USA - DER SÜDWESTEN 3 von 4
GARND CANYON, SELIGMAN UND DIE ROUTE 66, VIVA IN  LAS VEGAS
Grand Canyon

Über Amerikas Naturwunder Nr.1 äußerte sich 1857 Armeeleutnant Joseph Ives auf der ersten Coloradoexpedtion enttäuscht. Er und seine Begleuter seien sicher die letzten Weißen, die sich in diese völlig wertlose Gegend vorwagten. Erst der Goldstaub von 1871 holte den Grand Canyon aus seiner Anonymität.

Indianerpresse

Neben den üblichen überregionalen und regionalen Zeitschriften publizieren die Indianer von heute in Printmedien, Fernseh- und Radiosendungen.

"WENN EIN LASTER SICH GENÜGEND VERBREITET HAT, WIRD EINE TUGEND DARAUS." (Frank Sinatra)

„Unter den zahlreichen Expeditionen, welche die Regierung der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren ausrüstete, um die unermeßlichen Länderstrecken zwischen dem Missouri und den Küsten der Südsee erforschen zu lassen, verdient gewiß besondere Erwähnung die im Spätsommer 1857 ausgesandte, der die Aufgabe gestellt wurde, ein genaueres Bild und bestimmtere Nachrichten über den Rio Colorado, der in den Meerbusen von Kalifornien mündet, zu verschaffen. Schon zur Zeit der ersten Kolonisierung der westlichen Küstenländer Amerikas durch die Spanier widmeten die frommen und energischen Missionare ihre Aufmerksamkeit dem Fluß, der unbekannten Regionen entströmte und der lange für ein Kalifornien vom Festland trennender Meeresarm gehalten wurde; eine Meinung, die Pater Kino erst im Jahre 1700 vollkommen widerlegte. Den Beschreibungen jener Zeit, die zuweilen ans Märchenhafte grenzten, begann man mehr Glauben beizumessen, als spätere Forscher, die den Gila und den unteren Colorado bereisten, diese teilweise bestätigten und die von den Pelzjägern über den oberen Fluß eingezogenen, freilich unverbürgten Nachrichten sich als übereinstimmend mit denen der Missionare auswiesen. Die Trapper, die von dort zurückkehrten, sprachen nämlich von meilentiefen, unzugänglichen Schluchten, was unzweifelhaft die Stellen gewesen sein müssen, die von den Spaniern mit dem Namen »Cajones profundisimos« belegt wurden und von denen es unter anderem heißt, daß dort der Spiegel des Flusses so tief läge, daß man von den Ufern abwärts schauend das Wasser nicht zu unterscheiden vermöge. Man kannte freilich die geographische Lage der Mündung des Colorado sowie auch einiger Punkte, wo Expeditionen denselben überschritten hatten; ebenso waren die Quellen des Grand-River und des Green River, welche unter dem 38. Grad nördlicher Breite sich vereinigend den Colorado bilden, teilweise astronomisch bestimmt worden; man wußte auch, daß der Colorado das Hochland zwischen dem Wasatch-Gebirge und den Rocky Mountains durchschneidet und die Wasser dieses ungeheuren Landstrichs aufnimmt; doch war man gänzlich im unklaren über den Fluß selbst von der Vereinigung der beiden Hauptarme bis hinunter zum 35. Grad n. Br., der Stelle, wo Captain Whipple im Jahre 1854 denselben überschritt.“ (Balduin Möllhausen, 1860: Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas)

Einige Meilen östlich des Desert View verließ ich das Indianerreservat. Eine schmale Straße führte mich zum östlichen Eingang des Grand Canyon. Das oberste Sehnsuchtsziel aller Amerikaner ist ein Naturwunder par excellence. Der South Rim lockt die meisten Besucher das ganze Jahr, während der North Rim ein Schattendasein führt, da er nur über den Umweg von Page zu erreichen ist.

Am Desert View machte ich die erste Bekanntschaft mit dem „Volksliebling Nr.1“. Der in den 1930er Jahren erbaute Aussichtsturm wurde im Innern u.a. vom Hopi-Künstler Fred Kabotie mit mythischen Szenen und Wandmalereien gestaltet. Doch der Blick aus den angekratzten Fenstern war nicht sehr ergiebig. Allein der Blick außerhalb des Gebäudes verschaffte genügend Ehrfurcht. Berauschend und mächtig lagen die Schluchten des Grand Canyon unter mir. Tief unten formten immer noch die Fluten des Colorado-River die Szenerie. Die große Schlucht ist ein seit Millionen Jahren gestaltetes Gemälde von 460 Kilometer Länge, bis 30 Kilometer breit und 1.800 Meter tief. Während die Gegend bereits vor 3.000 Jahren besiedelt wurde, leben noch heute einige Havasupai-Indianer im Canyon. Als erster Europäer stieß García López de Cárdenas aus Spanien auf den Grand Canyon. López war im September 1540 im Auftrag des Eroberers Francisco Vásquez de Coronado auf der Suche nach den sagenumwobenen Sieben Städten von Cibola. Die wissenschaftliche Expedition unter Führung des einarmigen John Wesley Powell, der am 24. Mai 1869 mit neun Mann und vier Holzbooten in Green River, Wyoming aufbrach, wurde die berühmteste Exkursion in die Gegend, die Poewll auch ihren heutigen Namen verdankt. Im Januar 1908 wurde das Gebiet um den Grand Canyon durch US-Präsident Theodore Roosevelt zum National Monument erklärt; am 26. Februar 1919 wurde es als Nationalpark unter Schutz gestellt.

Ich folgte der schmalen Straße, die sich südlich der zerrissenen Canyonflanke bis zum Grand Canyon Village zog. Wie an einer Perlenkette reihten sich die Aussichtspunkte Navajo Point, Lipan Point, Papago Point, Moran Point und unzählige weitere aneinander. Einige waren mit dem Jeep zu erreichen, andere einen kurzen Fußmarsch notwendig. Lohnenswert waren sie alle. Glücklicherweise waren die jährlich fünf Millionen Besucher an jenen Tagen nicht zu spüren. Einige Rehe und Hirsche grasten zutraulich am Straßenrand und hoben manchmal bettelnd und neugierig ihre Häupter. Für meinen Zeltplatz musste ich fast zwei Stunden in brütender Hitze anstehen und kam mir vor wie in einer VW-Kantine, wenn es Currywurst gibt. Doch hatte ich nun genügend Zeit, mir das Dorf anzusehen, welches zwischen Ponderosakiefern und Wacholderbüschen direkt am Canyonrand liegt. Das Geschäft mit den Touristen begann mit der Ankunft der ersten Eisenbahn im September 1901. Die Bright Angel Lodge existierte bereits damals und das luxuriöse El Tovar öffnete 1905 seine Pforten. Da die Parkverwaltung der anhaltenden Blechlawinen heute nur schwer Herr wird, wurde die 1968 geschlossene Bahnlinie 1989 mit historischen Loks wieder aufgenommen; manche Strecken sind für den Autoverkehr gesperrt und werden mit Hybridbussen bedient. Ich genoss den Sonnenuntergang, der lange Zeit sein warmes Licht über die Felshänge und Schluchten goss. Ein kleines Eichhörnchen kam zutraulich auf mich zugerannt, als ich einen Keks aus der Tasche hervorkramte. Aus großen, wehmütigen Augen schaute er zu mir herauf und streckte seine kleinen Pfoten bettelnd aus. Er schien das Hinweisschild „Füttern verboten“ nicht gelesen zu haben oder ignorierte es einfach herzhaft. Der Kleine war mir sympathisch.

Im Hopi House, welches heute als Besucherzentrum dient, kam ich mit dem jungen Verkäufer ins Gespräch, der kurze Zeit in Deutschland stationiert war und nach Afghanistan abkommandiert worden war. Wie lange ich schon unterwegs sei, was ich alles schon gesehen hätte und wo ich noch hinwill. Als ich ihm erzählte, dass ich nach Las Vegas wollte, leuchteten seine Augen. „Sure you have a great time. Vegas is party round the clock.”, zwinkerte er mir zu. Der Skywalk, beeindruckende Touristenattraktion im Indianerreservat, lockte mich nicht mehr, nachdem ich erfahren hatte, das Fotografieren verboten war, das Ticket exorbitant hoch war und die Anfahrt nur über eine Schlaglochzerfressene Schotterpiste möglich war.

Während am folgenden Morgen die ersten Mulis mit ihren Touristen über den Bright Angel Trailhead zum Grund des Canyons aufbrachen, stattete ich der „Motherroad“, der Straße aller Straßen“, der Route 66, einen Besuch ab. Nicht das manche Straßen, über ich bis dahin gefahren war, nicht auch eine Route 66 hätten sein können. Einsam gelegen, nur von dürren Gestrüpp und spärlichem Verkehr frequentiert, führten auch diese Straßen in Richtung Westen. Doch der Mythos der Strecke Chicago – Los Angeles war nicht zu brechen. Wenn er während der großen Depression zum Hoffnungsträger einer verlassenen Generation wurde, so mutierte er dank Easy Rider zum Freiheitsmythos. „Get your kicks on Route 66“. Der Mythos wurde seit den 1950er Jahre unter vier- und sechsspurigen Interstates und Highways begraben. Doch Seligman war das Nest, das sich den Mythos bis heute bewahrt hatte. Andere Ortschaften waren nur zum Tanken gut und lockten nicht mit einem Aufenthalt. Doch Seligman hatte ausrangierte Chevrolets und Cadillacs, alte Straßenschilder und Motels, die den Mythos aufrecht hielten. Im Barbershop hing neben unzähligen Nummernschildern aus Illinois, Minnesota, Havelland und Sangerhausen auch ein Wimpel des FC Dynamo Dresden. Ich machte eine Rast in Lilo’s Cafe, die die deutsche Bar an ihre Enkelin weitervererbt hatte. „Stammtisch“ grinste mir vom Nachbartisch gemütlich deutsch entgegen. Vor dem Cafe parkten ein paar ältere Motorradfahrer ihre schweren Harleys und tauschten sich in schwäbischem Dialekt über die letzten Erlebnisse aus.

Seligman schien auch Rangierzentrum der amerikanischen Bahn zu sein, die hier ihre endlosen Güterwaggons ständig anrucken lies. Etliche Waggons waren mit Militärfahrzeugen beladen, die, ihrem Anstrich nach zu urteilen, für den Einsatz in Wüstengebieten eingeplant waren. Die Route 66 streifte Nelson, Valentine und Hackberry, bevor sie in Kingman wieder auf den Interstate 40 traf. Im letzten Tageslicht fuhr ich nordwärts, querte die Black Mountains und den Hoover Staudamm und übernachtete in Boulder City.

Der in den 1930er Jahren erbaute Damm war ein Gigant und lag direkt auf der Bundesgrenze zwischen Arizona und Nevada. Die gewaltige Ingenieursleistung liefert seit Jahrzehnten Strom bis nach Los Angeles und hält Las Vegas am Leben. Doch während in frühen Jahren der Colorado-River durch Überschwemmungen das Fürchten lehrte, überwiegen heute die ökologischen Probleme des gefesselten Riesen.

„Welcome to fabulous Las Vegas“ grüßt ein Schild am Ende des Las Vegas Boulevards, der hier nur „The Strip“ genannt wird. Ich checke im Circus Circus am anderen Ende der Hauptvergnügungsmeile Amerikas ein. Es ist eines der vielen Hotelkasinos, welches mit einem bestimmten Thema seine Besucher lockt. Während im Caesars Palast Kleopatra am Arm von Cäsar flaniert, hat sich „Treasure Island“ der Piraten angenommen und The Venetian des Dogenpalastes und einer schmalen Lagune, die ziemlich wasserlos und reparaturbedürftig in der flirrenden Hitze dalag. Die Neonmetropole bot, was sie versprochen hatte. Fünf, zehn aneinander aufgereihte Roulettetische, Poker, Black Jack und einarmige Banditen versorgten in klimatisierten Räumen die Neugierigen und Spielsüchtigen. „… die Schlitz-Automaten (in des Wortes zwiefacher Bedeutung), in die man das Geld hineinsteckt und verschiedentlich drückt, und dann arbeitet etwas in dem Blechbauch, und herauskommt Geld oder nicht. Von diesen Ungetümen standen in so einer Halle zweihundertfünfzig oder dreihundert Stück, und jeder Fanatiker hockte angespannt vor seinem Kasten, ganz mit sich allein, dumpf brütend, doch die Augen glänzend, und wartete und wartete – sollte ich je die Einsamkeit der Onanie ins Bild bringen wollen, so wäre dies gewiß das Genaueste.“ beschrieb1988 der Ostdeutsche Manfred Jendryschek seine Eindrücke.

Während im Circus Circus noch in die Jahre gekommene Tänzerinnen Erfrischungsgetränke verkauften, boten im Mirage, New York New York und MGM Grand halbnackte Sirenen ihre Hilfe an. Ich bewies für die Spielerei nicht das richtige Talent. Die Spielautomaten klimperten nicht mehr mit Münzen, sondern spuckten nur noch Voucher aus. Wenige Meter neben mir setzte ein junger Amerikaner 400 Dollar an einem Roulettetisch, verlor und ging, ohne mit der Wimper zu zucken, mit seiner Freundin weiter. Eine Alte im Rollstuhl versenkte ihre Dollarscheine in einen Spielautomaten „Kenny Rogers, The Gambler“. Religion und Hautfarbe spielte keine Rolle im Spielerparadies. Schwarze saßen neben Chinesen und zockten Amerikaner und Franzosen beim Poker ab. Während draußen die Hitze der Wüste durch die Straßen strömte und die Fontänen und Wasserbecken verdunsten half, schwitzten im Excalibur und Imperial Palace Hausfrauen und Yuppies, frisch verheiratete Pärchen und Teens trotz Klimaanlage ihren Gewinnen entgegen. An den Kreuzungen boten Inder unzählige Visitenkarten von Kira und Casey, Amber und Tamara feil. Die Party ging 24 Stunden. Im MGM Grand zauberte immer noch der in die Jahre gekommene David Copperfield, während vor dem Mirage eine Büste an die Deutschen Siegfried und Roy erinnerte.

Wäre in den 1930er Jahren nicht mit dem Bau des Hoover-Damms das Arbeitercamp Boulder City entstanden und das Glücksspiel legalisiert worden, wäre das Schicksal von Las Vegas vermutlich besiegelt gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blühte die Stadt unter der Regie von Mobster Bugsy Siegel auf. Später zog Frank Sinatra mit seinem Rat Pack Dean Martin, Sammy Davis Jr., Joey Bishop, Peter Lawford und Shirley MacLaine durch die Shows und Kasinos. Elvis, obwohl bei seinem ersten Auftritt 1956 im New Frontier Hotel mit erheblicher Publikumskritik gestraft, verschaffte der Spielermetropole ab 1969 im Hotel International neuen Glanz. Heute kann man in den zahlreichen Wedding-Chapels zu Elvis‘ Musik heiraten oder sich von mehr und weniger begabten Elvis-Imitatoren unterhalten lassen. „Elvis lebt doch“ schoss es mir durch den Kopf, als „Viva Las Vegas“ aus dem Radio klang und ich den Strip hinunterfuhr. Zehn Jahre waren vergangen, seit ich das letzte Mal Elvis in Graceland besuchte. Doch der 11.September lag soweit zurück, wie ich noch Meilen vor mir hatte und bisher hatte ich noch kein Treffen mit den US-Marines.

Ich gönnte mir in der Nacht trotz wundgelaufener Füße noch einen Ausflug auf den Stratosphere Tower, der mir dies mit einem herrlichen Ausblick auf das hell leuchtende Vegas belohnte. Am nächsten Morgen, einem Sonntag, fuhr ich noch hinunter in die Fremont Street, Downtown. Während sich einige Penner in den Seitenstraßen tummelten, verhaftete ein Polizist in der Nähe des El Cortez Hotel eine Schwarze. In der, aus Gründen des Denkmalschutzes mittlerweile überdachten Freemont Street trafen sich früher Spieler, Showgirls und die Mafia. Die Automobilverliebten Amerikaner stellte an jenem Sonntag ihre liebevoll restaurierten Oldtimer zur Schau. Buick, Mustang und Chevrolet glänzten zufrieden neben aufgemotzten VW-Käfer und Spitfire. Betty Bu und Elvis lagen vertraut als Aschenbecher, Haftmagnete und Untersetzer in den Regalen und für mich wurde es Zeit, nach Kalifornien zu fahren.

Zaungast am Canyon

Die zutraulichen Eichhörnchen setzen sich immer wieder über die vielen Schilder "Bitte nicht füttern" hinweg.

Grand Canyon N.P.

Eines der spannendsten und meist besuchten Naturwunder ist der 1.800 Meter tiefe, von Plateaus, Klippen und erodierenden Gesteinsstufen zerfurchte Grand Canyon.

Route 66

In Seligman lebt der Mythos der Mutter aller Straßen weiter. Alte Cadillacs rosten neben schweren Harelys, die von ihren Besitzern auf eine kurze Rast abgestellt sind.

Fremont Street

Das Spielerzentrum lag früher in Downtown. Erst ab den 1970er Jahren fanden die Hotelkasinos hinaus zum Strip. Aus Gründen des Denkmalschutzes wurde die alte Spielerstraße überdacht.

Neonmetropole

Mitten in der Wüste Nevadas dröhnen das Leben, Wasserspiele, Klimageräte und Leuchtreklamen dank der gebändigten Natur.

Spielhöllen

"... schwitzten trotz Klimaanlagen ihren Gewinnen entgegen."

Fabulous Las Vegas

Am Strip posieren Elvis-Imitatoren für einige Dollar und ein Erinnerungsfoto.