ITALIEN 1 von 4
SÜDTIROL, GARDASEE UND VERONA
Dolomiten (Langkofel)

Zwischen Brixen, Bozen und Meran lockt das südtiroler Land mit vielseitigen Tallandschaften, bizarren Bergformationen, Äpfeln, Schinken und Wein. Der ehemals über Jahrhunderte dem Kaisertum Österreich zugehörige Landstrich hat sich seine Traditionen seit der Zuordnung an Italien bewahrt. Mit dem "Südtirol-Paket" von 1972 besitzt die Region, welche sich sprachlich und kulturell vom Rest des Landes unterscheidet, weitgehende Autonomie und nimmt innerhalb Italiens eine Sonderrolle ein.

Presselandschaft

Zweisprachigkeit ist heute in Südtirol immer noch so präsent wie vor hundert Jahren. Der Stolz auf die deutschen Wurzeln prägt nicht nur Menschen und Landschaft sondern auch die Medien.

"Ein unnütz Leben ist ein früher Tod.“, ließ Johann Wolfgang von Goethe 1786 seine Iphigenie erkennen. Die italienische Reise half dem Werther-Schöpfer über seine Identitätskrise und zu einer Wiedergeburt. Seine Reiseaufzeichnungen sollten, im Gegensatz zum lebensnahen „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“ von Johann Gottfried Seume, zum Ideal der modernen Bildungsreise werden.

Italien, das Land der deutschen Sehnsucht, lockte seit Jahrhunderten über die Alpen. Doch das Bild änderte sich im Laufe der Epochen immer wieder. Während die mittelalterlichen Pilger und Edelherren aus religiösen oder politischen Gründen die beschwerliche und gefahrvolle Romfahrt auf sich nahmen und sich keinen Deut um Kunst und Land und Leute scherten, setzte im 17.Jahrhundert die „Kavaliersfahrt“ als fester Bestandteil vornehmer Erziehung ein um später den „Bildungsreisen“ zu weichen. „Das Land wo die Zitronen blühen“ wurde von deutschen Dichtern, Denkern und Künstlern neu entdeckt, beschrieben und gezeichnet. Rom, Florenz und Venedig standen hierbei im Mittelpunkt der frühen Städtereisen. Im 19.Jahrhundert schwoll der Strom der Italienreisenden dank des steten Ausbaus der Verkehrsmittel und Wege an. Auf dem Reiseplan standen nun auch die Zentren altitalienischer Meister in der Toskana und Umbrien. Rom, welches seit dem Reisen Johann Joachim Winckelmanns Mitte des 18.Jahrhunderts einen neuen Popularitätsschub erhalten hatte, zog die deutschen Freidenker seiner Zeit an wie ein Magnet. Doch neben den bekannteren Schriftstellern wie Lessing, Herder, Karl Philipp Moritz und Johann Gottfried Seume blieb Goethes Italienreise für Generationen traditionsbildend. Ich sollte 230 Jahre später, eher unbewusst, immer wieder auf Goethes Spuren treffen.

Südtirol: Goethe, 1786: „Auf dem Brenner, den 8. September, abends. Bei Scharnitz kommt man ins Tirol. Die Grenze ist mit einem Walle geschlossen, der das Tal verriegelt und sich an die Berge anschließt. ... Von Seefeld wird der Weg immer interessanter, und wenn er bisher seit Benediktbeuern herauf von Höhe zu Höhe stieg und alle Wasser die Region der Isar suchten, so blickt man nun über einen Rücken in das Inntal, und Inzingen liegt vor uns. Die Sonne war hoch und heiß, ich mußte meine Kleidung erleichtern, die ich bei der veränderlichen Atmosphäre des Tages oft wechsele.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Unsere erste italienische Reise führte uns abseits der dichterischen Spuren über das Vinschgau nach Italien. Über den Reschenpass, den schon die Römer als Teil ihrer Via Claudia Augusta zu schätzen wussten, gelangten wir nach Sankt Valentin, bremsten uns die Serpentinen nach Schluderns hinunter und folgten der Etsch ostwärts. Südtirol, seit dem Zusammenbruch des österreichischen Kaiserreiches am Ende des Ersten Weltkrieges italienisch, hatte seine deutschen Wurzeln über die Jahrzehnte verbissen verteidigt. Bei vielen Italienern als exotisches Musterland oder „barbarische“ Enklave angesehen, zeugen die zahlreichen Obstplantagen, Städte und Trachten in den Straßen eher deutscher Gründlichkeit als von italienischer Lebensart.

Dichterfürst Goethe indessen begegnete den Tirolern verwundert. „Die Nation ist wacker und gerade vor sich hin. Die Gestalten bleiben sich ziemlich gleich, braune, wohlgeöffnete Augen und sehr gut gezeichnete schwarze Augenbraunen bei den Weibern; dagegen blonde und breite Augenbraunen bei den Männern. Diesen geben die grünen Hüte zwischen den grauen Felsen ein fröhliches Ansehn. Sie tragen sie geziert mit Bändern oder breiten Schärpen von Taft mit Franzen, die mit Nadeln gar zierlich aufgeheftet werden. Auch hat jeder eine Blume oder eine Feder auf dem Hut. Dagegen verbilden sich die Weiber durch weiße, baumwollene, zottige, sehr weite Mützen, als wären es unförmliche Mannesnachtmützen. Das gibt ihnen ein ganz fremdes Ansehn, da sie im Auslande die grünen Mannshüte tragen, die sehr schön kleiden.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Wir machten indessen auf Sightseeing, passierten Schloss Kasten, ließen Schloss Dornsberg rechts der Etsch liegen und suchten uns im Herzen Südtirols einen Parkplatz. Die Kurstadt Meran liegt, geschützt durch die hohen Berge der Texelgruppe, zwischen subtropischer Vegetation, zahlreichen Burgen, Obst- und Weingärten. Meran präsentierte sich frisch und lebendig. Während der alte Ruhm der Stadt vom nahegelegenen Stammschloss der „Burggrafen von Tirol“ herüber wehte, flanierten Kurgäste, Einheimische  und Touristen durch die mittelalterliche Kulisse der Altstadt. Am späten Abend folgten wir der Etsch südlich und trafen in Bozen zum ersten Mal auf Goethes Spuren.

„Bei heiterm Sonnenschein kam ich nach Bozen. Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. Ein absichtliches, wohlbehagliches Dasein drückt sich recht lebhaft aus. Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben, über vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirschen nebeneinander lagen, daß sie sich nicht drücken sollten. Ebenso die Birnen. ... Ich hatte große Lust, alle die Produkte zu beleuchten, die hier auf einmal zusammengefunden werden, doch der Trieb, die Unruhe, die hinter mir ist, läßt mich nicht rasten, und ich eile sogleich wieder fort. Dabei kann ich mich trösten, daß in unsern statistischen Zeiten dies alles wohl schon gedruckt ist und man sich gelegentlich davon aus Büchern unterrichten kann. Mir ist jetzt nur um die sinnlichen Eindrücke zu tun, die kein Buch, kein Bild gibt.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Auch wir kümmerten uns indes nicht besonders um die Statistik und machten in Bozen einen Abstecher über den gerade stattfindenden Markt mit seinen Schinken- und Weinbuden, den zahlreichen Trachtenständen, fröhlichen Menschen und Alphornbläsern, die sich in verschiedenen Heimatgruppen einen lautstarken Wettbewerb lieferten. Wir fuhren über die Tiroler Klassiker Karerpaß und Grödner Joch, ließen uns im Rosengartengebiet Schinken, Käse und Brot schmecken und wanderten am Langkofel. Über das alte Wintersportzentrum Cortina d’Ampezzo, vorbei an Lederhosen, Federbüschen und den gut ausgeschilderten Frontlinien des Ersten Weltkrieges erreichten wir am Abend den Caravanpark Sexten. Wir übernachteten luxuriös zwischen Wohntrailern, Blockhütten und Wellness-Ressort in unserem bescheidenen Zelt und verließen im leichten Nieselregen Tirol, Italien und letztlich auch Goethes Spuren.

Gardasee: Erst Jahre später sollten wir wieder auf Johann Wolfgang von Goethe treffen. Wir waren für einige Tage nach Verona geflogen und hatten einen Abstecher zum nahegelegenen Gardasee unternommen. In der renovierten Festungsanlage von Malcesine stand eine Büste Goethes zwischen Zitronensträuchern. So sehr die Italiener auch heute mit dem deutschen Superstar kokettieren, so peinlich war die erste Begegnung.

„Den 14. September. Wie ich mir vorgenommen hatte, ging ich morgens beizeiten in das alte Schloß, welches ohne Tor, ohne Verwahrung und Bewachung jedermann zugänglich ist. Im Schloßhofe setzte ich mich dem alten auf und in den Felsen gebauten Turm gegenüber; hier hatte ich zum Zeichnen ein sehr bequemes Plätzchen gefunden ... Ich bemerkte wohl, daß mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich ließ mich aber nicht stören und fuhr ganz gelassen fort. Endlich drängte sich ein Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und fragte, was ich da mache. Ich erwiderte ihm, daß ich den alten Turm abzeichne, um mir ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er sagte darauf, es sei dies nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen. Da er dieses in gemeiner venezianischer Sprache sagte, so daß ich ihn wirklich kaum verstand, so erwiderte ich ihm, daß ich ihn nicht verstehe. Er ergriff darauf mit wahrer italienischer Gelassenheit mein Blatt, zerriß es, ließ es aber auf der Pappe liegen. ... Ich stand auf meinen Stufen, den Rücken gegen die Türe gelehnt, und überschaute das immer sich vermehrende Publikum. Die neugierigen starren Blicke, der gutmütige Ausdruck in den meisten Gesichtern und was sonst noch alles eine fremde Volksmasse charakterisieren mag, gab mir den lustigsten Eindruck.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Wir genossen Sonne und See, die klare, erfrischende Luft und amüsierten uns über die Touristenströme, die in mächtigen Bussen erst durch die engen Gassen der Ansiedlungen und dann in einer obligatorischen Dampferfahrt über den See chauffiert wurden. Der Gardasee blieb seit seiner ersten Entdeckung durch die deutschen Wirtschaftswunderurlauber in den 1950er Jahren eines der beliebtesten deutschen Reiseziele und mit VW-Käfer und italienischem Sonnenschein auf ewig verbunden. Heute gehören neben schmackhaften Käse- und Weinsorten zahlloser Nippes wie Küchenschürzen mit Mussolini-Aufdruck und kitschige Keramik zu den norditalienischen Verkaufsangeboten. Doch die reizende Lage lockt neben älteren Publikumsverkehr auch Segler und Kitesurfer, die sich die günstigen Winde zunutze machen und den See ausgiebig nutzen. Neben zahllosen gefühlsduselige Liedern und Filmen bieten Gardasee und Landschaft auch rasanterem Kino eine gefällige Kulisse. Erst 2008 kam es bei den Dreharbeiten zu „James Bond, Quantum of Solace“ zu einem Unfall, bei dem ein Aston Martin im See versenkt wurde.

Verona: Wir blieben einige Tage in Verona, kletterten auf die Zinnen des Amphitheaters, in dem die seit 1913 jährlich stattfindenden Opern und Konzerte zur renommierten Tradition geworden waren, liefen im Regen über die Piazza delle Erbe und verschafften uns vom 84 Meter hohen Torre dei Lamberti einen Überblick über die Welterbestadt. Das Haus der Julia in der Via Capello soll Shakespeare als Vorlage für seine prominente Balkonszene gedient haben und in der von Liebesschwüren vollbeschmierten Toreinfahrt kleben tausende Zettel in allen Sprachen. Auf der Piazza die Signori lassen wir uns in Sichtweite zum Denkmal Dantes ein kühles Bier schmecken. Die Veroneser hingegen; ganz nebenbei bemerkt gehört die Stadt seit Jahrhunderten zur Verwaltung von Venetien; gönnen sich wie alle Italiener ihren Espresso im Stehen.

„Das Volk rührt sich hier sehr lebhaft durcheinander, besonders in einigen Straßen, wo Kaufläden und Handwerksbuden aneinanderstoßen, sieht es recht lustig aus. Da ist nicht etwa eine Tür vor dem Laden oder Arbeitszimmer, nein, die ganze Breite des Hauses ist offen, man sieht bis in die Tiefe und alles, was darin vorgeht. Die Schneider nähen, die Schuster ziehen und pochen, alle halb auf der Gasse; ja die Werkstätten machen einen Teil der Straße. Abends, wenn Lichter brennen, sieht es recht lebendig. ... Die uns so sehr auffallende Unreinlichkeit und wenige Bequemlichkeit der Häuser entspringt auch daher: sie sind immer draußen, und in ihrer Sorglosigkeit denken sie an nichts. Dem Volk ist alles recht und gut, der Mittelmann lebt auch von einem Tag zum andern, der Reiche und Vornehme schließt sich in seine Wohnung, die eben auch nicht so wohnlich ist wie im Norden. Ihre Gesellschaften halten sie in öffentlichen Versammlungshäusern. Vorhöfe und Säulengänge sind alle mit Unrat besudelt, und es geht ganz natürlich zu. Das Volk fühlt sich immer vor. Der Reiche kann reich sein, Paläste bauen, der Nobile darf regieren, aber wenn er einen Säulengang, einen Vorhof anlegt, so bedient sich das Volk dessen zu seinem Bedürfnis, und es hat kein dringenderes, als das so schnell wie möglich loszuwerden, was es so häufig als möglich zu sich genommen hat.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Vinschgau

Die durch die Berge wettergeschützten Täler sind für ihre reichen Obstplantagen weithin bekannt.

Tiroler Erbe

Lederhosen und Federbüsche gehören zur Sonntagskleidung wie Tiroler Schinken und Obstler. Südtiroler pflegen mit besonderer Liebe ihre Besonderheiten.

Skaligerbrücke in Verona

Die im 14.Jahrhundert erbaute Brücke über die Etsch sollte Cangrande II. della Scala als Fluchtbrücke dienen.

Haus der Julia, Verona

„Ist Liebe ein zartes Ding? Sie ist zu rau, zu wild, zu tobend und sie sticht wie Dorn.“(Romeo, 1. Akt, Szene 4), William Shakespeare

Amphitheater in Verona

In der, vermutlich um 50 n.Chr. erbauten Arena, finden seit 1913 jährliche Opern und Konzertveranstaltungen statt.

Malcesine, Gardasee

Der größte See Italiens lockt seit den 1950er Wirtschaftswunderjahren besonders die deutschen Touristen südlich der Alpen an.