Die ersten Sandsteinblöcke aus einem neuen Steinbruch am "Bock" verließen dieser Tage das Unstruttal. Damit wird erstmals seit Jahrzehnten wieder Sandstein aus dem Raum Nebra verbaut. Das Material soll nach Auskunft des Steinbruchbetreibers auf dem halleschen Stadtgottesacker verwendet werden. Doch auch bei der Restaurierung der Nationalgalerie in Berlin werde nach dem Nebraer Buntsandstein gerufen, und am Potsdamer Schloß Sanssouci ist der Baustoff gleichfalls gefragt, verlautet aus der Weimarer Firma Hentzschel & Kühne, die den Abbau des traditionsreichen Materials, das einst an Reichstag und Brandenburger Tor verbaut wurde, wieder aufnahm.
So kommt die Stadt im Unstruttal mit ihrem Sandstein womöglich bald in der Hauptstadt und anderswo zu neuen Ehren. Fatal ist nur: Die Stadt weiß offiziell gar nichts davon. Von besagtem Steinbruch in Nebras Fluren, so Bürgermeisterin Sabine Reich, hätten ihr zunächst Kinder berichtet. Wenig später habe man sie von Sprengungen in Kenntnis gesetzt. "Die Stadt ist in keiner Weise in das bergrechtliche Verfahren einbezogen worden", erklärt Sabine Reich auf eine Nachfrage der MZ. Träger dieses Verfahrens ist das Bergamt Halle. Im Wirtschaftsministerium in Magdeburg bestätigte die zuständige Fachabteilung: Es hat keine Einbeziehung der Stadt Nebra gegeben. Es stehe nicht fest, zu welcher Kommune bzw. welchem Landkreis das Gelände gehöre, hieß es erklärend, und es müsse noch "ein Abgleich des markscheiderischen Aufmaßes und der Katasterunterlagen erfolgen". Auf gut deutsch: Nach der Karte des Bergamtes gehörte der Steinbruch zur Gemarkung Vitzenburg und damit zum Landkreis Merseburg/Querfurt, nach der des Katasteramtes zu Nebra und damit zum Burgenlandkreis. Vitzenburg immerhin ist im Gegensatz zu Nebra einbezogen worden.
Nebras Bürgermeisterin geht davon aus, daß die Karte des Katasteramtes die richtige ist. Zudem ersuchte man die Stadt 1992, als es um den Verkauf der Fläche ging, auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten. Beim Landkreis Merseburg/Querfurt, den das Bergamt zu Beginn des Verfahrens einbezogen hatte, hieß es, das Verfahren sei mit dem Burgenlandkreis weitergeführt worden.
Mittlerweile haben die Sprengungen im neuen Steinbruch auch die Kleingärtner des Vereins "Unstrutblick" aufgeschreckt. "Dort, wo vor kurzem noch nicht einmal Reiten erlaubt war, zu Pferde die Wanderwege zu benutzen, sind Sprengungen zu hören, und Schwerlasttransporter schänden die Natur", schlagen die Gartenfreunde in einem Brief an Umweltministerin Heidecke Alarm. Warum, so fragen sie, wurde die Öffentlichkeit bei diesem Verfahren ausgeschlossen. Sie argwöhnen, daß heimlich vollendete Tatsachen geschaffen werden sollten.
Betreiber Hentzschel regen solche Diskussionen nicht mehr sonderlich auf. "Das muß das Land klären", sagt er. Er ist froh, die Schwierigkeiten des Behördenweges hinter sich zu haben. Der Steinbruch nämlich liegt im Landschaftsschutzgebiet. Als Hentzschel 1994 beim Burgenlandkreis für seinen Steinbruch eine Befreiung von den Einschränkungen beantragte, wurde die verweigert, seinem Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium nicht stattgegeben. Daß die untere Umweltbehörde im Oktober vorigen Jahres die Befreiung schließlich doch erteilen mußte, hat Hentzschel sich vorm Verwaltungsgericht erstritten. Das erkannte darauf, ein Abbau liege im Interesse des Gemeinwohls, und würdigte dabei wohl auch die denkmalpflegerische Bedeutung des Sandsteins. Die Einwände aus Sicht des Naturschutzes kommentiert Hentzschel zugespitzt: "Die müssen wissen, ob sie Arbeitsplätze oder unberührte Natur haben wollen."
Die Abbaugenehmigung, die bis zum Jahre 2010 gilt, ist nach Auskunft von Michael Krawetzke, Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde des Burgenlandkreises, mit einer Reihe von Auflagen verbunden. So ist die Fläche begrenzt, zur Hangkante sind 100 Meter Abstand zu halten, und der Abtransport darf nur außerhalb der Brutzeit erfolgen.
Stefan Pflaum von der Schubert & Partner GmbH, einer im Kreis Bamberg ansässigen Firma, die als Subunternehmen den Abbau vornimmt, sieht für die Natur kein unmittelbares Risiko. Da nicht an den Steilhängen zur Unstrut hin abgebaut werde, bleibe der landschaftliche Charakter erhalten, äußerte er gegenüber der Presse und führt weiter aus: Innerhalb von 10 bis 12 Wochen wolle man im ersten Bauabschnitt etwa 2 500 Kubikmeter Sandstein gewinnen. In den nächsten 12 bis 16 Monaten werden die Rohblöcke weiterverarbeitet. Der Abbau soll in dieser Zeit ruhen. Ein bis zwei Sattelzüge pro Woche sollen die Blöcke über Vitzenburg abtransportieren.
Ganz aus dem Schneider ist Steinbruchbetreiber Hentzschel trotz erteilter Genehmigung wohl nicht. Wenn sich der Steinbruch tatsächlich in der Gemarkung Nebra befinde, sei eine Nachbeteiligung der Kommune möglich, äußerte Holger Totzek von der Pressestelle des Wirtschaftsministeriums. Dann könnten unter Umständen zusätzliche Auflagen ausgesprochen werden.
Nachtrag: Knappe zwei Jahre dauerten nur die spärlichen Abbauarbeiten, die keine neuen Arbeitsplätze schufen. Die schweren Baumaschinen rissen tiefe Spuren in die Ziegelrodaer Wege und nur die Anwohner schienen vom Lärm gestört. Der landschaftliche Charakter wurde selbstverständlich entgegen den Aussagen Pflaums erheblich gestört, denn seit jenen Jahren klafft ein tiefes Loch im Feld, welches sich die Natur wieder allein zurückholt. Abseits der bekannten Touristenwege liegt der verlassene Bruch auch abseits aller Notwendigkeit, die Verantwortlichen für die Naturschändung zur Verantwortung zu ziehen.
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