RAUCHSCHADFLÄCHE
UMWELTSÜNDEN UND UMWELTSCHUTZ IM ZIEGELRODAER FORST

Der Ziegelrodaer Forst bietet eine Fülle an interessanten, naturnahen wie geschichtlichen Mosaiken, die es für den Besucher nur gilt, richtig zusammenzusetzen. Während es die meisten Besucher in die futuristische, jedoch nicht in die Landschaft passen wollenden Arche Nebra zieht und bei weiterem Interesse mit dem Bus auf den nahen Mittelberg, der heute offiziellen Fundstelle, lagen Wald, Forst und Jagd bis zum Fund der Himmelsscheibe von Nebra unbeleuchtet im Scheinwerferlicht weltweiter Interesse. So auch die, heute für Besucher gänzlich zu übersehende, „Rauchschadfläche“ nördlich des Ortes Roßleben. Die durch das naheliegende Kaliwerk Roßleben verursachten Umweltschäden waren offensichtlich und beispielhaft für die industriellen Umweltsünden Deutschlands. Das Problem, nicht DDR-gebunden, war  hier seit fast einhundert Jahren an der Tagesordnung. Die Kaliindustrie war seit ihrem Bestehen mit den Problemen der Schadstoffemissionen konfrontiert. Erst in den 1960er Jahren begann eine systematische Untersuchung und Forschung. Die ersten Untersuchungsergebnisse stammen daher aus dieser Zeit. Allerdings zeigte sich, dass die umgesetzten Maßnahmen nicht ausreichten und die Schäden im Forstgebiet weiter zunahmen. Mit Vertretern des Forstbetriebes Ziegelroda, der Landwirtschaft, der Forsthochschule Tharandt, den Kommunen und dem Kaliwerk wurde ein „Landeskulturaktiv“ gegründet, das versuchen sollte, die Rauchschadensproblematik zu lösen. Dazu wurden zunächst auf der „Rauchschadfläche“ im Ziegelrodaer Forst und auf einer stark belasteten Fläche der Landwirtschaft Versuchsfelder angelegt und über mehrere Jahre wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Im Ergebnis dieser Untersuchungen wurden dann konkrete Maßnahmen zur Beseitigung beziehungsweise Minderung der Schäden festgelegt un deren Realisierung überwacht. Trotzdem waren auch diese Maßnahmen zum Scheitern verurteilt und erst die Stilllegung des Kalischachtes zu Beginn der 1990er Jahre sorgte für einen Neubeginn der Natur. Die Arbeit „Das Rauchschadensgebiet Wangen und Möglichkeiten zur Nutzung der produktionslosen Holzbodenfläche“ von 1985 reiht sich ein verschiedene Projekte, die sich mit der Wiederaufforstung unter schwersten industriellen Bedingungen in der DDR beschäftigten. Der nachfolgende Auszug zeigt, wie sich die Forstleute in der sozialistischen DDR mit dem Thema Waldsterben auseinandersetzten:

„Die Hauptaufgabe, die auf dem VIII. Parteitag der SED gestellt und auf dem X. Parteitag erweitert wurde, beinhaltet die weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes. Die ist möglich auf der Grundlage des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, durch ein hohes Entwicklungstempo der sozialitischen Produktion, Erhöhung der Effektivität  und des Wachstums der Arbeitsproduktivität. ... „Die Forstwirtschaft hat die Volkswirtschaft zunehmend und stabil mit Rohholz aus eigenem Aufkommen zu versorgen, die Produktions- und Ertragssicherheit der Waldbestände zu gewährleisten und ihre Leistungen für die Landeskultur zu stärken.“ ... Am 27.März 1974 wurde vom Ministerrat der DDR der Schutz der Wälder sowie die Zurückdrängung der Rauchschäden zum Beschluß erhoben. ...

Das Kaliwerk „Heinrich Rau“ Roßleben steht in einer Höhe von 160 m[eter] über NN am Fuße des sich östlich anschließenden Höhenrückens, der hinter dem Werk zunächst schroff, später etwas gemäßigter ansteigt. Die sehr wüchsigen, zum Teil autochthonen und sich bisher natürlich verjüngenden Buchen- und Eichenbestände stocken auf guten bis sehr guten Boden des mittleren und unteren Bundsandsteins, der je nach Hangneigung mehr oder weniger stark von teilweise entkalkten Lößlehm bedeckt ist. Das Revier Wangen  weist eine territoriale Größe von 1.458 ha auf und erstreckt sich vom Unstruttal bei Nebra bis vor die Tore von Ziegelroda. Die höchste Erhebung ist der Mittelberg mit 280 m[eter] über NN.

Der Kalischacht „Heinrich Rau“ Roßleben produziert heute 1 Prozent des Kalisalzes der Weltproduktion. Im Jahre 1902 wurde im Tale der Unstrut bei Roßleben der Schacht Roßleben getäuft. 1905 begann man mit der Förderung des Kalisalzes. 1926, 1931 und 1947 gingen die ersten Klagen im Kaliwerk Roßleben ein, wegen hoher Staubeinwirkungen im damaligen Revier Wendelstein. Die Schäden wurden erstmalig 1953 analysiert. Im darauffolgenden Jahr wurde die erste Maßnahme eingeleitet, das Kraftwerk erhielt einen neuen Schornstein mit Filter, dessen Ergebnis das Nachlassen der Staubeinwehungen war. Daraufhin kündigte das Kaliwerk die bisher vereinbarte jährliche Entschädigungssumme. Hierauf erhob die Forstwirtschaft Einspruch, weil die Schäden schlimmer geworden wären.

1939 erfolgte ein Wassereinbruch in die Stollen des Schachtes. 1946 waren die Schäden wieder endgültig beseitigt und die Aufbereitung des Salzes erfolgte im Heißluftverfahren. Ab 1956 wurde die allmähliche, ab 1964 die endgültige Umstellung der Aufbereitung auf das Flotationsverfahren vorgenommen. Mit der Aufnahme dieses neuen Produktionsverfahrens kam es zur verstärkten Ausbreitung der Eimissionen. Die Hauptursache des Absterbens der Waldbestände ist nicht auf SO2-Schäden zurückzuführen, sondern auf HCL-Schäden. Die geringen SO2-Schäden werden durch das werkseigenen Kraftwerk hervorgerufen, HCL (Salzsäure) durch die Produktion der Fabrik. Salzsäure entsteht bei der Auslagerung des geförderten Salzes und wird durch die Brüdenschornsteine ausgeschieden. Die Immissionsquelle ist auf Salzsäure zurückzuführen, das sind gelbe bis braune Flecken auf den Blättern, deren Folge das Abfallen der Blätter ist. Somit ist die Photosynthese und damit der Stoffwechsel des Baumes nicht mehr gewährleistet. Der Waldbestand stirbt ab, was im Laufe der Jahre deutlich sichtbar wurde. Die Salzsäure wirkt sich nicht nur negativ auf die Bamubestände aus, sondern sie führt auch zur Verschlechterung der Bodenverhältnisse. Um den Schadeneinfluss zu verringern, wurden vom Kaliwerk die Brüdenschornsteine um 20 m[eter] erhöht. Dadurch sollte die Einwirkung der Salzsäure auf das Gebiet verringert werden. Jedoch vergrößerte sich durch die lange Einwirkung die Schadensfläche. Die Zeit des Absterbens der Bestände wurde dadurch nur verzögert. Außerdem machen sich bei dem im Rauchschadensgebiet eingesetzten Kolleginnen und Kollegen der Rohholzerzeugungsbrigaden gesundheitliche Beschwerden bemerkbar.

Alle Versuche der Forstwirtschaft, Aufforstungen mit rauchharten Baumarten durchzuführen, haben sich als negativ erwiesen. Beim Einsatz aller Anlagen des Kalischachtes zur Verhütung der Rauchschäden könnte die Verschmutzung der Natur um 70 - 80 Prozent reduziert werden. Jedoch befinden sich nicht immer alle Aggregate im Einsatz, was auf Defekte der Anlagen zurückzuführen ist. Daher muss versucht werden, die Ausfallzeiten der Brüdenwäschenso gering wie möglich zu halten. Die fortlaufenden abgabe der Salzsäure an die Natur, wie sie zur Zeit stattfindet, hätte ein weiteres Absterben des Waldes zur Folge. Dadurch würde der Wald in diesem Revier seine landeskulturelle und volkswirtschaftliche Funktion verlieren. Der Wasserkreislauf wird gefährdet und die Versorgung mit Trinkwasser ist dadurch auch nicht mehr gewährleistet. Die Erosion durch Wasser kann dadurch nicht mehr vermindert werden. Durch das geschädigte Holz können auch Rohstoffe des Waldes nur noch begrenzt der Industrie zugeführt werden."

Kaliwerk "Heinrich Rau"

Im Jahre 1902 wurde im Tale der Unstrut bei Roßleben der Schacht Roßleben getäuft. 1905 begann man mit der Förderung des Kalisalzes.

Industrieschäden

Es ist besonders die Salzsäure HCl, welche über die Jahre die starken Schäden an den Baumbeständen hervorgerufen hatten.

Versuchsgatter

Auf der „Rauchschadfläche“ und auf einer stark belasteten Fläche der Landwirtschaft wurden Versuchsfelder angelegt und über mehrere Jahre wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt.

Abraumhalde

Erst die wirtschaftliche Stilllegung des Kalischachtes sorget für eine Renaturierung.