BIS ZUM SÜDLICHEN ENDE DER WELT 6 von 8
BIS ZUR FOVEAUX STRAIT - DER SÜDPAZIFIK
Milford Sound

Eines der schönsten Wahrzeichen Neuseelands schmiegt sich an die Südwestküste der Südinsel. Die Silhouette ist jedem, der Bildbände übder das "schönste Ende der Welt" gesehen hat, bekannt: üppige Vegetation im Vordergrund, der wie ein Spiegel daliegende Fjord und diese magische Szenerie beherrscht von einer steil aufragenden Bergpyramide, die ihrer Gestalt ihren Namen verdankt - Mitre Peak, die Bischofskrone. Zu den ersten Weißen, die diesen Flecken Herrlichkeit sahen, gehörte Captain Stoke, der 1851 auf der "Acheron" auf Vermessungsreise um die Insel war.

Leider hüllt sich diese grandiose Landschaft die meisten Tage des Jahres stolz in ein Regenkleid. Daher ist entsprechende Kleidung unverzichtbar. Die Anfahrt zum Fjord erfolgt über eine 120km lange, bei schönem Wetter herrliche Bergstraße von Te Anau durch das Eglinton Valley und den stockdüsteren Homer Tunnel.

Paradise - No Exit

An der rechten Flanke der Südalpen, eine halbe Autostunde von Queenstown liegt Paradise. Einige Hütten, ein paar Pferde und ein Hund waren am Ende der Sackgasse zu finden. Das Paradies für Trekker und Aussteiger.

„Geringe Lawinengefahr“ springt mir der Hinweis frohgelaunt entgegen. Noch am Abend zuvor sah es anders aus. Eine dichte Wolkendecke und Schneegestöber versprachen mir geringe Erfolge für meine Tour zum Milford Sound. Doch Petrus meint es wirklich gut mit mir. Als ich am Morgen aufstehe, haben sich die Wolken verzogen und der Highway 94 ist ohne Bedenken freigegeben.

Die Hinweise für Reisende habe ich mir sicherheitshalber schon längst durchgelesen. Von plötzlichen Lawinenabgängen und schnellen Wetterwechseln ist die Rede. Das die neuesten Informationen im Internet nachzulesen sind, hilft mir an dieser Stelle nur wenig, um ehrlich zu sein, gar nicht, weiter. Die Straße ist wie leergefegt als ich mich auf den Weg zum meistbesuchten Fjord Neuseelands mache. Im Vertrauen. Es ist auch der einzige Fjord, der für den Massentourismus freigegeben ist. Im Süden erstreckt sich der Fjordland National Park. Er ist der leuchtendste Stern an Neuseelands reich schimmernden Sternenhimmel und das Paradies jedes wahren Trekkers. Ich fahre durch das Eglinton Tal, dessen Formation vor Jahrtausenden von mächtigen Gletschern geformt wurde. An den Gipfeln der rechts und links aufragenden Berge haben sich dichte Nebelwolken festgeklammert. Sie scheinen meine Vorfreude über das anfänglich schöne Wetter zu bespötteln. „Macht nur“ denke ich im Stillen. „Ein wenig Regen kann mich nicht mehr schrecken. Hauptsache, der Pass ist nicht zugeschneit.“

Auf halber Strecke passiere ich die „Mirror Lakes“. Leider sind die „Spiegel“ ganz schön trüb und ich versuche vergeblich, die sich im Wasser widerspiegelnden Berge zu erkennen. Da dieser „trübe“ Umstand aber auch am Wetter liegen kann, mache ich mich wieder auf den Weg. Ein schmaler Weg führt plötzlich rechts in den dichten Busch. Nach 100 Meter stehe ich am Lake Gunn. Am Waldrand schält sich ein junges Trekkingpärchen aus seinem Zelt. Die zwei sind in dicke Bekleidung eingemummt. Kein Wunder, liegen doch die Temperaturen nachts noch unter dem Gefrierpunkt. Allerdings bezweifle ich stark, dass die zwei wirklich gefroren haben. Einige Touristen ziehen an mir vorbei Richtung Homer Tunnel. Dieser liegt wie „The Divide“ vor mir. Der 534m hohe Pass ist der niedrigste Übergang der Südalpen. Hier begin-nen oder enden der vielgerühmte Routeburn Track, der Caples und Greenstone Track.

An Pops View genieße ich den herrlichen Blick ins Hollyford Valley. Tief unter mir zwängt sich ein schmaler Gebirgsbach gurgelnd durch die Schlucht in die Tasmanische See. Noch kann ich das Meer nur ahnen. „Nicht Parken“ Schilder und die ständige Lawinengefahr sind auf meinem Weg ständiger Begleiter. Immer wieder suchen sich die Schneemassen ihren Weg ins Tal. Deutlich sind die Spuren der Geröllmassen zu erkennen, die erst kürzlich ins Tal stürzten. An einer schmalen Stelle erinnert ein verwittertes Kreuz an vergangene Schicksale.

Grüngefiederte Keas geben eine stumme Soloeinlage. Der freche Bergpapagei genießt einen zweifelhaften Ruf. Ihm wird nachgesagt, selbst Schafe zu töten und Menschen anzugreifen. Doch die bettelnd dreinschauenden Vögel können mir diesen Eindruck nicht vermitteln. Als ich den Homer Tunnel passiert habe, liegen 1.219m lange Dunkelheit hinter mir. Auf der anderen Seite führt der Highway steil und kurvenreich ins Tal hinunter. Unvermittelt fängt der Regenwald ein. Die dicht zusammenwachsenden Farnbäume, Lianen, Buchen und Epipythen laden zu einer abenteuerlichen Trekkingtour ein. Doch mich zieht es weiter zum Sound. „Die Niederschläge sind mit 6.000 Millimetern pro Jahr extrem hoch.“ steht es im Reiseführer. Soll es meinetwegen stehen. Mich empfängt herrlichster Sonnenschein und ich schlage vor Übermut fast Purzelbäume. Wie viel Glück kann ein Mensch noch haben?

Vor mir reckt der 1.692m hohe Mitre Peak seine weiße Krone in den blauen Himmel. Die steil aufragende Felspyramide verdankt ihren Namen ihrer Gestalt einer Bischofskrone – der Mitra und ihre Bekanntheit den zahlreichen Bildbänden und Postkarten. Es versteht sich selbstredend, dass ich meinen Finger kaum wieder vom Auslöser der Kamera bekomme. Im Milford Sound beginnt auch der vier bis fünftägige Milford Track an die Nordspitze des Lake Te Anau. „Wenn ich einmal groß bin, werde ich mich noch mal auf diesen sagenhaften Track machen“.

Die Bootstour mit einem der zahlreichen Ausflugsdampfer ist ein Muss. Da sich nur wenige Touristen im Sound befinden, löse ich ohne Stress eine Karte. Die nächsten 90 Minuten sind angefüllt mit einem unvergesslichen Naturschauspiel. Donnernde Wasserfälle schießen in den Fjord und in einer entfernten Schlucht geht eine Schneelawine ab. Neugierige Pinguine tauchen hinter dem St.Anne Point vor unserem Bug auf. An den Stirling Falls genießen sonnenhungrige Seelöwen die ersten Sonnenstrahlen. In Te Anau übernachte ich auf meiner Rückreise. Ich verlasse die ausgetretenen Touristenpfade, die üblicherweise direkt nach Dunedin führen. Mein Weg führt mich über den 46.Breitengrad weiter nach Süden.

Klar stechen die Takitimu Mountains in einen blauen Himmel. „Long white clouds“, lange weiße Wolken, ziehen vor mir her und begleiten mich hinunter nach Bluff. Wenngleich schon Neuseeland ein Land der Individualisten ist, lerne ich auf meiner Route, dass eine Steigerung noch möglich ist. An die zahllosen Schaf- und Rinderherden habe ich mich inzwischen gewöhnt. Auch manche – wirklich – schwarze Schafe sind schon Routine. Doch sind es die kleinen Alltäglichkeiten, die mich immer wieder zum Staunen bringen. Am Fuße der Gebirge, weit ab der Straße, stehen einzelne Blockhütten. Irgendwie fühle ich mich wie in einem der Abenteuerromane von Friedrich Gerstäcker oder Karl May. Nur dass hier die Indianer fehlen. Neuseeländer sind Individualisten. Das Recht und die Lust auf ein eigenes Blockhaus, das Wohnen und Leben „draußen im Busch“ sind ursprünglich und nicht totzukriegen. So hat der ureigene Traum der Ur-Urgroßväter und frühen Pioniere bis in die moderne Hightechzeit überlebt und wird in jeder freien Minute ausgelebt. Für mich sind nur die verschiedenen Briefkästen ein Zeichen für Leben in der Stille. Nun gut. Zugegeben. Ab und an fahren auch einige Autos auf dem Highway. Einige Straßenabschnitte werden ausgebessert und einige Vieherden zusammengetrieben. Einige ausrangierte Autos gammeln ihrem endgültigen Zerfall entgegen. Doch ansonsten bleibt es sehr, sehr idyllisch.

In Invercargill halte ich mich nicht lange auf. Obwohl mich die Stadt mitstrahlendem Sonnenschein einlädt, normalerweise soll hier das mieseste Wetter des Landes herrschen, ist mir der Trubel zuviel. In den Fleischfabriken der 52.000 Einwohner zählenden Stadt werden jährlich sieben Millionen Tiere zu Exportkoteletts verarbeitet. Auf dem Weg nach Bluff komme ich am Tiwai Smelter vorbei, eine der größten Aluminiumhütten der Welt. Ein, vom Rost zerfressenes, Schiffswrack liegt im Hafen auf der Seite. Das Fischernest Bluff selber hat nicht viel zu bieten. Am Wegesrand steht das südlichste Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten des Weltkrieges. Die Neuseeländer kämpften für das englische Mutterland auf Gallipolli und in den Gräben Belgiens. Selbst eigene Maori-Truppen wurden aufgestellt. Auch im 2.Weltkrieg kämpften die Neuseeländer in Afrika und auf dem europäischen Kontinent.

„Lands End“. Das südliche Ende. Weiter geht es nun wirklich nicht. Ich bin 5.133km vom Äquator und 18.958km von London entfernt. Nur noch Steward Island, die einsame, unter Naturschutz stehende Insel, liegt zwischen mir und der Antarktis. Doch trennt mich die Foveaux Strait und die Fähre von der Halfmoon Bay auf Stewart Island. So genieße ich einfach die warmen Sonnenstrahlen und den Moment aus vollem Herzen. Am Waipapa Strand an der Toetoes Bay habe ich ein Erlebnis der besonderen Art. Als ich die Karten betrachte und die Breitengrade vergleiche, beschleicht mich der Verdacht, dass der weiße Leuchtturm von Waipapa einige Minuten südlicher ist als „Lands End“ bei Bluff. Bis heute kann mich nichts von meiner Erkenntnis abbringen. Zumal ich am Sandstrand fast über einige Seelöwen stolpere. Die kurvenreiche Küstenstraße nach Balclutha ist der nächste Trip in Busch und Einsamkeit. „Catlins“ wird der raue Landstrich im Südosten der Insel genannt. Von den Stürmen zerzaust sind hier nicht nur die wenigen Bäume. An der Curio Bay liegt der „Fossil Fo-rest“. Doch fällt es mir trotz meiner lebhaften Fantasie äußerst schwer, in den Rillen und abgewaschenen Felsen einen versteinerten, 160 Millionen Jahre alten Wald zu erkennen.

Der Name Dunedin ist gälisch und bedeutet „Eden auf dem Hügel“. So steht es zumindest im Reiseführer. Doch der schottische Charakter der Stadt bleibt unbestritten. Selbst dem schottischen Dichter Robert Burns wurde 1887 ein Denkmal auf dem achteckigen Marktplatz, dem Octagon, gewidmet. Dunedin ist Universitätsstadt und ich fühle mich in den beschaulichen Straßen und Einkaufspassagen ein wenig wie im schönen Edinburgh. Im Otago Museum gibt es eine Sonderausstellung zum bekanntesten Kiwi Neuseelands, Sir Edmund Hillary. Hillary setzte mit der Erstbesteigung des Mount Everest 1953 Akzente und wurde dafür von der englischen Queen geadelt. An der Stuart Street passiere ich das Allied Press Building, in dem die älteste Zeitung Neuseelands erscheint. Gleich daneben liegt die Produktionsstätte der weltbekannten Cadbury Confectionary. Schräg gegenüber dem Gerichtsgebäude erhebt sich an der Anzac Avenue der mächtige Hauptbahnhof. Ich mache es mir auf einer Bank gemütlich, die aktuelle Ausgabe der Otago News auf den Knien und genieße eine Tafel Schokolade Cadbury, während 100m weiter der Zug einfährt.

Die Fahrt zur Otago Halbinsel ist wildromantisch und kreuzgefährlich. Leider kann ich in Portobello die angekündigten Königsalbatrosse nicht entdecken und mache mich wieder auf den Rückweg. Der Highway 1 ist Zubringer und Schnellstraße Dunedins. Ein wichtiger Hinweis auf den hohen Stellenwert der Stadt, wie ich im Nachhinein noch finde. Nach 20km wird die Straße wieder einspurig und bringt mich, immer mit Blick auf den Südpazifik, wieder in nördliche Richtung.

Glenorchy

Einige Holzhäuser, eine Poststelle, schlafende Hunde und Einsamkeit begrüßen den Besucher kurz vor dem letzten Weg nach Paradise.

Silberfarn

Im Unterwuchs der Wälder finden sich Farne, Moose, Lianen, Kletterpflanzen.

Kea

Nichts ist vor ihm sicher; selbst Scheibenwischer, Schlafsäcke und Autoreifen haben es dem Vogel angetan.

Bevölkerung

2002 lebten auf den Inseln rund 3,84Mio. Menschen, davon drei Viertel auf der Nordinsel. Auf der Nordinsel zählt man 25 Einwohner pro Quadratkilometer, auf der Südinsel 6 Einwohner.

Bergbau

Heute werden beträchtliche Mengen Kohle, erdöl, Erdgas, Eisen, Gold, Sande und Erden gefördert. Die Kohlereserven werden auf mehrere Milliarden Tonnen geschätzt.