PARADIES AM ENDE DER WELT 2 von 8
VON AUCKLAND ZUM TONGARIO N.P.
Rotorua

Die südlich der Bay of Plenty gelegene, von verschiedensten vulkanischen Erscheinungen geprägte Landschaft um den Lake Rotorua und den Lake Tarawera ist das älteste und am stärksten von Torusiten frequentierte Gebiet Neuseelands. An vielen Stellensteigt heißer Dampf aus Erdspalten, schießen Geysire hoch in den Himmel, brodeln Schlammlöcher und schillern Ablagerungen in allen Farben auf dem heißen Untergrund. Über allem schwebt ein starker Geruch nach Schwefel. Die ersten weißen Besucher kamen voll Neugier im 19.Jahrhundert in die unheimlich wirkende Gegend. Da hatten sich die Maori bereits mit ihrem Lebensraum arangiert. Sie badeten im Thermalwasser, setzten es für Heizzwecke und zum Kochen ein.

Skyline von Auckland

Der "City of Sails" begegnet man am besten am Hafen, wo unzählige Segelboote vor Anker liegen. Die Stadt liegt weit ausgebreitet auf zahlreichen erloschen Vulkankegeln. Seit 1891 hat sich die einstige nach Rudyard Kipling als "last, loneliest, loveliest, exquisite, apart" bezeichnete Stadt immer weiter nach Süden und Norden ausgebreitet.

Aotera, Land der langen weißen Wolke, Neuseeland. Die Inseln am Rand der Welt liegen etwa 25 Flugstunden von Deutschland entfernt. Von Auckland nach Berlin sind es 17.748km, zur antarktischen Scott Base lediglich 4.570km. Auf einer Fläche von 270.500km² leben insgesamt vier Millionen Kiwis. Doch sind hier nicht die stacheligen Burschen gemeint, die der große Exportschlager sind und wegen ihrer Vitamine C und E gern verspeist werden oder der scheue Laufvogel, der so groß ist wie ein deutsches Haushuhn.

Kiwis nennen sich die Neuseeländer selber. Ein wenig eigentümlich wie mir noch heute scheint. Doch der eigentümliche Stolz, sich nach einem scheuen Vogel zu benennen, der noch nicht mal fliegen kann, machte mir die mitunter skurrilen und vielfach beschriebenen Einwohner vom ersten Augenblick an sympathisch. Ich bin neugierig auf das Land auf der anderen Seite der Welt. Doch möchte ich gleich hier betonen, dass es nicht die „Herr-der-Ringe“ Trilogie ist, die mich in die südliche Hemisphäre lockt. Vier Wochen unterwegs im Land der Hobbits. Doch bevor ich in Auckland lande, liegen drei Tage Reise vor mir. Die ersten Europäer, die nach den neuen Inseln übersiedelten, waren Monate mit dem Schiff unterwegs. Nun, im Vergleich dazu ist man im Jahr 2004 schon da, bevor man eigentlich gestartet ist.

Den klassischen Reiseschock erlebe ich gleich bei den Kontrollen am Frankfurter Flughafen. Hier darf ich barfuss und ohne Gürtel durch den Metalldetektor schlurfen. Drei mal. Um schon mal vorzugreifen: in Asien gibt es wenigstens Badelatschen, so dass man nicht genötigt wird, mit den eigenen Strümpfen den Flughafenboden zu wischen. Mein Flug geht über Seoul und Sydney. Eine angenehme Reise über die weiten sibirischen Wälder und die Wüste Gobi. Als ich in Auckland lande, bin ich 11 Stunden in die Zukunft gereist. Mein erster Kontakt mit den Kiwis besteht erst einmal darin, meine Schuhe desinfizieren zu lassen. Noch tagelang sollen sie nach dem Desinfektionsmittel riechen.

Auckland ist Neuseelands größte Metropole. Die „City of Sails“ empfängt mich mit offenen Armen, frühlingshaften Temperaturen und einem herzlichen Sonnenschein. Da auf der anderen Seite der Erde alles ein wenig „andersrum“ ist, ist im Oktober auch der Frühling auf dem Vormarsch. Ich stürze mich ins Getümmel. Von der Princess Wharf, wo bereits die ersten Familien Segel- und Angeltouren buchen, laufe ich die Queen Street zum Aotea Square. Die Queen Street ist die Hauptschlagader der Stadt und wird gesäumt von zahlreichen neuen Bürotürmen. Dazwischen ducken sich immer wieder steinerne Überbleibsel aus der Kolonialzeit oder Jugendstil-Häuser. Vom 328m hohen Skytower, der erst 1997 eröffnet wurde, habe ich einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Vor mir liegt der Hafen mit seinen Hunderten von Segelschiffen. In der Mt.Eden Domain verabrede ich mich mit Antje. Die Magdeburgerin war vor fünf Jahren nach Auckland gekommen, studierte an der Universität und lernte hier ihren Mann kennen. Auch wenn die Einreisebestimmungen in den letzten Jahren rasant verschärft wurden, hat die junge Deutsche ihre zweite Heimat am südlichen Rand der Welt gefunden. Überaus herzlich werde ich empfangen. Ein wunderschöner Abend, wie ich noch heute finde und ein guter Start für meine „Eroberung von Mittelerde“. Wenn wir uns wiedertreffen sollten, revanchiere ich mich auf jeden Fall.

Eine Autostunde westlich von Auckland liegt der Karekare Strand. Der windige Küstenstreifen ist nicht nur bei Surfern beliebt, sondern auch bei Anglern und diente auch dem Streifen „Das Piano“ als Filmkulisse. Mir bläst derweil ein frischer Nordwest den feinen schwarzen Sand in Nase und Ohren bevor ich auf dem Highway 1 Auckland hinter mir lasse. Den 37. südlichen Breitengrad überquere ich bei Tairua auf der Coromandel Halbinsel und muss schmunzeln bei dem Gedanken an die „Kinder des Kapitän Grant“ von Jules Vernes. Die Halbinsel in der Region Waikato ist ein beliebtes Wandergebiet und steht bei Tauchern und Seglern hoch im Kurs. Wind, Wetter und Wellen zersausen seit Jahrhunderten die Küste und auch mich dermaßen, dass ich in Whenuakite schnellstens wieder kehrt mache.

Neuseelands Landschaftsbild ist einmalig und reichhaltig. Natur im Über-fluss. Vulkane, Geysire und Thermalquellen bestimmen in erster Linie das landschaftliche Erscheinungsbild der Nordinsel. Der momentan 2797 hohe Vulkan Ruapehu ist noch heute aktiv. Die besondere Lage im Grenzbereich der Indisch-Australischen Platte und der Pazifischen Platte prägen die Inseln bis zum heutigen Tag. Erdbeben treten ständig auf, wobei mindestens eines davon jedes Jahr die Stärke 6 auf der Richter-Skala erreicht. Die Coromandel Halbinsel reckt ihren gebirgigen und zerklüfteten Zeigefinger in den Pazifischen Ozean, während das Northland Pazifik und Tasmanische See mit seiner subtropischen Hügellandschaft voneinander trennt. Auf der Südinsel strecken die Südalpen ihren langen Rücken gegen die stürmische See. Eine außergewöhnliche und faszinierende Wetterscheide, wie ich erfahren sollte. Der Reiz der Hochgebirgslandschaft, deren König der 3754m hohe Aoraki/ Mt.Cook ist, wird noch durch die zahlreichen Gletscher verstärkt. Dichte Regenwälder ducken sich in den unerschöpflichen Fjorden und laden zu ausgedehnten Treckingtouren ein. Spiegelklare Bäche und Flüsse, blaue Seen und Sandstrände. Die Südinsel unterscheidet sich von ihrer nördlichen Schwester und ist Droge Natur in Reinformat.

In Tauranga an der Bay of Plenty biege ich nach Süden ab, lasse Matamata im „Auenland“ hinter mir und folge dem Highway 5 nach Rotorua. Angenehm und hügelig ist die Gegend, obwohl es den ganzen Tag regnet. Durch den heutigen Kurort am See Rotorua zieht ein eigener Schwefelgeruch. Überall blubbern Schlammtöpfe. Schwefeldämpfe, im Fachjargon Solfataren, wehen in dichten Nebelschwaden durch den Ort. Das Maori Dorf Whakarewara liegt zusammengepresst zwischen heißen Quellen und mächtigen Geysiren. Einfach herrlich, zumal es inzwischen auch die Sonne gut mit mir meint. So akzeptiere ich auch mittlerweile den Geruch der faulen Eier. Schwefel soll ja, wohl dosiert, gesund sein, glaube ich mich dunkel zu erinnern. Das gleiche faszinierende Farbenspiel erlebe ich im „Thermal Wonderland“ im Waimangu-Tal auf engstem Raum. Das „Heim des Teufels“ stellt einige Meter neben den „Brautschleierfällen“ seinen gelben Schwefelanstrich zur Schau. Arsensulfide färben das „Bad des Teufels“ grünlich und rotes Eisenoxid lagert sich am Rand eines Sees ab.

Der Lake Taupo ist mit 600km² der größte Binnensee Neuseelands und bedeckt mit seinen Wassermassen mehrere Vulkankrater. Den 1887 gegründeten Tongariro Nationalpark erreiche ich über den Highway 47 und biege nach links auf die Mangatepopo Road ab. Vor mir erheben sich die Gipfel des Mt.Tongariro und des Mt.Ngauruhoe. Schnee liegt auf den Vulkangipfeln. Meine kleine Treckingtour führt mich an mächtigen Lawinenfeldern vorbei und über längst erkaltete Lava hinweg. Als ich an den Soda Springs wieder umkehre, kommt mir eine Gruppe junger Mädchen entgegen, die gut ausgerüstet, über den Gipfel auf die andere Seite wollen. Ein Ritt auf dem Vulkan. Mir fröstelt es trotzdem, als ich erkenne, dass die Mädchen im Schnee zelten wollen.

Da nutzt es mir auch wenig, als ich mir vorstelle, dass rechterhand der Schicksalsberg in den grauen Himmel ragt; Elben und Menschen gemeinsam gegen Sauron kämpften. Das alles sehende Auge ist nicht zu sehen und verschwitzt bin ich lediglich von meiner Tour. Bevor ich mich nun ins Land Lothlórien aufmache, schwenke ich in Richtung „vergessene Welt“.

Sigtseeing Auckland

Von der Princess Wharf im Norden zum südlich gelegenen Sky Tower Richtung Osten zum Albert Park durch das Universitätsgelände zum Mount Eden.

Maori

Das Wort bedeutet soviel wie "üblich", "gewöhnlich" und wurde von frühen weißen Siedlern zur Abgrenzung der Eingeborenen verwendet.

Tongariro National Park

Der 1887 gegründete Nationalpark breitet sich im Herzen der Nordinsel aus. Das Zentrum bilden die drei Vulkane Tongariro (1968m), Ngauruhoe (2291m) und Ruapehu (2797m).