TE WAHI PONAMU 4 von 8
VON NELSON NACH MARBOROUGH UND WEITER ZUR WESTKÜSTE
Südinsel

Erste Schritte in Picton und der abenteuerliche Queen Charlotte Drive. Motueka und der Abel Tasman National Park. Ein Abstecher zur vielgerühmten Golden Bay und auf dem Highway 6 an die stürmische Westküste. Cape Foul-wind, die Pancake Rocks (links) und deutsche Tramperinnen. Ein Jugendherbergsvater aus Königswusterhausen und Margaret Tovey O’Brien. Gold, Jade und ein verregneter Vormittag. Der Franz-Josef-Gletscher und über den Haast Pass.

Franz Josef Gletscher

Nur auf In den letzten 200 Jahren ist der steile Gletscher mehrfach vorgestoßen und wieder zurückgewichen. 1865 gab der Naturforscher Julius von Haast dem an der West Coast gelegenen Gletscher den Namen des damaligen österreichischen Kaisers Franz Josef.

Die Überfahrt von Wellington zur Südinsel begleitet ein stürmischer und kalter Regen. Nach gut einer Stunde Fahrt durch die Cook Straße drückt sich die dunkle Silhouette der Südküste durch den nebligen Horizont. Steile Klippen, um die sich kreischende Möwen zanken, markieren die Einfahrt in den Queen Charlotte Sound. Dichtbewachsene Steilufer flankieren den Fjord nach Picton, dem Tor zur Südinsel. Einzelne Blockhäuser, die nur über abenteuerliche Pfade oder vom Wasser aus zu erreichen sind, schmiegen sich an die Hänge. Fischerboote stampfen hinaus zur Cook Straße und einige Segelboote dümpeln im klaren Wasser. Zwei Jetskis rasen an der Fähre vorbei und sorgen auf ihre Weise für Unterhaltung auf beiden Seiten.

Das Wetter Neuseelands ist unbeständig. Gewiss. Regen, Sonne und Wind balgen sich ständig um den ersten Platz. Doch das mit meiner Ankunft auf der Südinsel der Regen fast schlagartig aufhört und die Wolken sich immer mehr lichten, lege ich als Omen zu meinen Gunsten aus. Picton entpuppt sich als kleines Nest und Nadelöhr. Das in einem Reiseführer beschriebene Wrack der „Edwin Fox“ kann ich leider nicht entdecken und schwenke auf den Queen Charlotte Drive ein. Die kurze, aber imposante Route bringt mich direkt nach Havelock. Die Straße krümmt sich oberhalb des Queen Charlotte Sounds in zahllosen Kurven um die Berge. Atemberaubend ist der Ausblick auf die Fjordlandschaft, die zum Marlborough Sound gehört.

In Havelock stoße ich auf den Highway 6, der mich nach Nelson bringt. Die erste Stadt Neuseelands wird vom Klima besonders verwöhnt und hat über die Jahre verschiedene Künstler und Handwerker angezogen. Am 30.August 1871 wurde in der Nähe Nelsons, in Spring Grove, der Vater der Atomphysik, Ernest Rutherford geboren. Das weite Tal zwischen Arthur und Richmond Range ist die landwirtschaftliche Goldgrube der Region. Apfel- und Kirschenplantagen werden von eingezäunten Kiwihainen abgewechselt. Für mich ist es eine Offenbarung, als ich im Herbst die Äpfel blühen sehe. Die vielen Weingüter, an denen ich vorbeikomme, sind ein weiterer Beweis für die seit etwa 25 Jahren anhaltende Karriere des neuseeländischen Weines. Doch der Weg ist das Ziel. Vor mir streckt die Arthurs Range seine schneebedeckten Gipfel der Sonne entgegen. Ich biege hinter Richmond auf den Highway 60 ein, der parallel zum Meer bis ins Nest  Collingwood führt. Die meisten Touristen kommen jedoch nur bis Motueka an der „Tasman Bay“. Die kleine Siedlung dient als Basislager für Trekker in den Abel Tasman National Park.

Der kleinste Nationalpark der Insel wurde 1942 anlässlich der 300. Wiederkehr der Entdeckung des Landes durch Abel Tasman eingerichtet. Den Zauber der Landschaft soll man am intensivsten mit dem Kanu erleben können. Mein Weg führt mich aber vorerst auf der engen Passstrasse weiter nach Takaka. Eine abenteuerliche Strecke die mich zweimal sieht, da die Straße in einer Sackgasse endet. „No exit“ wird das treffend beschrieben. An der Golden Bay ist die Stille zu Hause. Einzelne Siedlungen erinnern noch heute an die ersten Europäer. Exotische Strände wie Pohara, Patons Rock oder Tukurua liegen einladend vor mir. Die warmen Sonnenstrahlen kämpfen mittlerweile nur noch gegen einen kühlen Nordwest und sorgen für Südseeflair. Ich genieße den Moment in vollen Zügen. „You’ll find more bush“ erinnere ich mich an die Worte eines Kiwi, der mir erklärte, wie naturbelassen die Südinsel Neuseelands ist.

Zum Cape Foulwind begleitet mich der Buller River, dessen Wildwasser bis zur Mündung in die Tasmanische See immer breiter werden. Es ist ein gewaltiges Schauspiel, wenn sich die Wassermassen durch enge Schluchten pressen und hinter Felsblöcken zischende Strudel bilden. Vor dem Kohlenstädtchen Westport halte ich mich links und steuere direkt Cape Foulwind an. Am felsigen Kap bläst mir ein stürmischer Wind ins Gesicht. Reflexartig drücke ich mir meinen Hut tiefer ins Gesicht, bevor er über die Klippen in die Tasmanische See geweht wird. Das Kap verdankt James Cook seinen eigentümlichen Namen, nachdem er hier 1770 mit den widrigen Winden zu kämpfen hatte. Hamburg 15.732km steht auf einem Wegweiser an den Klippen. Nur 500m sind es, bis ich meine ersten Robben sehe. Die aalen sich genüsslich auf den warmen Felsen und lassen die Touristen Touristen sein. Nach dem der Goldrausch Ende der 1870er Jahre vorbei war, wurden an der Westküste verstärkt Kohle und Holz abgebaut. Doch in den letzten Jahren ist der Kohleabbau, trotz großer Vorräte, zurückgegangen. In der Folge verlassen immer mehr Familien auf der Suche nach Arbeit die Westküste. Viele aufgegebene Kohlengruben hat sich mittlerweile der Regenwald zurückgeholt.

Kurz vor dem Dunkelwerden erreiche ich Punakaiki. Das kleine Nest presst sich Schutz suchend gegen die steil aufragenden Kalkfelsen. Diesen ist, gemeinsam mit der vorbeiziehenden warmen Meeresströmung, die reiche subtropische Vegetation zu danken, die sogar Nikau-Palmen wachsen lässt. Berühmt wurde die Gegend durch die Pancake Rocks, deren Name auf die eigentümliche Form der Klippen verweist. Es wird immer schneller dunkel, während ich mich auf den Rundweg zu den „Pfannkuchen“ mache. Es sind nur wenige Minuten zur Küste, die mich durch dichten Regenwald führen. Der Pfad verläuft unter meterhohen Palmen und mächtigen Farnen. Aus den sogenannten „Blowholes“ schießen Wasserfontänen in die Höhe. Da Ebbe ist, bricht sich die Gischt schon tief am Felsen. Ein abendliches Schauspiel. Ursache für die skurrilen Motive ist die gewaltige Brandung der Tasmanischen See, die weiche und harte Gesteinsschichten unterschiedlich stark ausgewaschen hat.

Der heraufziehende Regen sorgt dafür, dass es mit einem Schlag dunkel wird. Die kleine Jugendherberge im Ort liegt keine 100 Meter vom Strand entfernt und durch die Fenster dringt das schlagende Geräusch der Brandung. Die Herberge „Te Nikau Retreat“ wird von Christian und seiner Freundin betrieben. Die zwei Studenten aus Königswusterhausen sind die letzten vier Wochen in Neuseeland. „Jährlich vergibt das neuseeländische Auslandsamt in Berlin 1.000 Einjahresvisa an junge Leute bis 30.“, erklärt mir Christian. „Wir hatten Glück und die letzten beiden Tickest bekommen. Arbeit findet man schnell im Land. In jedem größeren Ort gibt es eine Stelle, die Dir einen Job vermitteln kann. Freunde von mir haben im Sommer Weinstöcke eingepflanzt. Das war ein Knochenjob. Als Herbergsvater bin ich zwar fast fünf Monate an den Ort gebunden. Aber zwischendurch sind wir für eine Woche wandern gewesen und die letzten vier Wochen wollen wir uns noch die Südinsel ansehen.“ Es ist eine interessante Gruppe, die im „Te Nikau Retreat“ übernachtet. Antje aus Wilhelmshaven trampt seit drei Wochen über die Inseln. Andrea aus Radebeul hat ein Sprachstudium hinter sich und nutzt die letzten vierzehn Tage, bis sie wieder nach Europa zurückfliegt. James aus Wanaka hat fast die ganze Welt bereist und Elke aus Den Haag trotzt dem kalten Sturm im gemütlichen Thermalpool der Herberge.

Hinter Greymouth führt links eine Straße in den Busch nach Shantytown. Die Goldgräberstadt ist Touristenattraktion und Erinnerung an vergessene Zeiten. Der strömende Regen und kalte Wind lassen mich recht lebhaft an jenen Tage teilhaben, als Chinesen neben Iren und Schotten Gold wuschen, Sümpfe, Urwald-Dickicht und Flussbetten förmlich umpflügten. Insgesamt 40.000 Goldsucher quälten sich über kaum bekannte Pässe der Südalpen an die Westküste oder landeten mit dem Schiff in Hokitika. Das Nest wurde neben Auckland zum wichtigsten Hafen Neuseelands. Lange vor Ankunft der Europäer haben die Maori in der Gegend von Hokitika Nephrit gesammelt und bearbeitet. Der in dieser Gegend dunkelgrün schimmernde „Punamu“ ist als Greenstone oder Jade bekannt und beliebtes Schmuckstück. Den Maori diente der Stein zur Herstellung von Beilen und Schlagwaffen oder wurde als Heilstein verwendet.

„Hei Matau“, der Angelhaken, symbolisiert Kraft und Entschlossenheit und begünstigt in der Südsee-Mythologie eine gute Reise über Wasser. Das Wasser kommt jedoch vorerst von oben. Ich fühle mich auch fast schon wie ein echter „Coaster“, der sich trotz des schlechten Wetters nicht unterkriegen lässt. Als ich am Franz Josef Gletscher ankomme, sind die Gipfel der Südalpen in eine dichte Wolkendecke eingeschlagen. Bei entsprechendem Wetter sollen sich die zahlreich angebotenen Rundflüge zum Mt.Cook auf der anderen Seite der Alpen lohnen und die Berge in den glasklaren Seen widerspiegeln. Bei mir spiegelt sich leider nichts. Allerdings lohnt sich mein Ausflug zur Gletscherspitze allemal. Der Naturforscher Julius von Haast gab 1865 dem Gletscher den Namen des damaligen österreichischen Kaisers. Auch wenn die Gletscher, bekanntermaßen weltweit, in den letzten Jahren immer weiter zu-rückgewichen sind, so stehe ich doch vor einem beeindruckenden Naturphänomen. Denn dies hier ist mein „Erster“. Den Pfad zum Gletscher säumen gewaltige Felsblöcke, die von den Eismassen freigegeben und abgeschliffen nun auszuruhen scheinen.

Während mir feiner Nieselregen ins Kameraobjektiv tropft, klettert eine blau eingekleidete Gruppe zum Eis hinauf. Geführte Gletschertouren gehören eigentlich zum Pflichtprogramm. Doch ich verzichte darauf und mache mich stattdessen auf den Weg nach Haast. Der Highway 6 führt dicht an der stürmischen Küste entlang. Donnernd toben sich die Wellen aus und spülen mächtige Bäume an den Strand. Zu meinem Pech bleibe ich an einem Ast hängen und stürze rücklings hin. Zum Glück ist meiner Ausrüstung nichts passiert, stelle ich fest. Meine eigenen dunkelblauen Blutergüsse merke ich erst einige Tage später. Der niedrigste Übergang über die neuseeländischen Alpen ist nur 564 Meter hoch und nach dem Bonner Naturforscher Julius von Haast benannt. Als ich den breiten Haast River überquere, hört der Regen auf und die Wolken lockern langsam wieder auf.

Ich kann es kaum glauben. Aber als ich den Pass hinter mir lasse und auf der anderen Seite der Alpen die Region Otago betrete, scheint die Sonne strahlend vom blauen Himmel. Ein frischer Wind rennt mit mir um die Wette nach Wanaka. „Die schönste Gegend, die ich bisher gesehen habe“, schwärmte Antje im „Te Nikau Retreat“. „Vielleicht sehen wir uns dort noch. Ich will dort noch wandern gehen, bevor ich zurück nach Deutschland fliege“. Ich muss an ihre Worte denken, als ich in der kleinen Stadt ankomme.

Siedlung, Hoffnung, Tod

Gold war für die Erschließung und Entwicklung der Inseln wichtig. 1861 war in Otago Gold gefunden worden. Tausende Goldsucher strömten ins Land. Auch Siedler und Gauner folgten dem glänzenden Lockruf.

Hokitika

Lange vor der Ankunft der ersten Europäer haben die Maori in dieser Gegend Nephrit (Grünstein) gesammelt und bearbeitet. In den 1860er Jahren hat man in der Umgebung auch Gold gefunden.

West Coast

Die dünn besiedelte, von steten Wind und Regen heimgesuchte Küstenregion zwischen der Jackson Bay und Karamea im Norden ist Heimat von rund 35.000 Menschen.

Lowland Rainforest

Die hohen Niederschläge haben das Entstehen eines Regenwaldes begünstigt, der einzigartig auf der Erde ist.