VIETNAM 1 von 3
EIN KLEINER TIGER AUF DEM SPRUNG
Vergangenheit und Zukunft

Am 2.September 1945 ruft der Viet Minh nach der japanischen Kapitulation die Demokratische Republik Vietnam (DRV) aus. Die Franzosen, seit 1856 Kolonialmacht in Inochina, erkennt die DVR an, bombadiert jedoch gleichteitig Hai Phong und landet Truppen an. Die Regierung von Ho Chi Minh verlässt Hanoi. Der Krieg eskaliert und gipfelt in der Entscheidungsschlacht von Dien Bien Phu im Mai 1954. Die Franzosen ziehen ab und der 17.Breitengrad wird als vorläufige Demarkationslinie festgelegt.

1965 verstärken die USA ihre Truppen und bombardieren Ziele im Norden. Der Krieg eskaliert weiter. 1968 startet die FNL die tet-Offensive in 60 Städten des Südens, die zwar zurückgeschlagen werden kann, jedoch zur Wende des Krieges werden soll. Nach dem Parieser Waffenstillstandsabkommen 1973 verlassen die letzten US-Truppen das Land.

Doch Vietnam kommt nicht zur Ruhe. Ende der 1970er Jahre kommt es zu Übergriffen der von China unterstützten Roten Khmer. Im Januar 1979 erobert vietnamesische Truppen Phnom Penh und stürzen das Mörderregime des Pol Pot.

Festprogramm

Für die deutschen Journalisten wurde von jungen vietnamesischen Künstlern ein Folkloreprogramm geboten. Bevor wir vor großem Publikum Fragen beantworten konnten, hatten wir jedoch auch die Möglichkeit mit deutschen Volksliedern (Das Wandern ist des Müllers Lust) zu punkten.

PROLOG

"Vietnam ist eines der letzten sozialistischen Länder der Welt. Und es ist ein Land in Bewegung, ein Land in Veränderung. Lange Zeit war die europäischen Vorstellung Vietnams geprägt vom Krieg: Die Kolonialmächte Frankreich und Japan versuchten ihren Einfluss militärisch zu sichern, die USA schuf sich und der Welt mit ihrem Krieg in Vietnam ein Trauma. Später kam es zu Kämpfen mit China und Kambodscha. Armut, Not und Rückständigkeit waren die Folge.

Spätestens seit dem Sieg über die USA-Truppen ist Vietnam aus den großen Schlagzeilen der Weltgeschichte verschwunden. Weitestgehend unbemerkt hat sich indessen einiges getan im Land des "Onkel Ho". Schon 1986 beschloss die Kommunistische Partei Vietnams eine "Politik der Erneuerung"; spätestens seit dem Zusammenbruch des Ostblocks musste Vietnam neue außenwirtschaftliche Beziehungen aufnehmen.

1992 gab sich Vietnam eine neue Verfassung, die einerseits an der sozialistischen Orientierung festhält, andererseits den Übergang zur Marktwirtschaft bestätigt.

Sozialökonomische Veränderungen, internationale Öffnung, Übergang zur Marktwirtschaft schufen seitdem einen beachtlichen ökonomischen Aufschwung. Schon ist vom "jüngsten Tiger Asiens" die Rede. Trotz der vielen Probleme, die das Land immer noch zu lösen hat, wird es auch wegen den Spannungen zwischen asiatischer Tradition, sozialistische Gesellschaftsordnung und marktwirtschaftlichen Zwängen immer interessanter."

Vietnam entdecken, einen kurzen Sprung wagen, punktuell und von kurzer Dauer. Die Reportage im Februar 2007 führt nach Hanoi und in sein Hinterland. Eine Reise entlang des südchinesischen Meeres ist nicht geplant. Dafür stehen auf dem straffen Programm Treffen mit Vertretern der Friedrich Ebert Stiftung und der Deutschen Botschaft. Im Interview mit dem Funktionär der Jugendorganisation „Ho Chi Minh“, Doan Van Thai, erhalten wir ganz pragmatische Ansichten zu Vietnams neuen Wegen. Im Gespräch mit Dr. Paul Weinig vom Goethe-Institut erfahren wir etwas zu den deutsche Sichtweisen. Treffen Kollegen im Journalisteninstitut und neugierige Nachwuchsjournalisten. Wir lassen uns vom asiatischen Pragmatismus treiben und werden vom wuselnden Hanoi überfordert. In der Giang Vo Street sind wir vormittags auf Visite im Vien Nhi Kinderkrankenhaus und eilen am Nachmittag noch zwischen Pagoden und Kirchen durch die Straßen Hanois. Die Gespräche mit Politikern gestalten sich ebenso fad und ermüdend wie in Deutschland.

Die Fahrt ins Hinterland zum Cuc Phuong Nationalpark ist ebenso abenteuerlich wie zur Halong Bucht. Tausende Eindrücke später und fast am Ende unserer Reise treffen wir auf Dr. Mai Huy Tan, den Vorsitzenden der deutsch-vietnamesischen "Duc-Viet Jointventure Co. Ltd and Commerce Hanoi" und besichtigen seine TÜV-geprüfte Würstchenfabrik. Das kleine Tigerbaby, faszinierend, wuselnd, stolz und voller Neugier auf das was vor ihm liegen wird, wächst immer weiter.

Puppe in Hanoi

Das Ideal ist, trotz jahzehntelanger Kriege mit den "Langnasen", eben das Aussehen der ehemaligen Kriegsgegner.

Die Bambusstange Vietnam erstreckt sich über eine Länge von 1650km, seine schmalste Stelle in der Mitte des Landes beträgt keine 50km. Die direkte Entfernung zwischen Vietnam und Deutschland beträgt nur einige Stunden Flug. Doch viele Wege führen nach Südostasien. Unser Weg führte uns von Berlin nach Moskau, über den Vorderen Orient, Indien und am Himalaja vorbei nach Bangkok. Im dritten Sprung erreichten wir Hanoi, das bereits im Dunkel der Abenddämmerung auf uns warten sollte. Für unsere Reise nach Vietnam setzten wir in erster Linie auf die russischen Tupolew und Iljuschin von Äroflot. Wir starteten in den frühen Morgenstunden eines kühlen Februartages in Berlin und schwenkten nach einer weiten Linkskurve in östliche Richtung. Polen lag unter uns und bettete sich, je östlicher umso schneller, in eine weiße Schneedecke. Weißrussland verwehrte uns mit dichten Wolken den Blick auf seine weiten Flächen und unsere russische Flugbegleitung servierte mit grimmigen Blicken schwarzen Tee und Erfrischungstücher.

Als wir in Moskau landeten, erwarteten uns mehrere Stunden Wartezeit bis zum Anschlussflug nach Thailand. Wir hatten nicht den kürzesten Weg gewählt. Einer der vielen Gründe die dabei nicht im Vordergrund standen, war, Moskaus Flughafen Scheretmetjewo in seiner kühlen Distanziertheit vollständig kennen zu lernen. Die gefühlte kleine Ewigkeit in dem engen Gebäude, das in den 1980er Jahren gebaut und zu einem der modernsten Flughäfen zählte, lehrte uns anderes. Als Transitreisende hatten wir keine weiteren Einreisebestimmungen zu beachten. Abgesehen von einem kurzen, prüfenden Blick in unsere deutschen Reisepässe, wurden wir zügig an der Passkontrolle durch gewunken. Der spröde Betonklotz empfing uns mit russischer Kühle.

Es waren mehr als 18 Jahre vergangen, seitdem ich zum letzten Mal hier gewesen war. In der Zwischenzeit hatte sich die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken aufgelöst und dem Experiment Sozialismus war sein Scheitern attestiert worden. Die Szenerie erschien surreal, waren wir doch auf dem Weg in ein Land, welches den real existierenden Sozialismus im Jahr 2007 lebte. Oder schon den Kommunismus? Oder was sonst? Wie sollte das gehen ohne sozialistisches, sowjetisches Mutterschiff? Eine Reise zurück zu den eigenen Wurzeln? Eine Sozialismus-Revival-Tour? Ein Blick hinter den Vorhang eines komplizierten Bühnenstücks?

Meine Erinnerungen an Scheretmetjewo waren im Laufe der Jahre verblasst, doch Duty Free und kleine Bars lockten wie immer den Transitreisenden das Geld aus der Tasche. Da uns die First Class Lounge verwehrt blieb und sich der Transitbereich mit Bänken und Sitzgelegenheiten rar machte, besetzten wir die Gänge oberhalb der Einkaufstempel. Wir teilten unser Moskauer Martyrium spendabel mit andern Reisenden, die sich um freie Steckdosen platzierten oder auf Decken und Schlafsäcken ihre Anschlussflüge herbeisehnten. Das Abenteuer unserer Anreise schweißte diejenigen zusammen, die geteiltes Leid als halbes Leid zu deuten wussten. Freundschaften wurden geschlossen und die langen Stunden mit nicht zu vermeidenden und nicht genügend peinlichen Gesellschaftsspielen verbracht. Moskauer Zeit vergeht genauso schnell und genauso zähflüssig wie anderswo. Irgendwann geht jede Wartezeit vorüber. Da wir mit zwei kurz nacheinanderfolgenden Fliegern nach Bangkok aufbrechen mussten – russische Flugzeiten sind sehr wunderlich – fühlten wir uns im ersten Schwung als Vorauskommando.

Der Flug nach Bangkok war lang, im Dunkel der Nacht ohne großen Reiz und ohne Fernsehprogramm bar jeder Abwechslung. In Thailand mussten wir aus dem Transitbereich auschecken. Die eingeübte Tortur des langen Wartens bleib uns auch hier in Asien nicht erspart. „Der Weg ist das Ziel“ schoss es mir immer wieder durch den Kopf. Bereits die Anreise sollte eines Berichtes würdig sein. Von gestressten Nerven wäre zu berichten, von intensiven Gesprächen über das was uns bevorstehen würde und erwarten.

Was erwarteten wir von Vietnam? Ein vom Krieg gebeuteltes Land? Wie viel Armut würden wir unter roten Fahnen antreffen? Wie sehr würden Ausländer überwacht? Welche Parolen würden uns entgegen schreien und wie viel von unseren Vorurteilen würden bestätigt werden? Was war dran an dieser „Bambusstange“, diesem kleinen Tigerbaby, das neun Berichten zufolge zu einem der großen dynamischen Wirtschaftstiger in Asien wachsen soll? Mit etwas mehr als 84 Millionen Einwohnern entwickelt Vietnam für westliche Investoren eine immer stärkere Anziehungskraft. Wie geht dieses sozialistische Land mit seinem Potential um? Geht es den Weg Chinas oder einen eigenen?

In Thailand schlug uns indessen schwüle Tropenluft entgegen. Vor dem Flughafengebäude erstickte die Luft im Hupen und den Abgasen der wartenden Taxifahrer. Fast schien es, als hätten wir die Zeit überlistet. Der Check-In nach Hanoi war auch schon fast überstanden. „Passengers with firearms please notify the airline staff at Checkin counter“. Etwas irritiert nahm ich die Mitteilung über dem Schalter auf und war beruhigt, dass auf westlichen Linien bereits das Mitnehmen einer Wasserflasche verboten ist. Auch wenn der hektische Start in Bangkok nicht so schnell vergessen sein sollte, waren wir froh, das Hochgebirge von Laos unter uns zu lassen und bereits zur Landung in Hanoi ansetzen.

Unsere Reise ging nun erst richtig los.

Frühsport am Hoan-Kiem-See

Weil der Rote Fluss früher durch ein anderes Bett strömte, finden sich Stadtgebiet von Hanoi zahlreiche Seen, aber an keinem hängt das Herz der Vietnamesen so wie am Ho Hoan Kiem, dem "See des zurückgebenden Schwertes".

Strassenposten

Rasante Fahrweisen sind an der Tagesordnung, jedoch aufgrund der schlechten Straßen oft begleitet von schweren Unfällen.

Frisch gerupft

Andere Länder, andere Sitten. Hühnerfüße, Hunde, frisches Fleisch. Das Schlachten, rupfen und abbrühen von Hühnern ist ein ungewohnter Anblick für westliche Augen, gewährt aber unter tropischen Bedingungen und im Smok von Hanoi ein Minimum an Hygenie.