FREYBURG

Freyburg ist eine recht junge Stadt, deren Geschichte mit der der auf dem Berg liegenden Neuenburg auf das engste verknüpft ist. Als Burgsiedlung „surburium“ der um 1090 gegründeten Burg angelegt, wurden die zwei nahe gelegenen Dörfer Eckstädt – an sie erinnert heute das Eckstädter Tor -  und das unter der Haldeckenburg gelegene in die Stadtplanung aufgenommen.

Als der Ludowinger Landgraf die Stadt zu Füßen seiner Festung errichten ließ, brauchte er Siedler, die das Land bewirtschafteten, Handwerker, die für die Bedürfnisse der Burg sorgten. Ludwig stellte Vergünstigungen in Aussicht, die andere Siedlungen nicht zu bieten hatten. „Frei von Abgaben“, „ohne Zoll und Geleitskauf kaufen und verkaufen“, „mit städtischen Rechten begabt“. In der unmittelbaren Nähe zum slawischen Grenzfluss, bot der Springer seine Untertanen vieles, um die Siedlung attraktiv zu machen und die Vergrößerung seinen Einflussbereich auf eine gesunde Basis zu erweitern. In der Burg fanden die Neusiedler zudem eine Schutzstätte, die sie bei feindlichen Angriffen aufnahm.

Aufschwung im Schatten der Burg

Die Lage der Stadt an zwei sich kreuzenden Handelsstraßen, die hier über die Unstrut führten, förderte die Entwicklung. Mit dem Handel blühten das Gewerbe, vor allem die Weberei, und der Weinbau auf.

Mit der naheliegenden Stadt Naumburg sollte Freyburg jahrhundertelang in wirtschaftlichem Wettbewerb liegen. Als die Unstrut im 18.Jahrhundert schiffbar gemacht, die Straße nach Artern angelegt und die Unstrutbahn gebaut wurde, erhielt die Stadt einen neuen Aufschwung, der sich bis in das späte 20.Jahrhundert anhielt.

Doch seine Lage an der „Königsstraße“ zog Freyburg auch immer wieder in Kriege, Schlachten und militärische Auseinandersetzungen hinein. Jahrhunderte nahm die Stadt eine strategische Schlüsselstellung ein. Im Dreißigjährigen Krieg hatte die Stadt unter den Kaiserlichen genauso wie unter den Schweden zu leiden. 1631, die Magdeburgisierung der protestantischen Stadt durch die Truppen Johann t’Serclaes Graf von Tilly  wurde zum Synonym für Zerstörung und Grausamkeit, ließ Tilly auf seinem Weg nach Sachsen Freyburg plündern und anbrenne. Ein Jahr später hausten die Holk'schen Reiter, bald darauf die protestantischen Schweden an der Unstrut. Den Krieg der „Teutschen“ mussten in erster Linie Städte, Bürger und Bauern zahlen.  

Im Siebenjährigen Krieg war es die Armee des französischen Prinzen Soubise, die ihre blutigen Spuren hinterließ. Hatte sie bereits vor der Schlacht bei Roßbach die Stadt bis aufs Letzte ausgenommen, hauste sie nach ihrer Niederlage am 05.November 1757 noch schrecklicher unter den Bewohnern. Nachdem der Rest des geschlagenen Heeres über den Fluss gesetzt war, wurde die Unstrutbrücke niedergebrannt und die Preußen mussten bei Nißmitz eine Notbrücke schlagen.

Kriege und die Einführung anderer Getränke wie Bier, Kaffee und Tee hatten im 17. Und 18. Jahrhundert dazu geführt, dass der Weinbau um Freyburg vernachlässigt wurde. Dem sollte der kurfürstliche Erlass von 1787 Einhalt gebieten, indem Rebflächen, die bisher im Besitz des Adelshauses waren, gegen eine Erbpacht zur Bewirtschaftung an Bürger des Ortes abgegeben wurden. Drei Jahre später erteilte der Kurfürst Friedrich August III. den Befehl, die Schiffbarmachung der Unstrut von Bretleben bis zur Einmündung in die Saale bei Großjena und die Saale abwärts bis Weißenfels in Angriff zu nehmen. Er bewilligte dafür knapp 200.000 Taler. Fünf Jahre später wurde die Schifffahrt auf Saale und Unstrut eröffnet, nachdem zwölf Schleusen an der Unstrut und drei an der Saale fertiggestellt worden waren. Die Gesamtbaukosten belaufen sich auf rund 530.000 Taler. 

Rückzug der Franzosen

„Auch 1806 war auch (das kursächsische d.R.) Freyburg der Schauplatz starker Truppenbewegungen. Im September zogen die Preußen durch das Tal, der an der Saale stehenden Armee Napoleons entgegen. Nach der Schlacht quartierten sich die Franzosen in der Stadt ein. Der denkwürdigste Tag in der „militärischen“ Geschichte Freyburgs aber war der 21.Oktober 1813. Auf der Flucht von Leipzig setzte Napoleon seine geschlagene Armee – es waren immer noch 110.000 Mann mit Kanonen, Wagen und Pferden – auf zwei Notbrücken bei Freyburg über die Unstrut; es war der einzige Weg, der ihm offenstand. Stadt und Schloß Freyburg, Dorf und Gut Zscheiplitz und die Schweigenberge wurden von den Franzosen besetzt, um den Übergang zu decken. Napoleon leitete den Rückzug persönlich, wobei er einige Mühe hatte, Ordnung in die demoralisierte Armee zu bringen. Denn schon drängte das Yorcksche Korps, das die Verfolgung aufgenommen hatte, hart nach und störte die Absetzbewegungen durch Geschützfeuer und Infanterieangriffe. Nur unter starken Verlusten an Menschen, Waffen und Material gelang der Übergang über die Unstrut und erst als der letzte Grenadier den Fluß überschritten hatte, brach Napoleon alle Sicherungen ab, setzte die Holzbrücken in Brand und sprengte der fliehenden Truppe nach. Am 22.Oktober, früh 7 Uhr, rückten die siegreichen Preußen unter Feldmarschall Blücher in Freyburg ein.“ beschrieb Fritz Kühnlenz 1965 die turbulenten Ereignisse zu Beginn des 19.Jahrhunderts.

„Mein Verbrechen“, hatte Friedrich Ludwig Jahn einmal gesagt, „war, dass ich die höchst gefährliche Lehre der einheit Deutschlands zuerst aufgebracht.“ Der Mitbegründer des Lützower Freikorps siedelte 1825, nachdem ihm die preußische Regierung verboten hatte, in einer Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen, an die Unstrut über. Der „unerschrockene Mahner zur Einheit und Freiheit, der von der Jugend verehrte Patriot, der körperliche Ertüchtigung mit Vaterlandsliebe verband“, war ein unbequemer Zeitgenosse und so manchem Bürger und Spitzel verdächtig.

Nachdem er 1848 noch als Abgeordneter an der Frankfurter Nationalversammlung teilgenommen hatte, starb er am 15.Oktober 1852 in Freyburg. „Für das Vaterland habe ich als Kind gebetet, als Knabe geglüht, als Jüngling in frommer Ahnung geschwärmt und als Mann gelehrt, geschrieben, gefochten und gelitten“, war das Bekenntnis seines Lebens. Heute ist das Haus am Schloßberg Gedenkstätte und Museum. Im Garten liegt das Grab des „Altem mit dem Barte“ wie in die Freyburger nannten.

An der Stadtmauer der Oberstadt erhebt sich die in seinem Geist 1896 erbaute Turnhalle, in der sich Freyburger im Turnen und Sport übt und heute noch fit hält. Zu Lebzeiten verkannt, ehrte ihn die Stadt Freyburg 1894 durch ein Denkmal, doch erst einhundert Jahre später wurde die ganze Bedeutung seines Wirkens erkannt. Heute gehören die alljährlich stattfindenden „Jahn-Gedächtnis-Wettkämpfe“ (heute Jahnsportfest) in Freyburg zu einer der schönsten und – sportlichsten – Traditionen.

Nun, die Stadt auch selber. Heute das Zentrum, die heimliche Hauptstadt, das Zentrum des Weinbaus an Saale und Unstrut. Die Stadt lebt ihre Geschichte. Stadtmauer, Eckstädter Tor, Zinnen, Schießscharten, die Marienkirche aus dem frühen 13.Jahrhundert. Seit den Wendejahren ist es insbesondere der Weinbau der Winzergenossenschaft und die Erfolge der Rotkäppchen-Sektkellerei, die das Städtchen landesweit bekannt machen und die – glücklicherweise- zahllosen Besucherströme durch die engen Gassen des ursprünglichen Städtchens schieben.

Wirtschaftlich lieferten die Freyburger Kies- und Lehmgruben Baustoffe ins gesamte Umland. Der Kalkstein, als Baumaterial, Düngemittel und Rohstoff zur Aufbereitung des Zuckers benötigt, wurde bis 1989 durch den VEB Werksteinbetrieb und das Kalkwerk bearbeitet. Doch vor allem der Wein. Und der Sekt. Nichts prägte und prägt die Gegend an der unteren Unstrut nachhaltiger als die Reben. Hier sind alle klimatischen Voraussetzungen für das Reifen einer milden Traube gegeben. Zeitiger als sonst im mitteldeutschen Raum zieht im Tal der Frühling ein. Das nördlichste Weinbaugebiet Europas, 51,2° nördliche Breite, Toskana des Nordens, Mikroklima. Die Sonnenscheindauer ist länger und der Niederschlag geringer als in anderen Flußtälern. Freyburger Weine waren begehrt und verhalfen den Winzern zu Ansehen und Wohlstand. Den Höhepunkt erreichte der Freyburger Weinbau im 16.Jahrhundert. Nachdem die Reblaus im 19.Jahrhundert Stück für Stück des Weinlandes in Deutschland und auch an der Unstrut vernichtet hatte, pflanzten viele Winzer auf ihren Hängen aus purer Verzweiflung Obstbäume und Sträucher an und kelterten einen ertragsreichen Obstwein. Noch heute befinden sich zahlreiche Streuobstwieden inmitten ausgedehnter Weinbergsflächen an Saale und Unstrut. Mit der 1912 gegründeten Weinbaulehr- und Versuchsanstalt begann der Neubeginn auf Grundlage reblausresistenter Pfropfreben. „Dort, wo es die Reben am schwersten haben, entwickeln sie sich zu einem besonders charaktervollen, feinnuancierten Wein.“ In der Reben- und Kulturlandschaft von Saale und Unstrut lebt und atmet heute alles in diesem Sinne.