GLETSCHER, SEEN UND SONNENSCHEIN 7 von 8
VOM SÜDPAZIFIK ZU DEN SÜDALPEN
Aoraki National Park

Der Mount Cook National Park (Aoraki National Park) umfasst den Kernbereich der neuseeländischen Alpen. Um die beiden imponierenden Gipfel der Südalpen, den 3.753m hohen Mount Cook (Aoraki) und den 3.496m hohen Mount Tasman, gruppieren sich weitere 15 Dreitausender sowie etwa 200 Gipfel, die sich mindestens 2.500m hoch in dien Himmel strecken. Durch den Park zieht sich der Tasman Glacier, der heute noch etwa 29km lang und bis zu 3 km breit ist. Doch wie die meisten Gletscher der Erde zieht sich auch dieser immer weiter zurück.

Wahrscheinlich haben Abel Tasman und später der Seefahrer Cook die nach ihnen benannten Berge überhaupt nicht gesehen, als sie an der Westküste der Südinselentlang fuhren. schon damals dürften sich die höchsten Erhebungen des LAndes in Wolken gehüllt haben.

Moeraki Boulders

"Als ich am Strand vor den mehrere Tonnen schweren Steinen stehe, fallen mir jedoch die nüchternen Erklärungen der Naturwissenschaftler ein. Diese erklären die Entstehung durch chemische Konkretion um harte Kerne am Meeresboden vor vielen Millionen Jahren."

„Es kommt nicht darauf an, wie lange man wartet, sondern auf wen man wartet.“, sagte Tony Curtis in Billy Wilders Filmklassiker „Manche mögen’s heiß“. Auf mich wartet Neuseelands Gebirgswelt in ihrer vollen Schönheit. Während sie ihren schneeweißen Umhang noch fröstelnd über die Schultern zieht, reckt sie ihre zerklüfteten Häupter majestätisch und tiefsinnig in den blauen Himmel. Klare glitzernde Seen ruhen an ihren Ausläufern und weite Hochgebirgsebenen dienen als fantastische Filmkulisse.

Auf halber Strecke zwischen Dunedin und Oamaru weist ein schmales Schild den Weg nach Moeraki. Das kleine Nest am Südpazifik wäre nur eines von vielen, wenn es nicht durch seine gewaltigen Steinkugeln auf sich aufmerksam machen würde. In der Maori-Überlieferung heißt es, dass die „Moeraki-Boulders“ jene zu Stein gewordenen Kalebassen und Vorratskörbe sind, die von den Ahnen aus ihrem Kanu an Land geworfen wurden. Der Gedanke gefällt mir.

Als ich am Strand vor den mehrere Tonnen schweren Steinen stehe, fallen mir jedoch die nüchternen Erklärungen der Naturwissenschaftler ein. Diese erklären die Entstehung durch chemische Konkretion um harte Kerne am Meeresboden vor vielen Millionen Jahren. Im Klartext und für vorliegenden Fall bedeutet das die Ablagerung  von Kalksalzen um den Kern. Später hob sich der Meeresboden, die Klumpen wurden von der Brandung freigewaschen und blieben am Strand. Bis heute.

Bei Oamaru soll es möglich sein, kleine blaue Pinguine und Gelbaugenpinguine zu beobachten. Da es jedoch schon dunkel wird, verzichte ich auf das „Date“ und suche mir schnell eine Unterkunft. Die „Red Kettle“ Jugendherberge liegt an der Ecke Reed und Cross Street.

Der Highway 83 bringt mich den Südalpen schnell näher. Rechterhand fließt der Waitaki River zum Südpazifik ab. Ein schmaler und wie mir scheint recht kleiner Fluss. Hinter Kurow entdecke ich die Ursache. Eine mächtige Staumauer stoppt den von den Bergen ablaufenden, schier unerschöpflichen Wasservorrat. Neuseelands Wirtschaft ist bestrebt vom Energieimport unabhängiger zu werden. So ist es fast logisch, dass das enorme Wasser- und Wärmepotential durch eindrucksvolle technische Anlagen, Stauseen und geothermische Kraftwerke, genutzt wird. Doch die Umgestaltung der unberührten Natur in den 1970er Jahren hat zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem sehr aktiven neuseeländischen Natur- und Umweltschutz geführt. Heute bestimmen die drei großen Wasserkraftwerke Benmore, Aviemore und Waitaki das Landschaftsbild am mittleren Flusslauf. Bis Omarama wechselt nun ein See den anderen ab. Twizel ist die nächste Siedlung und die jüngste Stadt Neuseelands. Das einstige Bauarbeiter Camp entwickelte sich auch nach der Fertigstellung der Staudämme und Kraftwerke weiter und ist heute einer der „Brennpunkte in der neuen Ferien- und Freizeitlandschaft Mackenzie Hydro Lakes“.

Wie ein kräftig mit Puderzucker übergossener Kuchen ziehen sich die Ben Ohau Berge entlang des Highway 8. Hinter Twizel biegt die Straße links ab und hält direkt auf den Aoraki/ Mount Cook Nationalpark zu. Die Sackgasse beginnt parallel zum Lake Pukaki und endet im Mount Cook Village. Die Straße führt durch eine Landschaft, die einem Werbekatalog entsprungen zu sein scheint. Fast unwirklich kommen mir die schneebedeckten Berge, der blaue Himmel und die vielen Schafe auf der weiten Ebene vor. Dröhnend stemmt sich ein Buschflugzeug gegen die Schwerkraft einer staubigen Piste, steigt steil in den wolkenlosen Himmel und verschwindet hinter den zerklüfteten Bergen. In der kleinen Siedlung am Fuße des Mt. Sefton bietet ein Hotel Übernachtungsmöglichkeiten in der „de Luxe“ Ausführung. Die Jugendherberge nebenan bietet schon Unterkünfte ab 22 neuseeländische Dollar.

Das Glück ist auf meiner Seite und Petrus meint es wahrlich gut mit mir. Ich mache mich auf den „Hooker Valley Track“ auf. Der ausgetretene Pfad führt am grauen Gletscherbach entlang, führt zweimal über halsbrecherische Hängebrücken und endet am Hooker Lake. Ich falle in einen Fotografierrausch und benötige gute zwei Stunden bis zum Gletschersee, der am Fuße des Mount Cook Massivs liegt. Einige Eisschollen strahlen mir ihre eisige Gelassenheit entgegen. Der 3.754m hohe Gipfel ist der Höchste Neuseelands. Die Maori nennen ihn Aoraki, was soviel bedeuten soll wie „Wolke im Himmel“. Es ist der schönste Trip meiner Reise. Lake Tekapo erreiche ich in den späten Nachmittagsstunden. Die Siedlung mit dem gleichen Namen liegt direkt am See. Bekannt geworden ist der Ort durch „Church of God Old Shepyard“. Wenige Meter neben der kleinen Steinkapelle, haben die Schafzüchter vom Mackenzie County ihren treuen Hütehunden ein Denkmal gesetzt. Ohne diese wäre Neuseeland nicht zu dem geworden, was das Land bekannt gemacht hat.

Das raue Mackenzie-Hochland ist das Land der Schafzüchter. Auf den weiten Ebenen, die  vorwiegend von Tussock-Gras bewachsen sind, herrscht ein raues Klima. Die Winter sind recht kalt und bringen häufig viel Schnee. Besonders die schottischen Schafhirten der Highlands sollen sich hier schnell zurechtgefunden haben. Das County selbst verdankt seinen Namen dem Schafzüchter und Herdendieb James McKenzie. Der Schotte wurde zum ersten Volkshelden Neuseelands. Es heißt, dass McKenzie mit seinem Hund Friday 1855 von der riesigen „Level Station“ Tausende von Schafen gestohlen hatte und sich dem Griff der Wollbarone über den von ihm entdeckten Pass in das damals noch unerforschte Hochland entzog. Später wurde er jedoch gefasst und in Lyttleton eingesperrt.

Mir bleibt Lake Tekapo nicht nur durch einen romantischen Sonnenuntergang im Gedächtnis, sondern auch durch die kleine Oldtimer-Rallye. Ein berauschender Anblick für jemand, dem ein wenig Sprit durch die Adern fliest. Im ganzen Ort parken 53er Chevrolets neben Jaguar, Cadillac und Porsche. Am See führt eine staubige Piste in die Einsamkeit. Ich komme an einer Ranch vorbei, die wie eine Oase in der Einsamkeit plötzlich auftaucht. Farmer reparieren einen Zaun. Weit entfernt hallt eine wütende Motorsäge von den Berghängen wider. Irgendwann stehe ich vor einer Furt und dem Godley Valley. Ringsum ragen mächtige 2.000er empor. Klare Bäche fliesen zum Godley River hin. Dichtes Tussock-Gras zieht sich dicht an die Ausläufer heran. „Das Land Rohan“, geht es mir durch den Kopf. Die Kulissen der Filmtrilogie sind nicht mehr vorhanden und mir kommen auch keine stolzen Reiter entgegen. Doch wäre das in diesem Moment ein wenig zu viel verlangt.

Je weiter ich mich von den Bergen entferne, umso grüner wird das Gras. Auch die Zivilisation empfängt mich langsam wieder. Doch ich kehre ihr noch mal den Rücken. Die raue Schönheit der Berge hat mich in ihren Bann geschlagen. Ich überquere den breiten Rangitata River und mache mich auf den Weg zum Lake Clearwater. Völlig überraschend entdecke ich in der Einsamkeit eine Bungalow-Siedlung. Eine Familie repariert die letzten Winterschäden; sonst ist keine Seele zu entdecken. Das Ufergelände lädt mit weiten Armen zur Übernachtung ein. Es wird eine kalte Nacht. Am nächsten Morgen liegt über dem See ein schmaler Nebelstreifen und hüllt Enten und Haubentaucher in seinen grauen Mantel.

Ich lasse die Berge hinter mir. Plantagen säumen den Weg. Riesige, umzäunte Weideflächen mit Kuh- und Schafherden erstrecken sich bis zum Pazifik. „JESUS CHRIST IS LORD“ prangt in schwarzen Buchstaben über einer verlassenen Tankstelle. Neuseeland ist reich an den verschiedensten Religionsgruppen. Presbyterianer, Methodisten, Katholiken oder Baptisten. Der größte Teil der Gläubigen, etwa 18% der Bevölkerung, gehören der anglikanischen Kirche an. In Rakaia stoße ich wieder auf den Highway 1, der mich an Christchurch vorbei nach Kaikoura bringt, dem kleinen Nest, dessen Existenz den Walen zu verdanken ist.

Moeraki Boulders

Die mehrere Tonnen schweren Steinkugeln sind nach Maori-Überlieferung jene zu Stein gewordenen Kalebassen und Vorratskörbe, die vor langer Zeit vom Ahnenkanu an Land geworfen wurden.

Tekapo

Die kleine Siedlung ist bekannt durch die "Church of Good Shepherd", die 1935 für die vielen vierbeinigen Hirten auf den riesigen Schafweiden erbaut worden ist.

Hochgebirgspanorama

In zahlreichen Orten werden Rundflüge über die grandiose Gebirgslandschaft angeboten.