EGERTAL HEIMATFEST 2012
DAS ENDE EINER DEUTSCHEN ETHNIE

"Vergaß dei Hamit net!" hieß es im Flyer zum 5. Egertal Heimatfest 2012. Das Treffen im tschechischen Perštejn (deutsch Pürstein) sollte neben dem jährlichen Treffen der vertriebenen Sudetendeutschen als Chance genutzt werden, die jahrhundertealten Wurzeln und Traditionen an die eigenen Nachkommen weiterzugeben. Als Schlagabtausch und Brückenschlag sozusagen. Doch der zugegebenermaßen spannende Gedanke, eine Tradition aus den 1930er Jahren nach mehr als 70 Jahren wieder aufleben zu lassen fiel ernüchternd aus.

In den schwierigen, von großer Arbeitslosigkeit geprägten 1930er Jahren setzten zahlreiche Landstriche auf Fremdenverkehr und Tourismus. So bildete sich „im Rahmen des Deutschen Landesverbandes für Fremdenverkehr in Karlsbad ... unter dem Vorsitz des Herrn Anton Panhans (Klösterle) der „Egertal-Ausschuß“ ... Zur Belebung der Wirtschaft wurden dann, beginnend mit dem Jahre 1934 und der Herausgabe der Egertal-Bildkarte im Vierfarbendruck und künstlerischer Ausführung durch Oberlehrer Pretsch aus Kaaden; immer zu Pfingsten die Heimatfeste abgehalten, ferner Werbungen für die Blütezeit, für Sommeraufenthalt und vor allem für unser schönes Obst durchgeführt. Der Fremdenverkehr wurde dadurch stark belebt und die Egertal-Heimatfeste trugen das übrige dazu bei.“ war im Begleitheft 2012 zu lesen. Vier mal fanden diese Feste statt, das geplante fünfte Fest fand 1938 infolge der politischen Lage nicht mehr statt und sollte Anlass für das Remake 2012 geben. Das Programm versprach bei erstem Augenscheinvielfältige Abwechslung; Ausflüge und Wanderungen in das sächsisch-böhmische Grenzgebiet, Blasmusik aus Sachsen und interessante Gespräche. Die alten sudetendeutschen Landsleute waren von den Veranstaltern gebeten worden ihre Nachkommen mitzubringen.

Doch der Kaadener Eklat aus dem Herbst 2011 hätte bereits darauf hinweisen sollen, dass die Traditionen der Sudetendeutschen selbst nicht mehr zu retten sei. Das Treffen der Generationen war schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt. Es war bezeichnend für die zerstrittenen Ansprechpartner, dass deren eigenen Kinder und Enkel nicht mit an die Eger gekommen waren. Etwa einhundert Personen drängten sich in dem engen Gastraum der Perštejn Bauernwirtschaft, deren Betreiber Jaroslav Oršuliak, amtierender Bürgermeister von Perštejn, sich auch über die Einnahmen freuen konnte. Die Begrüßung durch Dietmar Hübler fiel spärlich aus. Der Heimatkreisbetreuer von Klösterle mochte vermutlich selbst nicht mehr an den Fortbestand der eigenen Traditionen glauben, war es ihm doch auch nicht gelungen seine Kinder mit zum Heimatfest zu bringen.

Die Darstellung des Sudetendeutschen Bundesverbandes über die eigene gute Nachwuchsarbeit sei vor diesem Hintergrund dahingestellt. „Die Stärke der Sudetendeutschen Volksgruppe war und ist die Gemeinschaft, gewachsen aus der Gemeinschaft in der Not, um zu überleben, hin zu einer Solidargemeinschaft, die für Recht und Gerechtigkeit gegenüber allen Volksgruppen und Minderheiten eintritt.“ Das Ende einer gelebten deutschen Ethnie ist sicher. Die Landschaften zwischen Nordböhmen und Südmähren, Egerland und den Beskiden, die über Jahrhunderte durch die deutschen Anwohner geprägt wurden, erhielten in den letzten 60 Jahren ihre Prägung durch Tschechen und Slowaken.

Sicher ist, dass sich die Tschechen mit der Vertreibung ihrer deutschen Nachbarn ihrer eigenen Geschichte beraubt haben. Doch inzwischen gehören die Kinder und Enkelkinder der Erlebnisgeneration, und hier ist nicht die 1990er Spaßgeneration gemeint, dorthin, wo sie aufgewachsen sind. Und so sind es eher Bayern, Friesen, Rheinländer oder Thüringer und Sachsen, die im günstigsten fall nach den wurzeln ihrer Herkunft suchen. Doch es sind nur verschwindend wenige denen etwas mehr an den Wurzeln liegt als "schöne Landschaft, schmackhafte Knödel und gutes Bier.“

Was die jüngere Geschichte mehr prägte als die langjährige Schaffung der deutschen-böhmischen Kulturlandschaft waren die Ereignisse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg und somit auch das Menetekel auf das stets nur der Fokus liegt. Besonders von deutscher Seite ist ein objektiver Blick scheinbar nicht möglich, wie ein jüngerer Bericht von Spiegel-Online ("Bund förderte Seminare von Rechtsnationalen" vom 05.11.2011)

Jetzt sind es auch die alten Kommunisten, die es als Geschichtslehrer, Polizisten und Staatsangestellte in den Jahren des "real existierenden Sozialismus" geschafft hatten, ihre eigene Herkunft zu verleugnen. Seit dem Mauerfall  wuchs plötzlich das Interesse an "Damals". Selbst kleiner Systembestandteil, halfen sie, zumindest im Osten Deutschlands mit, Vertreibung und eigene Wurzeln totzuschweigen. Auch heute stellen sich nur wenige Tschechen wie David Vondracek und einige Deutsche einer objektiven, aber wichtigen Aufarbeitung. Und nicht immer stoßen sie mit ihrer nüchternen Objektivität auf Gegenliebe unter ihren Zeitgenossen.

Zurück zum Egertaler Heimatfest. Trotz des umfangreichen Dreitageprogramms war es den Veranstaltern nicht gelungen den Brückenschlag zur sogenannten Nachkommensgeneration herzustellen. Was bedeutet den Egerländern ihre Traditionen, was zeichnete das Egertal außer der Vertreibung aus? Wie setzen sich die Tschechen mit der Geschichte auseinander? Die Fragen wurden nicht nur nicht beantwortet sondern schlichtweg nicht gestellt. Nur einige Tschechen und wenige Deutschböhmen fanden den Weg in die Gastwirtschaft. Von den teils weit Angereisten verließen viele enttäuscht über die verpasste Chance und verärgert über die organisatorisch beengten Räumlichkeiten vorzeitig die Veranstaltung. Auch wenn die Veranstalter das naturgemäß anders sahen, so waren sie auch nicht in er Lage mit objektiver Kritik am Rande der Veranstaltung umzugehen. Mit der Gründung der Nachkommengemeinschaft Mittleres Egertal ist den Verantwortlichen nur viel Glück bei dem Versuch zu wünschen, "Kinder und Enkel auch in Zukunft ... eng beisammen zu halten."

Es gab etwas laute Blasmusik und Polka durch zwei sächsische Blaskapellen, deren Mitglieder das Wochenende mit einem Familienausflug verbanden. Dietmar Hübler, der im Herbst zuvor selbst davon überzeugt war, dass "es nur eine Frage der Zeit sei, bis die letzten nicht mehr sind", sprach die wenigen Begrüßungsworte, später bemühte er verzweifelte Vergleiche und Oršuliak fand noch weniger Worte. Allein die Bundesvorsitzende des Erzgebirgsvereins Frau Dr. Gabriele Lorenz fand das Engagement der Vereinsmitglieder Alexander Lohse und Thomas Koppe, die sich um die Veranstaltungsorganisation gekümmert hatten, lobenswert. Doch die Feststellung das „ihr eine schöne Gegend hier habt“ war zwar erfreulich, aber in erster Linie ziemlich befremdlich.

Die Sudetendeutschen sterben aus. Ihre Kultur ist 1945 erzwungenermaßen stehen geblieben. Ihre Musik, Mode und Gebräuche konnten sich zwangsläufig nicht weiterentwickeln; sie können nur bewahrt werden. Bleibt den Nachfahren der Vertriebenen nur zu wünschen, dass sie sich der Wurzeln ihrer Eltern und Großeltern bewußt erinnern mögen und den Veranstaltern etwas mehr Gelassenheit bei kritischer Berichterstattung.

Klösterle a.d. Eger

1934 fand das 1.Egertal-Heimatfest statt. Etwa 25.000 Menschen zwischen Karlsbad und Komotau nahmen an den Veranstaltungen teil.

5. Egertal-Heimatfest

Die Bundesvorsitzende des sächsichen Erzgebirgsvereins Frau Dr. Gabriele Lorenz verließ das Treffen nach der Begrüßung "aus persönlichen Gründen".

Spinxfelsen und Egertal

Die im Fichtelgebirge entspringende Eger passiert bei Klösterle ihre landschaftlich schönste Stelle zwischen gleichmäßig geschwungenen Vulkanhügeln an den südlichen Ausläufern des Erzgebirges.

Schloss Klösterle

Die Landschaft an der Eger wurde im Mittelalter durch die Ansiedlung fränkischer und sächsicher Kolonisten urbar gemacht. 1621 kaufte die Familie Thun und Hohnstein das Schloss, welches 300 Jahre im deren Besitz blieb.