QUEDLINBURG
WELTKULTURERBE, FINKENHERD UND DEUTSCHES ERBE
Schloß und Stiftskirche

Das mittelalterliche Harzstädtchen Quedlinburg wirkt dank seiner Fachwerkbauten aus sechs Jahrhunderten, der Vielfalt an erhalten Baudenkmälern und der landschaftlich reizvollen Lage authentisch. Seit 1994 zählt die Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Burgruine Regenstein

Die mittelalterlichen Streitigkeiten des Grafen Albrecht II. von Regenstein mit den Quedlinburgern und Halberstädtern verklärte Gottfried August Bürger in seiner Ballade Der Raubgraf. Im Schlossmuseum Quedlinburg steht noch heute der "Raubgrafenkasten", in dem Albrecht nach seiner Gefangennahme 1336 festgesetzt worden sein soll.

"Es gibt einen Ort im Königreich der Sachsen mit Namen Quedlinburg, berühmt und erhaben durch die Ehre, ein Königssitz zu sein." Durch die schmalen Gassen weht kühler Wind und in den Fensterscheiben spiegeln sich fahle Sonnenstrahlen. Die Winterkälte nistet in den Häuserecken und im jahrhundertealten Fachwerk und treibt die wenigen Touristen in die Gaststuben. Am Finkenherd unterhalb des gewaltigen Kirchen- und Schloßensembles, wo der Legende nach dem Sachsen Heinrich 919 auf der Vogeljagd von einem Boten die Nachricht von seiner Wahl zum deutschen König überbracht worden sein soll, wechseln Cafes und Nippesläden im mittelalterlichen Fachwerkdesign einander ab. "Gleicher unter Gleichen"; Heinrich, der auch den Beinamen "der Vogler" erhielt, bewies politischen Spürsinn und vermied es in den frühmittelalterlichen Machtspielen seinen Führungsanspruch herauszustreichen. Auch der Finkenherd teilt seine Legende mit anderen Orten.

Die Jahrhunderte haben in den Gassen und Fachwerken ihre Spuren hinterlassen. Trotzdem verraten sie erst bei näherer Betrachtung von den frühen Pfalzjahren, den Auseinandersetzungen mit den Regensteiner und ihrer Vergangenheit als nationalsozialistische Weihestätte. Die realsozialistischen Mangeljahren sind nur noch an wenigen Orten zu spüren, ebenso wenig wie die stets mühevolle Bestandserhaltung engagierter DDR-Einwohner.

Quedlinburg trägt sein Erbe seit den Wendejahren mit dem Stolz der Weltkultur und der ostdeutschen Resignation zum Trotz. Das von Arbeitslosigkeit und Abwanderung geplagte Städtchen war im frühen Mittelalter eine der Lieblingspfalzen König Heinrichs I. und Zentrum des jungen deutschen Reiches. Mit über 1200 Fachwerkhäusern aus sechs Jahrhunderten ist das Flächendenkmal heute für Stadt und Einwohner Verpflichtung und Herausforderung. Doch der Verpflichtung nachzukommen bleibt schwierig. Die Abwanderung der Einwohner nötigte die Stadtverwaltung zu ungewöhnlichen Vorschlägen wie Pflichtansiedlung von Zuwanderern und das historische Fachwerk bleibt für Brände immer wieder anfällig.

Die von Heinrich Himmler in den 1930er Jahren gestaltete Grablege König Heinrichs in der Stiftskirche St.Servatius zur germanischen Weihestätte ist heute der größte Besuchermagnet der Stadt. Reichsführer Himmler nutzte die Tausendjahrfeier des Todestages Heinrichs I. 1936 propagandistisch, entwickelte einen Kult um seinen Namensvetter und ließ den romanischen Chor der Kirche in eine pseudo-romanische Apsis umgestalten. Heute liegen die Gebeine Heinrichs und seiner Frau Mathilde, die eine Erbin aus dem Hause des letzten heidnischen Germanen Widukinds war, in der Krypta, deren mittelalterliche Deckenmalerei dank umfangreicher Sanierungsarbeiten in den Jahren 2002 bis 2009 gesichert wurde. Nach dem Tod Heinrichs in Memleben an der Unstrut wurde der Leichnam in der Pfalzkapelle auf dem Schlossberg bestatt und Mathilde gründete an gleicher Stelle ein Damenstift, dem sie selbst dreißig Jahre vorstand.

Für viel öffentliche Aufmerksamkeit sorgte in den frühen 1990er Jahren die Rückgabe wertvoller Teile des Domschatzes. Dem US-amerikanischen Leutnant Joe Tom Meador war es 1945 gelungen, zwölf ausgewählte Stücke wie das Samuhel-Evangeliar und den Heinrichsschrein per Feldpost nach Amerika zu schicken. Die Odyssee endete mit maßgeblicher Unterstützung des Historikers Willi Korte und jahrelangem juristischem Ringen mit einem Vergleich 1993. Bis auf zwei verschollene Stücke kann der Domschatz seitdem wieder in der Stiftskirche besichtigt werden.

UNESCO-Weltkulturerbe und Straße der Romanik locken seit den Wendejahren marketinggerecht die Touristen in die Stadt. Bekannt und viel besucht ist zudem der jährliche Weihnachtsmarkt und das bereits traditionelle "Advent in den Höfen". Die Geschichte des alten Pfalzortes weht neben dem kühlen Wind auch um die lange Liste seiner Kulturdenkmale. In Quedlinburg lässt sich die mittelalterliche Stadtentwicklung ablesen. "Stadtluft macht frei" hieß es unter den Bauern und Leibeigenen und war Lehnsherren und Rittern stets ein Dorn im Fleisch. Der frühe Wettbewerb eskalierte in den Streitigkeiten der nahen Regensburger mit den sich emanzipierenden Städtern, dem Halberstädter Bischof und der Äbtissin von Quedlinburg. Ihre romantische Verklärung erhielten die Auseinandersetzungen, die mit der Inhaftierung des Grafen Albrecht II. von Regenstein ihren Höhepunkt erreichte, in einer Ballade Gottfried August Bürgers. Die nahezu uneinnehmbare Festung Regensteiner reckt heute ihre nackten Ruinen in den Himmel des Harzvorlandes. Charakteristisch sind die Überbleibsel der vielen, in den Sandstein getriebenen, Unterkünfte, Lager und Pferdeställe.

Finkenherd

Der Legende nach soll dem Sachsenherzog Heinrich hier 919 bei der Vogeljagd die Nachricht von seiner Wahl zum König überbacht worden sein.

Domschatz

Der Schatz der sächsischen Kaiser wurde durch den Diebstahl einiger Stücke durch den US-Offizier Joe Meador 1945 weltberühmt.

Hallenkrypta

Die weiträumige Krypta dient seit Jahrhunderten als Grablege Heinrichs und Mathildes, den hohen Äbtissinen und dem Gebet.