Ort nicht mehr enden zu wollen.

Unter der Grund- und Gerichtsherrschaft von Vitzenburg

Jahrhunderte lang steht der Ort Kleineichstädt, im Verein mit den Dörfern Liederstedt (ohne Krautdorf), Pretitz, Gölbitz und Klein-Wangen samt ihren Fluren, unter der Grund- und Gerichtsherrschaft von Vitzenburg. Diese uralte deutsche Einrichtung regelt schon in den frühen Jahrhunderten die Zugehörigkeit der einzelnen Dörfer; beinhaltet die Abgaben und Frondienste der Einwohner gegenüber ihrem Grundherrn. Durch Kauf oder als Kriegsbeute kann Land erworben werden - die Möglichkeiten sind zu jener Zeit schon recht vielfältig.

Nur seinem Landesherrn verpflichtet, Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt in seiner Hand, herrscht der Grundherr als Obereigentümer von sämtlichen Land wie ein Fürst über sein kleines Reich. Ein Staat im Staate! Für den „entlehnten“ Boden haben die Untertanen Lehnen zu zahlen - in Form von Geld, Fronen bzw. Naturalien wie Hühner oder Gänse. In einem Kaufbrief von 1464 sind die mit Malsteinen versehenen Grenzen der Vitzenburger Grundherrschaft angegeben. Die Entstehungsgeschichte der Vitzenburger Grund- und Gerichtsherrschaft liegt im Dunkeln. Mit der wechselvollen Geschichte der Vitzenburg wechseln in gleichem Maße die Grundherren. Die Edlen Herren von Querfurt sind die ersten urkundlich benannten. Unter der Herrschaft der von der Schulenburg-Heßler wird im letzten Jahrhundert die alte Grundherrschaft aufgelöst.

Doch neben den guten Einkünften besitzt der Lehnsherr auch die Pflicht, für die Sicherheit und das Wohl seiner Untertanen sowie für Recht und Ordnung zu sorgen. Im Erbbuch aus dem Jahre 1654 steht über die Pflichten des Grundherrn: „Man hält jährlich Gerichte nach Belieben, jedoch nicht über viermal, da dann Rügen, Bußen und andere Sachen verurteilt werden ... Wenn ein armer Sünder justifiziert werden soll, so haben die Dörfer die Kosten zu tragen.“ Selbst der Blutbann „oberste und niederste Gerichte über Hals und Hand“ oblag in den meisten Fällen dem kleinen Regenten. Und so wird 1740 mit der Enthauptung der Kindesmörderin Anna Maria Braunin Recht gesprochen. Genau aufgeschlüsselt sind die Abgaben und Verbindlichkeiten der Hintersassen im Erbbuch. So behält sich u.a. Vitzenburg das Recht vor, aus seinen Dörfern, außer Kleinwangen, zwei Männer auszulesen, welche den Acker säen und beim Brauen helfen müssen. Idealerweise gibt es zu damaliger Zeit noch Brauereien in fast jeder Provinz.

Neben den persönlichen Leistungen an Geldzinsen, Naturalgefällen und Frondiensten, hat die Gemeinde verschiedene Abgaben aufzubringen. So ist der „Wolfshammel“ eine Entschädigung für die Hunde, welche der Grundherr zur Säuberung seines Bezirkes von Wölfen halten muß. Selbst Art und Weise der Entrichtung ist niedergeschrieben. So ist der Wolfshammel in der Weise zu leisten, daß der Vitzenburger Schäfer am 25.Juli  aus der Kleineichstädter Herde einen Hammel entnimmt. Aus dem Pfarrarchiv ist ersichtlich, daß noch bis Ende des 16.Jahrhunderts Wölfe die Gegend unsicher machen. Desweiteren sind Botengänge, Wachdienste und im Kriegsfalle die Bereitstellung von Heerwagen, 4 Pferden und Schirrmeister zu gewährleisten. Letzteres selbstverständlich auf Kosten der Gemeinde.

Die Ablösung der Grund- und Gerichtsherrschaft aufgrund der Ereignisse von 1848 wird jedoch erst 1856 förmlich durchgeführt. Somit entfallen endgültig die Reallasten; Frondienste und andere Arbeiten müssen nicht mehr geleistet werden. Die veralteten altquerfurter und altnebraer Scheffel werden beispielsweise auf den preußischen umgerechnet. Die Anwohnern können nun in den uneingeschränkten Besitz ihrer Güter gelangen, die bisher nur Erbpachtgüter gewesen sind.

Das Rittergut - Entwicklung und erste Eigentümer

Unmittelbar neben dem alten Gottesacker, auf der nordwestlichen Seite des Dorfes liegt das ehemalige Rittergut. Bestehend aus Herrenhaus, Wirtschaftsgebäuden und -höfen, einem Blumen und Gemüsegarten ist das Gut schon in den ersten Jahren eine kleine Perle in der ländlichen Idylle. Das Herrenhaus, nach einem Entwurf eines Hamburger Architekten, entsteht 1866-67 unter Maurermeister Apel aus Querfurt. Ein kleiner, aber wohl gepflegter Lustgarten mit einem stattlichen Gewächshaus dient den Eigentümern als beschaulicher Ruheplatz. Doch bleibt Heßler in späteren Jahren nichts weiter übrig, als über die Anlage bitter zu schreiben: „Ist im allerschlechtesten Zustande, müssen mindestens 2.000 Thaler verbaut werden“. Und so erlebt das Gut nach einer anfänglichen Blüte ein bewegtes Auf und Ab.

Im Dunkeln liegt der Ursprung des Rittergutes. Max Könnecke vermutet das Gut als Allod - altdeutsch für Eigentum, Erbgut - des Quedlinburger Wigbertiklosters. Hans II von Selmenitz ist der erste Besitzer, der mit Sicherheit zu nennen ist und 1496 seinem Sohn Heinrich III das Gut übergibt. Selmenitz selber erwirbt das Anwesen 1464 durch den Kauf der Vitzenburg von den Edlen Herren von Querfurt.

Lange währt die Freude Heinrichs an seinem Besitz jedoch nicht, da er im Alter von 26 Jahren, am 25. Juni 1498 in „Freiburg“ das Zeitliche segnet; seine Frau Elisabeth, eine Tochter Ulrichs von Lichtenhayn, stirbt wenige Monate vorher im Kindbett. 1521 erwirbt Joachim von Lichtenhayn, Bruder der Verstorbenen, von seinen Neffen allein das Anwesen. Euphemia Selmenitz, Enkelin Heinrichs III, bringt wahrscheinlich bei ihrer Heirat des Kaspar Schütz 1516 das Gut mit in die Ehe ein.

Einige Jahre lang ist die Eigentumsfrage nicht restlos geklärt. Als Inhaber „des Klein-Eichstedter Sedelhofes“ wird die Familie Schütz aufgeführt, allerdings bestätigt Kurfürst August I von Sachsen 1563 den Brüdern von Olsen unter anderen „den Sedelhof zu Eichstedt“. 1575 tauschen Dietrich von Olsen und Bernhard Schütz der Ältere mit ihren Gütern in Kleineichstädt und Weißenschirmbach. Formell erhält Kaspar Ulrich Schütz „die beiden Sedelhöfe in Schirmbach und Eichstedt“ erst 1602 durch einen neuen Lehnbrief (zurück). Fürwahr ein ziemliches Hin und Her und Durcheinander in der Geschichte des Rittergutes! Der offene Widerspruch findet aber dadurch seine Erklärung, daß Olsen formell beide Güter auf Lebenszeit besitzt, diese aber von Schütz in der Zeit bewirtschaftet werden. 1612 wird die Belehnung von Kurfürst Johann Georg bestätigt.

Die Bewirtschaftung zweier Güter wird Schütz allerdings zuviel. Und so tritt schon im Jahre 1589 eine Familie von Görschen mit Hauptsitz in Auligk auf dem Eichstedter Gut in Erscheinung. Jedoch können sich auch damals schon die lieben Familienglieder über die Lehensnachfolge nicht einigen und 1630 wird der Streit gerichtlich ausgetragen. Um 1656 wird das Gut für einige Zeit an den Junker von Trebra auf Gehofen verpachtet. 1658 erscheint Friedrich von Görschen als Besitzer. Wahrscheinlich 1686 geht das Gut dann an Heinrich Georg Jahnus, Amtshauptmann zu Wendelstein, über.

Das Durcheinander der Gutsverhältnisse - Rückkehr in Vitzenburger Besitz

Dem Heinrich Georg Jahnus bringt die kleine Ortschaft jedoch kein Glück. Nachdem er hier zwei Frauen verliert, die beide in der Kirche begraben sind, verläßt er schon recht bald Kleineichstädt. Von 1701-13 ist das Gut unter der Obhut des Pächter Hummel und von   1713-19 unter der des Pächters Ziege. Hans Christoph von Troyß, Hauptmann in Hessen-Kassel’schen Diensten, erwirbt 1719 das Gut für „10.000 gute Thaler“. Nach seinem Umzug nach Unter-Nessa bei Teuchern verpachtet Troyß das Gut für jährlich 600 Taler an Pächter Quehl auf 12 Jahre. Gleichzeitig behält er sich Wohnhaus und Lustgarten vor! Nach dem Pachtende 1740 werden Oberstleutnant von Langnau zu Neiße nebst Vetter Hauptmann Hans Heinrich von Unruh stolze Rittergutsbesitzer.

Nach dem Tode Unruhs 1746, seine Gemahlin Katharina Sophia, geb. von Goldacker stirbt sieben Jahre später, fällt das Gut ganz an v. Langnau. Diesem fällt die Bewirtschaftung als preußischen Offizier „bei der großen Entfernung von Neiße“ jedoch schwer und bietet daher das Anwesen dem Land-Kammerat von Heßler zum Kauf. Allerdings scheitern die Verhandlungen und für 9.000 Taler ersteht der kurfürstlich-sächsische Oberforstmeister Christian Heinrich Wilhelm von Starschedel aus Lodersleben das Gut. Doch auch er verpachtet selbiges - an die Herren Rehbaum und Zehler.

Um die Liste der Besitzer zu verlängern, kauft nun wiederum der Pächter des Witzleben`schen Rittergutes in Wolmirstedt Johann Konrad Meister das Gut für 12.510 Taler. Doch Glück mit seinem Landsitz hat auch er nicht. Durch den schweren Brand von 1773 wird er gezwungen, die Gebäude neu zu bauen. Dessen nicht genug, veranlassen ihn „unsaubere, ihn bloßstellende Händel bei seiner zweiten Verehelichung“, das Rittergut 1777 an Friedrich Peter Boysen, Pächter des Gutes Gleina, zu verkaufen. Aber schon 1778 pachtet Amtsverwalter Müller das Anwesen. 26 Jahre hält dieser den Besitz, bis 1804 derselbe für 29.000 Taler an den Schwager Bernhard Salomo Trinius übergeht.

Durch die Kriegsjahre und die Aufnahme einer Bürgschaft von 18.000 Taler geht Trinius bankrott. 1827 wird das Rittergut zwangsweise versteigert und geht diesmal für 17.000 Taler in den Besitz des Amtsschösser Osterloh auf Voigtstedt über. Bewirtschaftet wird das Gut von 1832-1858 vom Amtmann Stock. Amtman Hübner reiht sich 1858 in die Liste der Eichstedter Gutsherren ein. Nach seinem Tode am 12.November 1869  übernimmt dessen Witwe das Gut, welches sie mit ihrem späteren Mann Inspektor Karl August Panse bis zum 1.Juli 1890 bewirtschaftet.

Nach einer öffentlichen Versteigerung gelangt das Rittergut, mit dem Bonus einer sehr wechselvollen Historie, nach fast 400 Jahren durch den Grafen Werner von der Schulenburg-Heßler wieder in den Besitz Vitzenburger Herrschaften; wie zu Ende des 14. und Beginn des 16.Jahrhunderts. Die Bewirtschaftung der Felder findet nun von Weißenschirmbach oder Oberschmon aus statt, allein das Herrenhaus wird an den Major z.D. von Eckardstein vermietet. Der einzige Sohn des Grafen Moritz fällt 1916 während der schweren Kämpfe im Feindesland an der Somme. Die älteste Tochter Auguste Maria Anna vermählt sich 1913 mit Rambert Freiherr von Münchhausen aus Herrengosserstedt. Wohnstätte der beiden frisch Verheirateten wird das Herrenhaus in Kleineichstädt.

Der Zustand des Gutes derweil ist erbärmlich. Nur noch einigen wenigen ist die Anekdote über die finanziellen Hilferufe des jungen Herrn Baron an seinen Schwiegervater bekannt. Nachdem es in das Herrenhaus hinein geregnet hat, soll die Finanzspritze zur Behebung der Dachschäden dienen. Der Graf jedoch, noch von alter Schule, lehnt mit der Bemerkung ab, sein Schwiegersohn solle sich selbst Geld verdienen, dann könne er auch trocken wohnen.

Im Jahre 1945 allerdings endet die Herrschaft der von Schulenburg-Heßler und Münchhausen endgültig und die Geschichte des Rittergutes wird mit einer anderen Feder weitergeschrieben.

Epilog

Ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Kameraden

Als nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 euphorisch der Sieg Deutschlands gefeiert wurde, gedachten die zahlreiche Kriegervereine nicht nur der gewonnenen oder verlorenen Schlachten, sondern auch ihrer gefallenen Kameraden. Fast jedes Dorf hatte seinen eigenen Verein, der nicht nur der Gefallenen dieses Krieges, sondern oft noch des Deutsch-Österreichischen Krieges von 1866 gedachte. Später kamen weitere Denkmäler für die Gefallenen beider Weltkriege hinzu. Prächtige Gedenksteine, weithin sichtbar oder in unmittelbarer Nähe des Dorfplatzes erwiesen den Soldaten vielerorts die letzte Ehre. Viele Denkmäler blieben erhalten, wurden gepflegt und, wenn nötig, mit enormen Geldaufwand restauriert. Noch mehr Denkmäler allerdings wurden vergessen - Wind und Wetter trugen und tragen ihren Teil zum Zerfall bei.

Eines dieser Denkmäler befindet sich in Kleineichstädt zwischen dem Pfarrgelände und dem ehemaligen Rittergut. Heute hebt sich das aus einem Sandsteinsockel bestehende Denkmal nur unscheinbar von den ringsum stehenden Gebäuden ab. Von dem einst prächtigen Kriegerdenkmal sind nur noch die unter dem gemeißelten Eichenlaubkranz gekreuzten Schwerter deutlich zu erkennen. Die Inschriften sind längst verwittert und nur noch schwer zu deuten. Eingeweiht wurde das Denkmal am 12.September 1880.

Zur feierlichen Enthüllung waren junge und alte Menschen aus Kleineichstädt und den umliegenden Dörfern geströmt. Festliche Gesänge erfüllten die Dorfluft. Unter Teilnahme des hiesigen und benachbarter Kriegervereine zogen die Anwesenden vor der Enthüllung durch den Ort. Am Ehrenmal angekommen, sprach der damalige Pfarrer Christian August Moritz Ulrich an jenem Sonntag den Gefallenen einige Gedenkworte und weihte darauf das Kriegermal ein. Die Vereine präsentierten ihre Gewehre und schossen anschließend Salut für ihre gefallenen Kameraden. Kurzum, es war ein herrliches Dorffest.

In der vom Pfarrer Max Könnecke 1892 verfaßten Dorfchronik sind die Inschriften allerdings noch nachzulesen. In Goldschrift standen auf der Vorderseite Namen und Orte der Gefallenen; auf der rechten Seite „Den Gebliebenen zum Gedächtnis, den Zurückgekehrten zur Anerkennung, den Kommenden zur Nachahmung“. „Friedrich Hendrich starb als Husar am 3.Juli 1866 in der Schlacht bei Königgrätz, Gustav Staudte starb den 22.September 1866 in Berlin, Ottomar Zahnert fiel in der Schlacht bei Beaumont in Frankreich am 30.August 1870.“

Auf der Rüchseite war „ Zur Erinnerung an die Kriegsjahre 1864, 1866, 1870/71“ zu lesen. Darunter stand: „Gewidmet von den dankbaren Mitgliedern der Gemeinde Klein-Eichstedt“. Das Landwehrkreuz auf dem Denkmal trug die Inschrift „Mit Gott, für König und Vaterland“. Einige Jahre später wurde zum Schutz der Anlage ein Zaun gezogen, welcher heute aber nicht mehr existiert. Gestiftet wurde das Kriegerdenkmal vom örtlichen Kriegerverein, wobei es sich dessen Vorsteher Spieler nicht nehmen ließ, den Stein in seinem Steinbruch zu bearbeiten.

Zur Erinnerung der im Weltkrieg gefallenen Soldaten entstand in unmittelbarer Nähe des Pfarrgebäudes ein weiteres Denkmal. Auf seiner Vorderseite stützt sich ein kriegsmüder Soldat gerade auf seinem Karabiner ab. Jedoch sind hier die im Sandstein eingearbeiteten Inschriften gleichfalls längst verwittert.

SCHLUSS