ZEITZ

Vorher zwischen hügeligem Winterland rauchende Schlote, geschäftige Kohlenzüge, Stahlgerippeder Förderbrücken: Braunkohle zwischen Naundorf, Profen und Theißen. Überraschend zwingt die vielbereimte Stadt in die Höhe, Zeitz, das bürgerstolz mit seinem Rathaus Kirche und Schloß übertrumpft. Bürgerstolz ist auch Werner Hase, Freund eines Freundes, den ich erst nach einem unfreundlichen Vorspiel seinen Sitzungen entreißen darf. Magenleidender Zimmermann, setzte ihn der neue Staat nicht auf eine karge Rente, sondern in eine neue Position: Referent des städtischen Fürsorgewesens. Er muß gerade ein Pflegeheim inspizieren, ich gehe mit und inspiziere ihn. Zeitz (so erzählt er) hatte bis vor kurzem ein sonderbares Privileg. Als Preußen 1815 den Ort annektierte, legte es dorthin eine Korrektionsanstalt für gefällige und daher gefallene Mädchen. Es war das einzige Heilmittel, das der feudal-kapitalistische Staat gegen die illegale Prostitution parat hatte: abschieben, möglichst weit weg, in Zeitz mit Verlockung zum Grenzübertritt, damit sich eventuell die Nachbarn mit der Seuche weiterplagen könnten oder durch Massierung vieler Dirnen an einem Platz dafür sorgen, daß sie sich gegenseitig das „Geschäft“ verdürben.

Die Demokratische Republik hatte also, wie fast überall, so auch in Zeitz, ein schlimmes Erbe zu übernehmen. Die Prostitution wurde verboten, die sozialistische Ordnung beseitigte die gesellschaftlichen Gründe, aber nicht jene charakterlichen Fehlanlagen, welche zum Dirnentum führten. So blieb auch das Problem, so blieben auch genug problematische  Figuren in Zeitz, selbst als 1953 die dortige Anstalt aufgelöst wurde. Zimmermann Werner  Hase hatte es also viel mit dürrem und keineswegs astreinem Holz zu tun. Seine Nächte waren gewürzt mit Hilferufen aus den Heimen, wo sich die Rivalinnen in den Haaren und manchmal in den Perücken lagen,  während er tags auf den Gerichten Verleumdungsprozesse führen musste. Aber als richtigen Zimmermann scherten ihn die Späne nicht. Zusammen mit Mutter Berger, resoluter Arbeiterfrau voll Gemüt, hobelte er seine Schützlinge gleich. Eine muntere, rotgesichtige Sechzigerin, erzählt Hase, Mutter von acht Kindern, kam hierher mit drei Töchtern, alle vier unverbesserliche Dirnen. Zwei Töchtern gelang es, nach Westdeutschland zu entkommen und zu verkommen. Die dritte, offene Tbe, legte sich nackt auf den Boden des Gefängnishospitals, um zu sterben. Der Fall der Mutter schien vollends hoffnungslos, und trotzdem gab es Hase nicht auf. Mit Strenge und mit Güte schmolzen er und Mutter Berger den harten Panzer der Frau. Heute ist sie eine unermüdliche Helferin im Heim, daneben Mutter; ihre jüngeren Kinder sind dabei, sich geachtete Stellungen zu erwerben.“ Der österreichische Schriftsteller Arnolt Bronnen war anarchischer Skandalautor der 1920er Jahre, Parteigänger der Faschisten in den dreißiger Jahren und siedelte in den 1950er Jahren in die DDR über. Die Erlebnisse der 9.000 Kilometer langen Reise durch seine neue Heimat war in seinen Reportagen „Deutschland – kein Wintermärchen“ nachzulesen.

Historischer Abriss

Ansiedlung slawischer Bauern nach der Schlacht zwischen sächsisch-fränkischen und thüringischen Heeren bei Burgscheidungen 531 an Saale und Elster.

König Heinrich I. lässt an der Stelle der heutigen Moritzburg eine Burg errichten.

Zeitz wird auf der Synode von Ravenna 967 erstmals urkundlich als Cici erwähnt. Kaiser Otto I. und Papst Johannes XIII., beschließen die Gründung des Erzbistums Magdeburg sowie des Bistums Merseburg, des Bistums Meißen und des Bistums Zeitz. Die Vorarbeit zur Gründung des Bistums leistete seit 950 der Mönch und Missionar Boso aus dem Benediktinerkloster St. Emmeram. Auf Betreiben der Ekkehardiner wird der Bischofssitz um 1028 von Zeitz nach Naumburg verlegt. Mit dem Tod des Bischofs Julius von Pflug 1564 wird das Bistum Zeitz aufgelöst.

Im Zeitzer Ortsteil Suxdorf greift 1570 die Hexenverfolgung um sich und Eva Geißler wird als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Im Dreißigjährigen Krieg wird die Burganlage mehrfach belagert und die Bischofsburg Ende 1644 durch schwedische Truppen zerstört.

Durch das Testament Kurfürst Johann Georgs I. von Sachsen aus dem Jahr 1652 wird Kursachsen unter seine Söhne aufgeteilt. Mit der sogenannten Sekundogenitur entstehen die Herzogtümer Sachsen-Merseburg, Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Zeitz.

Auf den Grundmauern der zerstörten Bischofsburg wird unter der anfänglichen Leitung des fürstlich-sächsischen Landbaumeisters Johann Moritz Richter (1620–1667) die barocke Residenz Moritzburg an der Elster erbaut.

Mit dem Tod Herzog Moritz Wilhelm, dem einzigen Sohn von Herzog Moritz, fällt nach nur 69 Jahren, gemäß den Auflagen des Testaments Johann Georgs I., das Herzogtum Sachsen-Zeitz an das Kurhaus Dresden zurück. Nach den Napoleonischen Kriegen fällt zudem auf Beschluss des Wiener Kongresses 1814/15 fast das gesamte Stiftsgebiet an Preußen und Zeitz wird Sitz eines preußischen Landkreises.

1843 wird an der Elster „die erste Dampfmaschine in Betrieb genommen und 1855 die Zeitzer Eisengießerei und Maschinenfabrik AG (ZEMAG) gegründet, die sich mit Braunkohleveredlungsverfahren und dem Bau von dafür benötigten Tellertrocknern, Brikettpressen und Verladeanlagen befasste, denn um die Stadt Zeitz herum befand sich ein Gürtel von unzähligen Braunkohlengruben im Untertage- und im Tagebaubetrieb, die die Rohkohle förderten und als Brennstoff aufbereiteten.“

Mit der modernen Verarbeitung der Zuckerrüben ging der industrielle Aufschwung 1858 von Zeitz einher. Im Jahr darauf wurde Zeitz an die Eisenbahnlinie von Weißenfels nach Gera angeschlossen, „1872 nach Altenburg, 1873 nach Leipzig und schließlich 1879 nach Camburg. Weitere Gießereien wie die Eisen- und Stahlgießerei Oswald Kunsch in Zeitz-Rasberg (1896) und die Eisengießerei Hoffmann wurden gegründet. 1889 wurde die Brikettfabrik Herrmannschacht gegründet, die bis 1959 arbeitete und heute noch als Industriedenkmal erhalten ist und durch einen Verein gepflegt wird. Sie ist zugleich die älteste erhaltene Brikettfabrik der Welt.“

1900 gründet der Zeitungsverleger Reinhold Jubelt die Zeitzer Neuesten Nachrichten. Ab 1904 prosperiert die Maschinen- und Motorenbaufirma Hubertus Raab und die Zeitzer Klavierindustrie erlangt mit zeitweise 30 verschiedenen Fabriken einen weiten Bekanntheitsgrad. Die industrielle Entwicklung prägt die Bilder von Stadt und Umgebung in den folgenden Jahren. Die Zeitzer Holzwaren- und Kinderwagenindustrie wird über die Stadt hinaus bekannt, besonders durch den Stellmachermeister Ernst Albert Naether, der das Unternehmen E. A. Naether gründet. Weitere Unternehmen dieses Industriezweiges in Zeitz sind Opel & Kühne, Haesselbarth & Storm,Thuringia, Saxonia (Eduard Pfeiffer), Feiner, Germania, Gärtner und Wünsch & Pretzsch (Phönix). Lebensmittelbetriebe der Unternehmer Max Emmerling (Herstellung von Nährzwieback und Nudelteigwaren), W.R.Clingestein (Essig- u. Spritfabrik) und Fröhlich & Co. (Konservierung von Gemüse und Herstellung von Essigessenz) oder die Brauerei Oettler als größte und modernste Brauerei, die auch der Konkurrenz der Köstritzer Schwarzbierbrauerei und der Riebeck-Brauerei aus Leipzig standhielt, prägen die Zeiten. Oehler und Oehmig & Weidlich produzieren Süßwaren- und Schokolade und werden nach 1952 in VEB Zetti überführt.  Der VEB Zitza, vormals  Oehmig&Weidlich und Thieme, wird mit seinen Haartönungsprodukten im Ostblock bekannt. Farben und Lacke werden von Hugo Lenssen Firma produziert. „Dessen Erzeugnisse fanden unter anderem als Anstriche der deutschen Luftschiffe Verwendung, aus diesem Grunde gab es mehrfach Zwischenlandungen eines Graf-Zeppelin-Luftschiffes auf dem Feld an der Wilhelmshöhe. Das wahrscheinlich älteste Unternehmen in Zeitz ist die Stoff- und Kattundruckerei Scheube & Brehme, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familien war und bis 1972 privat und nach der Verstaatlichung durch die DDR als VEB Wäscheunion bis 1990 produzierte.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete die Stadt bis zur Wende 1989 einen industriellen Mittelpunkt ihn Mitteldeutschland. „Am 18. August 1976 verbrannte sich der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz aus Protest gegen das politische System der DDR und die Politik der evangelischen Kirche in der DDR zur Staatsführung öffentlich vor der Michaeliskirche. Sein Freitod führte zu einem Umdenken der Kirchenführung, in einem Hirtenbrief wurden danach neue kritische Standpunkte der evangelischen Kirche gegenüber der DDR-Staatsführung in allen Gemeinden verlesen. Zum Gedenken an Oskar Brüsewitz steht vor der Michaeliskirche seit 1990 eine Gedenksäule. Die Deindustrialisierung nach der Wiedervereinigung überstanden von den hier genannten Unternehmen lediglich die Zeitzer Zuckerfabrik, die von Südzucker übernommen wurde, sowie die Zeitzer Schokoladenmanufaktur Zetti (übernommen von Goldeck GmbH Leipzig) und die ZEMAG GmbH, die noch bis März 2004 produzierte. Nach jahrelangem Leerstand der Hallen übernahm die Zeitzer Guss GmbH, ein Tochterunternehmen von Silbitz Guss GmbH, die Betriebsstätte. Durch diesen Strukturwandel kam es ab 1990 zu einem massiven Beschäftigungsverlust. Die Stadt verlor mehr als ein Viertel ihrer Einwohner. Die Sozialstruktur ist in Zeitz immer noch von hoher Arbeitslosigkeit geprägt.“ (Quelle: Wikipedia)