GOETHESTADT BAD LAUCHSTÄDT

"Närrisches Volk im Theater
Gestern Abend habe ich die neunte Vorstellung überstanden. 1500 Reichstaler sind eingenommen und jedermann ist mit dem Hause zufrieden. Man sitzt, sieht und hört gut und findet für sein Geld immer noch einen Platz. Mit fünf- bis sechstehalbhundert Menschen kann sich niemand über Unbequemlichkeit beschweren.
Es kommt darauf an, daß eine geschickte Wahl der Stücke, bezüglich auf die Tage, getroffen werde, so kann man auch für die Zukunft gute Einnahmen hoffen. Überhaupt ist es mir nicht bange, das Geld, was in der Gegend zu solchem Genuß bestimmt sein kann, ja etwas mehr, in die Kasse zu ziehen. Die Studenten sind ein närrisches Volk, dem man nicht Feind sein kann und das sich mit einigem Geschick recht gut lenken läßt. Die ersten Tage waren musterhaft ruhig, nachher fanden sich einige sehr verzeihliche Unarten ein, die aber, worauf ich hauptsächlich achtgebe, sich nicht wie ein Schneeball fortwälzen, sondern nur momentan und, wenn man billig sein will, durch äußere Umstände gewissermaßen provoziert waren. Der gebildete Teil, der mir alles zu Liebe tun möchte, entschuldigt sich deshalb mit einer gewissen Ängstlichkeit, und ich suche die Sache, sowohl in Worten als in der Tat, im ganzen läßlich zu nehmen, da mir doch überhaupt von dieser Seite nur um ein Experiment zu tun sein kann.
Auch ein eigenes Experiment mache ich auf unsere Gesellschaft selbst, indem ich mich unter so vielen Fremden auch als ein Fremder in das Schauspielhaus setze. Mich dünkt, ich habe das Ganze sowohl als das Einzelne mit seinen Vorzügen und Mängeln noch nicht so lebhaft angeschaut.“ (Aus: Johann Wolfgang Goethe, Briefe, herausgegeben von H.Holtzhausen, Berlin und Weimar, 1970)

Sächsisches Pyrmont und Goethe im Bad

„Von 1802 bis 1806 war Lauchstädt, das Bad der guten Gesellschaft, um eine Attraktion reicher: Goethe betätigte sich als Theaterdirektor. Sein Publikum waren Badegäste und Hallenser, vor allem Studenten. Oft mußte er von seinem Platz im Rang für Ordnung sorgen. Wenn während einer Vorstellung , wie Christiane Goethe sich ausdrückte, „gespeckdackelt, gelacht und gedrommelt“ wurde, pflegte er laut zu rufen: „Man vergesse nicht, wo man ist!“ oder „Man lache nicht!“ (Aus: Literarische Streifzüge durch die Landschaft zwischen Elbe und Harz, Husum Verlag, 1987)
Goethe schrieb den obigen Brief an seinen Freund Friedrich Schiller am 5.Juli 1802

Geschichtlicher Abriss

Erste schriftliche Erwähnung im Hersfelder Zehntverzeichnis zwischen 881 und 899 als zehntpflichtiger Ort Lochstat im Friesenfeld

Ab 1341 Lehen der Herzöge von Braunschweig und 1370 an die Bischöfe von Merseburg, die dem Ort 1430 das Stadtrecht verleihen

Im 16. Jahrhundert wird die ehemalige Burg zu einem Renaissance-Schloss ausgebaut

1657 wird Merseburg Sitz einer Seitenlinie der kursächsischen Albertiner, das Lauchstädter Schloss dient 1684 bis 1738 den Herzögen von Sachsen-Merseburg als Wohnsitz

Große Feuersbrunst am 14. Februar 1701 welche 34 Häuser, darunter Pfarre und Schule, einäschert. Bereits im Vorjahr waren bei Bränden 27 Häuser in Lauchstädt vernichtet worden

Entdeckung der Heilquelle durch den Halleschen Professor der Medizin Friedrich Hoffmann um 1700. Nach Fassung der Quelle im Jahr 1710 entwickelte sich die Stadt zu einem Modebad, dem sogenannten „Sächsischen Pyrmont“. Aus dieser Zeit entstammt das Lauchstädter Heilbrunnen Wasser. Später kümmert sich Herzogin Erdmuth Dorothea um die Einrichtung eines Bades und den Ausbau der Kuranlagen.

Mit dem Aussterben der herzoglichen Linie Sachsen-Merseburg 1738, fällt das Erbe zurück an Kursachsen. Lauchstädt wird in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bevorzugter Badeort des Dresdner Hofes und nimmt als exklusives Modebad bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung. Kursaal, Spielpavillon und ein Sommertheater (1761) werden errichtet.

Mit dem Besuch Goethes beginnt die literarische Bedeutung des Badeortes. 1802 wohnt er über vier Wochen in Lauchstädt. Das alte Theater, welches den gewachsenen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde, wird nach Goethes Entwürfen im bis heute erhaltenen Stil aufgebaut. Die Einweihung des Theaters erfolgt unter Goethes Leitung mit dem Vorspiel „Was wir bringen“ und der Aufführung von Mozarts Oper Titus. Mehrfach kommt Goethe mit seiner Frau Christiane wieder. Lauchstädt wird Treffpunkt bedeutender Zeitgenossen, Christian Fürchtegott Gellert, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Christoph Martin Wieland, Richard Wagner. Bereits 1789 hatte sich Friedrich Schiller mit Charlotte von Lengefeld in Lauchstädt verlobt.

Völkerschlacht im nahegelegenen Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813. Letztes Gastspiel der Weimarer Schauspieler 1814. Der Ort verliert seinen Reiz. 1815 fällt Merseburg und mit ihm Lauchstädt an Preußen.

Erst 1908 wird das Theater wieder genutzt, dann erneut 1968 mit der Aufführung von Goethes Iphigenie auf Tauris. Seit dem 9. Oktober 2008 trägt die Stadt den Zusatz Goethestadt.

Im Dezember 2010 wird die Produktion des "Lauchstädter Heilbrunnen" trotz zahlreicher Peditionen und Zuneigungsbekundungen eingestellt. Das Unternehmen, welches einst im Osten Deutschlands die Nummer Eins unter den deutschen Heilbrunnen war und in den besten Jahren 34 Millionen Flaschen Heil- und Schillerbrunnen abgefüllt hatte, bleibt insolvent.