DIE FÜNF UNGLEICHEN

Bündnispartner zur gegenseitigen Hilfe, verbindende Ereignisse und neue Wege
* Erstveröffentlichung: Mitteldeutsche Zeitung Februar 2006

Eng sind die Seiten beschrieben im Buch der Ungleichen, vergilbt und verbraucht die Blätter. Kurzen Episoden folgen lange und nicht enden wollende Kapitel. Seite um Seite.

Als im mitteldeutschen Raum europäische Geschichte geschrieben wird, spielen auch die Burgen und Residenzen an Rohne, Unstrut und Saale eine entscheidende Rolle. Doch Geschichte ist launisch. Der Stern der späteren Bündnispartner von Allstedt, Querfurt und Freyburg sowie die Schlösser von Weißenfels und Merseburg sinken. Sie geraten in Vergessenheit und überdauern, ja überleben doch die Jahrhunderte. Sie speichern den Wandel der Zeiten, die Belagerungen, Zerstörungen und Erneuerungen in ihren Mauern. Das Leben der Menschen wird durch den Einflussbereich der Burgen und Schlösser geprägt. Herrscher, Baumeister und Krieger bestimmen ihrerseits Aussehen und Zustand der Anlagen.

So gehört in den 1220er Jahren das ludowingische Fürstenpaar Ludwig IV. und Elisabeth zur High Society Deutschlands und rückt die thüringische Neuenburg oberhalb Freyburgs in das Zentrum europäischer Politik.

Die Herren der Burg Querfurt nehmen Einfluss auf die Politik und Kultur des mittelalterlichen Europa und Brun, der bekannteste Edelherr, besitzt entscheidenden Anteil an der Christianisierung Russlands. Auch die Merseburger Zaubersprüche gehören noch heute zu den wesentlichen Zeugnissen althochdeutscher Sprache. Allstedt, die kleine thüringische Exklave, meldet sich mit dem Reformator Thomas Müntzer und seiner Fürstenpredigt „auffm schlos“ im Sommer 1524 kurzzeitig in das Zentrum der Reformbewegung und auf die Bühne deutscher Politik zurück. In der Weißenfelser Residenz, neu errichtet auf den Grundmauern der alten Burganlage, werden im Barock neue Impulse für europäische Kultur gesetzt.

Es bleibt immer spannend. Das geschichtliche Auf und Ab beschreiten die verschiedenen Besitzer der Anlagen auf unterschiedlichen Wegen. Dazu gehören auch Verträge und Bündnisse.  Als Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die politische Eiszeit zu Ende geht, wird ein neues Bündnis notwendig. Um die neue Zeit mit ihren Unwägbarkeiten und unbekannten Problemen zu überstehen, wird im Februar 1991 das Bündnis der „Fünf Ungleichen“ besiegelt.

Das Schloss Allstedt, die Neuenburg oberhalb der Freyburger Weinberge, die Harzer Burg Falkenstein, die Wehranlage der Burg Querfurt und die Residenz Neu-Augustusburg zu Weißenfels. Mehr als Fünftausend Jahre Geschichte in einem Bündnis „zur gegenseitigen Hilfe, zur Bündelung der Kräfte und Ressourcen ... Allerorten, auch in den Museen, galt es damals, neue Wege zu gehen, sich den großen Aufgaben eines Neubeginns zu stellen, erfahrungsgemäß besser in der Gemeinschaft gleich gesinnter Verbündeter als allein“ wie es im Vorwort einer Broschüre heißt. Ein loses Band, welches die Ungleichen in ihren Unterschieden verbindet und in ihren Gemeinsamkeiten zusammenschweißt.

Allerdings scheidet in Zeiten des stetigen Wandels bereits nach einigen Jahren die Burg Falkenstein aus dem Vertrag aus. Die Gründe sind organisatorischer Natur und durch einen Eigentümerwechsel bedingt. Doch schließt das Spätrenaissance-Schloss der Pfalz- und Domstadt Merseburg schnell die entstandene Lücke.

Obwohl vieles aus der Geschichte bekannt, ist bei weitem nicht alles beschrieben. Ein weites Forschungsfeld liegt noch heute brach. „Fünf Ungleiche“ in Mitteldeutschland, dessen prächtiger und reichhaltiger Geschichte sich der Besucher nicht entziehen kann und sollte.