ISTANBUL
TOPKAPI SARAYI, HAGIA SOFIA UND TEE AM GOLDENEN HORN
Goldenes Horn

"Die Steine und der Boden Istanbuls sind aus Gold" sagt ein türkisches Sprichwort. Die Europäische Kulturhauptstadt 2010 liegt seit Jahrunderten malerisch am Bosporus. Auch wenn der Eintritt in die Europäische Union seit Jahren für politische Spannungen sorgt und immer noch das erklärte Ziel der türkischen Regierung ist, so setzen die Erben des Osmanischen Reiches in den letzten Jahren immer mehr auf ihren historischen Platz zwischen Europa und Asien.

Das Goldene Horn ist ein etwa sieben Kilometer langes versunkenes Nebental des Bosporus, dessen Hafeneinfahrt im Mittelalter durch eine Kett für Schiffe gesperrt werden konnte.

Presselandschaft

Die Presselandschaft ist heute weit gefächert. Unter den nationalen Printmedien ist die "Heimatland" (türkisch Vatan) der Name verschiedener Tageszeitungen, deren erste Ausgabe im März 1923 erschienen ist.

"Man sagt, Kopenhagen, Dresden, Neapel und Constantinopel seien die vier schönsten Städte Europa's; ich habe keine Veranlassung, dieser Behauptung entgegenzutreten. Aber in Beziehung auf Constantinopel muß ich doch erwähnen, daß man diese Stadt nur dann schön zu finden vermag, wenn man sie nur von außen, vom goldenen Horn aus, betrachtet; sobald man dagegen ihr Inneres betritt, wird die Enttäuschung nicht ausbleiben. Ich erinnere mich dabei jenes englischen Lords, von welchem man erzählt, daß er zwar mit seiner Dampfjacht Constantinopel besucht, aber dabei nicht sein Fahrzeug verlassen habe. Er fuhr von Rodosto am Nordufer des Marmarameeres hin bis Stambul, lenkte in das goldene Horn ein, in welchem er bis hinauf nach Eyub und Sudludje dampfte, kehrte zurück und ging im Bosporus bis an dessen Mündung in das schwarze Meer und fuhr dann wieder zurück, in dem Bewußtsein, sich den Totaleindruck Constantinopel's nicht durch Eingehen auf die garstigen Einzelheiten verdorben zu haben. Betritt man hingegen die Stadt, so kommt man in enge, krumme, winkelige Gäßchen und Gassen, welche unmöglich Straßen zu nennen sind. Pflaster gibt es nur selten. Die Häuser sind meist aus Holz gebaut und kehren der Gasse eine öde, fensterlose Fronte zu. Bei jedem Schritte stößt man auf einen der häßlichen, struppigen Hunde, welche hier die Wohlfahrtspolizei zu versehen haben, und wegen der Enge der Passage muß man jeden Augenblick gewärtig sein, von Lastträgern, Pferden, Eseln und anderen thierischen oder menschlichen Passanten in den Koth gerannt zu werden.“ schrieb Karl May in „Von Bagdad nach Stambul“ 1913 über die Stadt am Goldenen Horn.

Fast einhundert Jahre später war nicht mehr viel übrig vom „kranken Mann am Bosporus“. Das Osmanische Reich hatte in den 1920er Jahren aufgehört zu existieren und war dank seines türkischen Übervaters Mustafa Kemal Atatürk in der Moderne angekommen und genesen. Mit atemberaubender Geschwindigkeit hat sich die Türkei in den letzten zwanzig Jahren zu einem boomenden Reiseland entwickelt. Als Land zweier Kontinente und an der Meerenge zwischen Europa und Asien kommt der Türkei eine Sonderstellung zwischen Orient und Okzident zu. Politisch orientiert sich das Land an Europa; wie schon immer in seiner langen und wechselhaften Historie.

Konstantinopel, das über hunderte Jahre als zweites Rom galt, byzantinische Hauptstadt war und später Sitz der osmanischen Sultane, verlor 1923 seinen Status als Regierungssitz und tauschte ab 1930 seinen Namen in Istanbul. Heute steht die Stadt mit ihren nahezu 14 Millionen Menschen für pulsierende und kontrastreiche Moderne und wurde 2010 zur Kulturhauptstadt Europas gewählt. Doch bei dem jährlich dreiprozentigen Bevölkerungszuwachs, in erster Linie der extremen Landflucht geschuldet, platzt die Stadt aus allen Nähten. Die städtebauliche Entwicklung kann mit der Bevölkerungsexplosion nicht mehr mithalten und die meisten Neuankömmlinge leben in den ausgedehnten Gecekondu-Vierteln, die über Nacht errichtet wurden und in der Regel nicht abgerissen werden dürfen, der Außenbezirke. So wachsen nicht nur moderne Bürogebäude neben schmalen Wohnblöcken sondern auch Wasserknappheit, massive Luft- und Gewässerverschmutzungen und die Strassen erleben täglich einen Verkehrsinfarkt.

Hagia Sophia, Blaue Moschee und Topkapi. Die türkischen Klassiker dürfen trotz aller Probleme bei einem ersten Besuch ebenso wenig fehlen wie der arabische Basar, handgebrühter Kaffee und türkischer Honig in verschiedensten Variationen. Ich wählte mir die Silvestertage aus, um Istanbul und dem Goldenen Horn einen Besuch abzustatten. Unser Hotel lag in der Nähe des Taksim Platzes, der nach den schweren Anschlägen 2003 über die türkischen Grenzen hinaus bekannt wurde. Meine erste Stadtvisite führte mich entlang der alten Strassenbahngleise über die Istiklal Einkaufsmeile zum Galataturm. Hinter den Schaufenstern lag das moderne Jahrtausend, europäische Mode und amerikanische Technik. Frauen und Männer waren modisch gekleidet; modischer als in manchen deutschen Stadtvierteln und verliehen Istanbul zu Recht den Ruf einer Metropole. Strassenhändler boten im winterlichen Nieselregen heiße Kastanien und Getränke an, andere ihre Schuhputzdienste oder Nippes. Die engen und quirligen Gassen Karl Mays entdeckten wir rechts und links; dort, wo sich enge Werkstätten mit noch engeren Verkaufsläden abwechselten und sich nur wenige Touristen verirrten. Auf der Galatabrücke standen Dutzende Angler aneinandergereiht und zogen ständig Fische aus dem trüben Bosporus. Von hier bot sich der spannendste Einblick in das Treiben am östlichen Ende Europas. Fähren legten vom Halic und Karaköy und Eminönü und Kasimpasa Pier ab und wieder an, wechselten die Ufer und zwischen den Kontinenten hin und her. So quirlig wie es in den engen Gassen der Altstadt zuging, so sehr potenzierte sich der Schiffsverkehr zwischen Marmara und Schwarzem Meer.

Als am 28.Dezember bei einem Luftangriff der türkischen Armee auf ein kurdisches Dorf im Grenzgebiet zum Irak mindestens 35 Menschen starben, war von einem „Versehen“ die Rede und in Istanbul protestierten zahlreiche Demonstrationen gegen die Regierung Erdogan. Später stellte sich heraus, dass es sich um schmuggelnde Zivilisten handelte, deren Geschäfte seit Generationen Tradition in der Region sind. Die türkische Regierung und kurdische PKK lieferten sich immer noch heftige Auseinandersetzungen. Erst im November 2011 kam es in Istanbul auf dem Gelände des Topkapi-Palastes zu einem Vorfall, bei dem laut Polizei ein Einzeltäter um sich schoss und zwei Menschen verletzte. Auch wenn mein Aufenthalt in Istanbul friedlich verlief, so wurden wir doch auf die aktuelle Terrorismusgefahr im Land hingewiesen.

Doch nicht nur politische und militärische Unruhen sind im NATO-Bündnispartner allgegenwärtig. Erdbeben gehören in der Türkei nahezu an die Tagesordnung, liegt doch das Land im Grenzbereich kontinentaler Platten. Doch seit einigen Jahren warnen Wissenschaftler vor einem Megabeben in naher Zukunft. Auch wenn Experten den ungefähren Ort, im Falle Istanbuls wenige Dutzend Kilometer vor der Stadt berechnen konnten; der genaue Zeitpunkt ist nicht bestimmbar. Die einzige Chance auf einen gewissen Schutz könnte ein Frühwarnsystem des Potsdamer Geoforschungszentrums bieten. 30 Sekunden blieben der Stadt, um Gas- und Stromleitungen zum Schutz vor Bränden zu trennen, Feuerwehr und Rettungsdienste zu alarmieren und Züge zu stoppen. 30 Sekunden, die am 17.August 1999 nicht vorhanden waren. Das stärkste Erdbeben des letzten Jahrhunderts verwandelte innerhalb von 45 Sekunden die dichtbesiedelte Region um Izmit, 90 Kilometer südöstlich von Istanbul, in ein Trümmerfeld und forderte über 17.000 Menschenleben. Von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt waren auch etliche Deutsche unter den Opfern, von denen einer mein Freund war. Als ich im Vierten Hof des Topkapi stand und über den rastlosen Bosporus hinüber nach Asien sah, erinnerte ich mich an das Unglück einieg Jahre zuvor. Thomas war Anfang Dreißig, Vater einer kleinen Tochter und sollte die Baustelle, auf die ihn sein Arbeitgeber einige Monate zuvor geschickt hatte, am nächsten Tag verlassen. Doch das Schicksal meinte es anders mit ihm.

Der Topkapi-Palast indessen, der auf dem Hügel der einstigen Akropolis von Byzanz bereits im 15.Jahrhundert angelegt wurde, war bis zur Übersiedlung durch Abdul Mecid 1855 in den Dolmabahce-Palast Wohnstätte der Sultane und Schaltzentrale des Osmanischen Reiches. Der Harem wurde durch Lady Montagu zum Inbegriff grenzenloser Lust und Ausschweifung; deren Bewohnerinnen jedoch in klaren Hierarchien lebten und den Alltag nicht selten mit Intrigen und Morden bestritten. Erst 1909 wurde der Harem aufgelöst. Ein cineastisches Denkmal setzten Maximilian Schell und Peter Ustinov der berühmten Anlage im gleichnamigen Film 1964. Im Topkapi werden heute die Reichsreliquien in der „Kammer für den Mantel der Glückseligkeit“ aufbewahrt. Neben ihrer persönlichen Verantwortung für die Reliquien waren die osmanischen Sultane „Hüter der Heiligen Stätten“ Mekka  und Medina. Auch wenn ihre Echtheit nicht gesichert ist, so sind doch die Barthaare und der Mantel des Propheten, Schwert, Pfeil und Bogen wie verschiedene Fußspuren vielbesuchte und historische Exponate.

Ich nahm an der obligatorischen türkischen Teppichverkaufsveranstaltung teil, ohne mir einen Teppich zu kaufen; war vom Modern Museum bis auf einige Ausstellungsstücke herb enttäuscht und genoss lieber einen schmackhaften Kaffee im Künstlerviertel Ortaköy mit weitläufigem Blick auf die Bogazici Brücke, die das europäische Istanbul mit seinen asiatischen Stadtteilen verbindet.

Während die Hagia Sofia ihre runden Köpfe ebenso wie die der nahegelegenen Blaue Moschee in den grauen Dezemberhimmel streckte, ließ ich mich im Hodjapasha Kulturzentrum zum Jahresausklang auf das Abenteuer der tanzenden Derwische ein, die unter Atatürk verboten wurden, seit einigen Jahren eine Renaissance erleben und von Karl May hundert Jahre zuvor beschrieben wurden.

„Es zogen durch die Hauptthüre gegen dreißig Derwische ein; voraus ging ihr Vorsteher. Dieser war ein alter, graubärtiger Mann und trug einen langen, schwarzen Mantel; die Anderen waren in braune Kutten gekleidet, Alle aber hatten die hohe, konische Filzmütze auf dem Kopfe. Sie schritten langsam und in würdevoller Haltung dreimal im Saale herum und dann hockten sie sich nieder: der Anführer dem Eingange gegenüber, und die Übrigen rechts und links von ihm in zwei Halbkreisen. Nun begann eine Musik, deren Disharmonie mir die Ohren zerreißen wollte, und dazu ertönte ein Gesang, welcher, nach dem Worte eines deutschen Dichters, ›Steine erweichen und Menschen rasend machen konnte‹. Nach diesen Klängen machten die Derwische allerlei Verbeugungen und sonderbare Bewegungen theils gegen sich, theils gegen ihren Vorsteher. Sie wiegten sich mit untergeschlagenen Beinen von rechts nach links, von hinten nach vorn, schraubten den Oberkörper im Kreise auf den Hüften, verdrehten die Köpfe, schwenkten die Arme, rangen die Hände, klatschten sie zusammen, warfen sich platt auf den Boden und schlugen auf denselben mit ihren tutenförmigen Filzmützen, daß man es klatschen hörte. … Die Derwische sprangen auf, warfen ihre braunen Kutten ab und erschienen nun auf einmal in weißen Gewändern. Sie verbeugten sich in verschiedenen Tempi und verschiedener Tiefe von Neuem gegen den Vorsteher und gegen einander und begannen nun den Tanz, von welchem sie den Namen der ›Tanzenden‹ erhalten haben. Es war eigentlich nicht ein Tanz, sondern nur ein Drehen zu nennen. Jeder blieb an dem Orte stehen, an welchem er sich befand, und drehte sich in langsamem Tempo um seine eigene Achse, und zwar immer nur auf einem Fuße stehend. Dabei hatten sie bisweilen die Arme auf die Brust gekreuzt und zuweilen streckten sie die Hände weit von sich ab, bald nach vorn und bald nach rechts und links. Die Musik ging in einen immer schnelleren Rhythmus über, und somit ward die Kreiselbewegung der Derwische eine immer schnellere; endlich war sie so schnell, daß ich die Augen schloß, um nicht vom bloßen Zuschauen drehend zu werden.“

Hagia Sophia

Das ehemals christliche Gotteshaus war fast 1.000 Jahre lang das geistliche Zentrum des Byzantinischen Reiches, bevor es die Osmanen nach der Einnahme der Stadt 1453 zur Hauptmoschee umwandelten.

Angler am Bosporus

Tag und Nacht versuchen Türken ihr Anglerglück auf der Galatabrücke.

Strassenhändler

Geröstete Kastanien, Maiskolben oder Fladenbrot. Zahllose Strassenhändler bieten ihre Köstlichkeiten gegen den kleinen Hunger oder zum Naschen an.

Yerebatan Sarnici

Die Basilikazisterne neben der Hagia Sophia gehört zu den imposantesten Bauwerken Istanbuls.

Blaue Moschee

Der zu den besten Schöpfungen türkischer Architektur gehörende Bau wurde von Sultan Ahmed I. 1609 in Auftrag gegeben.

Moscheen

"Die Hagia Sofia streckte ihre runden Köpfe ebenso wie die der nahegelegenen Blaue Moschee in den grauen Dezemberhimmel."