TOUR DE LOIRE 2 von 2
CHENONCEAU UND VILLANDRY UND FONTEVRAUD
Chenonceau

"Die Drei Grazien" von Carl van Loo

Das Château des Dames wurde stark durch seine Besitzerinnen geprägt. Diane de Poitiers, Gräfin von Saint-Vallier, Herzogin von Étampes und Herzogin von Valentinois setzte mit ihrem Garten Akzente. Bekannt wurde sie als die Mätresse und Vertraute des 19 Jahre jüngeren König Heinrichs II. von Frankreich. Caterina de’ Medici, Prinzessin von Urbino und Königin von Frankreich, verwies Diana nach dem Tod Heinrichs von Chenonceau und richtetet das erste große Fest auf dem Schloss zu Ehren ihres Sohnes Franz II. und dessen Frau Maria Stuart aus. Madame Dupin, die spätere Besitzerin, empfing Rousseau und Voltaire im Château.

Grablege Abbaye Fontevraud

Das englische Königshaus Anjou-Plantagenêt geht auf Gottfried V., Graf von Anjou zurück, der seit 1144 auch Herzog der Normandie war. Durch Heirat und verwandtschaftliche Beziehungen waren die Plantagenêts mit zahlreichen Adelsgeschlechtern Europas verbunden. In der Abbaye Royal de Frontevraud fanden Heinrich II., Eleonore von Aquitanien, Richard Löwenherz und Isabelle d’Angoulême ihre letzte Ruhestätte.

Wir ließen Cheverny mit seinem Trophäensaal unbeachtet hinter uns und das monumentale Amboise links liegen. Schloss Chenonceau empfing uns sonnenverwöhnt mit offenen Armen, anmutig und elegant, originell und ausgesprochen weiblich. Es waren fast immer Frauen, die das Schicksal und die Geschichte des Anwesens bestimmten, weshalb es auch Château des Dames, das Schloss der Damen, genannt wird. Die Wurzeln liegen in einem Anwesen mit Wassermühle, das über die Familie Bohier in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Besitz der französischen Krone kam. Diane de Poitiers prägte das Aussehen des Schlosses durch Erweiterungen ebenso, wie es ihre Konkurrentin und Nachfolgerin Katharina von Medici tat, der die Galerie zu verdanken ist. Die Medici gab auf Schloss Chenonceau rauschende Feste die oft mehrere Tage dauerten und den Charakter ausschweifender Orgien besaßen. Anlässlich der Thronbesteigung von Franz II. fand auf Schloss Chenonceau unter der Regie Katharinas das erste königliche Feuerwerk Frankreichs statt.

1733 kaufte der Steuerpächter und Verwalter der königlichen Krongüter Claude Dupin das seit Jahren verlassene Anwesen. Seine Frau Louise erfüllte es in den folgenden Jahren wieder mit Leben. Die Tochter des reichen Bankiers Samuel Bernard und Enkelin eines Mitglieds der Comédie-Française unterhielt einen Salon auf Chenonceau und machte es zum Treffpunkt der berühmtesten Literaten und Philosophen ihrer Zeit wie Voltaire, Montesquieu und Madame de Deffand sowie Fontenelle, Madame de Tencin und las Ihren Sohn durch den jungen Jean-Jacques Rousseau erziehen. Die Nachfahren der Dupins veräußerten Chenonceau 1864 an den Chemiker Théophile-Jules Pelouze, dessen Frau Marguerite das gesamte Familienvermögen einsetzte, um die Schlossgebäude zu restaurieren. Vollkommen überschuldet, musste Chenonceau an die Bank abgetreten werden, die es 1913 versteigern ließ. Käufer war der Schokoladenfabrikant Henri Menier, dessen Familie heute noch Eigentümerin ist.

Bei jedem Schritt war die Geschichte des Château zu spüren, die rauschenden Bälle, das Flanieren der Herzöge, ihrer Frauen und Mätressen. Wir fühlten uns in Barock und Rokoko zurückversetzt und meinten, die Klänge von Cembalo und Fagott zu hören. Mägde waren mit Küchenarbeiten und dem Säubern der zahlreichen Zimmer beschäftigt. Knechte versorgten die Pferde und Hunde, die Gärtner und Hilfsburschen hielten die Gärten der Portier und Medici im Jahreswechsel auf Vordermann. Die Gärten von Chenonceau lassen das Herz jedes wahrhaftigen Landesarchitekten höher schlagen, zeigen sie doch die klassischen Ursprünge der Gartenbaukunst.

Der Garten der Diane de Poitiers, eine rechteckige, mehr als 12.000 m² große Terrasse im Nordosten, kann über eine steinerne Brücke vom Rasenparterre her betreten werden. Den Mittelpunkt des Gartens bildet ein Rondell, mit einer Wasserfontäne, deren Strahl sechs Meter hoch ist. Bereits der französische Architekt Jacques I. Androuet du Cerceau beschrieb die seinerseits einmalige Konstruktion 1576 im ersten Band seines Stichwerks Les plus excellents Bastiments de France. Die Poitiers ließ neben Blumen und Ziergehölzen wie Buchsbaum, Oleander und Lorbeerbäumen auch Europäische Eiben und Straucheibisch,  Obstbäume und Haselnusssträucher anpflanzen. Der Garten Katharinas von Medici ist der jüngere und kleinere der beiden. Er besitzt einen annähernd trapezförmigen Grundriss. In seiner Mitte steht ein niedriges Wasserbecken mit einem 15 Meter Durchmesser. An seiner Nordwest- und Südwest-Seite ist der Garten umsäumt vom alten Baumbestand des großen Schlossparks. Linkerseits der langen Zugangsallee befindet sich im Schlosspark ein nach Original-Plänen aus der Zeit Katharinas von Medici rekonstruierter Irrgarten aus 2000 Eiben.

„Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch Kuchen essen“, auch wenn der Ausspruch nicht von Marie Antoinette stammt, so ging er doch als bestes Zeichen von Dekadenz in die Geschichte ein und ist bezeichnend für die Spannungen, die letztlich zur Französischen Revolution führten. Dabei überstand Chenonceau selbst die Revolutionsjahre dank dem hohen Ansehen und der Beliebtheit der Louise Dupin unbeschadet und wurde von den Revolutionären nicht geplündert oder beschädigt. Von den etwa einer Million Touristen, die jährlich die Anlage besuchen, war im Mai glücklicherweise noch wenig zu spüren.

Das elegante Renaissanceschloss Villandry liegt westlich von Tour in unmittelbarer Nähe der Loire an einer Stelle, wo man prähistorische Menhire gefunden hatte. Auf dem ehemaligen mittelalterlichen Feudalsitz trafen sich am 4.Juli 1189 König Philipp August von Frankreich und König Heinrich II. Plantagenet von England und handelten die Bedingungen für den späteren „Frieden von Azay“ aus. Einige Jahrhunderte später ging der Besitz an Jean le Breton über, den Präsidenten der Rechnungskammer von Blois. Als Minister König Franz I. und Architekturexperte war Jean mit der Bauaufsicht von Fontainebleau und Chambord betraut und ließ die ehemalige Trutzburg zu einem freundlichen Wohnpalast umbauen. Doch Villandry zeichnen besonders seine, auf drei Ebenen terrassenartig angelegten Gärten aus, die jeden Liebhaber magisch anziehen. Sein Interesse für die Gartenbaukunst hatte Jean le Bretone in Italien entdeckt, wo er als Botschafter Franz’I. tätig war. Die Geburtsstunde des Gartenbau fiel mit der italienischen Renaissance zusammen, als man Architektur und Außenräume professionell zu verbinden verstand. Der italienische Garten folgte in erster Linie geometrischen Mustern, die sich an architektonischen Vorbildern orientierten. Der „französische Garten“ griff diese Konzeption auf, schuf jedoch großräumigere Dimensionen, verzichtete auf Umfassungsmauern und schränkte das Architektonische generell ein. Breite Alleen verliefen neben Blumenrabatten, deren dekorative Wirkung durch niedrige Hecken noch erhöht wurde. Die Gärten von Villandry sind der Inbegriff dieser Gartenarchitektur. Die erste Terrasse mit einem großen zentralem Wasserbassin wird von der zweiten mittleren Gartenebene, dem Ziergarten, und der unteren Terrasse mit einem Gemüsegarten, der ebenfalls Ziergartencharakter hat, abgelöst. Die obere Terrasse ist als Obsthain mit Spazierwegen angelegt und geht in einen Hochwald über. In einem älteren Reiseführer lasen wir weiter: „Durch den Park ziehen sich laubengangähnliche Wege, die jeweils den Blick auf die tiefergelegenen Gärten freigeben. Nahe beim Schloss liegen die sogenannten „Liebesgärten“; vier große Blumenrabatten mit kunstvoll geschnittenen Buchsbäumchen haben die Allegorien der Liebe zum Thema. Das Nordwest-Quadrat mit zerrissenen Herzen symbolisiert die leidenschaftliche Liebe, das Nordost-Quadrat mit Fächern, Hörnern und Liebesbriefen und Gelb als dominierender Farbe stellt die ehebrecherische Liebe dar. Das Beet im Südwesten mit von Liebesflamen getrennten Herzen und Ballmasken erzählt von der zärtlichen Liebe, während im letzten Feld mit Schwertklingen und den blutrote Blüten der Duelle die tragische Liebe dargestellt ist. Drei große rautenförmige Beete im südlichen Teil des Gartens enthalten das Languedoc-Kreuz, das Malteser-Kreuz und das Baskische Kreuz.“

Hinter Villandry bogen wir links nach Azay-le-Rideau ab, ließen das Wasserschloss unbeachtet liegen und fuhren am späten Abend in Chinon ein. Gegenüber dem alten Schloss, auf der westlichen Seite der schnell dahinfließenden Vienne, fanden wir eine gemütliche Unterkunft in der Rue du Raineau. Es war ein herrlicher, von Wärme durchtränkter Abend, die letzten Sonnenstrahlen brachen sich glitzernd im Fluss und die alten Schlossreste reckten sich malerisch gegen den dunkler werdenden Himmel. Bei einer prächtigen Flasche Chinon ließen wir uns einen würzigen Brebies schmecken, studierten die wenigen Chinonesen um uns herum und lasen über den Ort etwas Historie nach. Die Stadt Chinon ist eng mit der Geschichte Frankreichs verbunden. Im Krieg mit Frankreich fiel der vormals englische Stützpunkt nach monatelanger Belagerung im Juni 1205 an König Philipp August. Später wurde die Anlage umfangreich restauriert, um mächtige Ringmauern und Wachtürme erweitert, mit Thronsaal und königlichen Gemächern ausgestattet. 1308 wurden hier die in Ungnade gefallenen Tempelritter eingesperrt. Der Dauphin Charles machte die Stadt zu seiner Residenz, von den Engländern verjagt, empfing der „König von Bourges“ hier 1429 die Jeanne d’Arc. Doch auch Chinon verblühte und verfiel. Kurz vor seinem Abriss besannen sich die Verantwortlichen des historischen Wertes und leiteten ab 1854 zahlreiche Sanierungsmaßnahmen ein.

Fontevraud war unser letztes Ziel an der Loire, bevor wir nach Süden in Richtung Poitiers aufbrachen. Die kleine Ortschaft lag einsam in der Mittagshitze und döste verträumt vor sich hin. Einige alte Frauen saßen, sich unterhaltend, auf einer Bank; ein paar Jugendliche standen im Schatten um einen Flipperautomaten und drei Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen parkten vor der sandsteinfarbenen Mauer der alten Klosteranlage. Die Abtei von Fontevraud gehörte früher zu den prächtigsten Klöstern in Frankreich. Der Einsiedler Robert d’Abrissel gründete 1101 das Kloster und füllte dieses mit einer gemischten Klostergemeinschaft aus Mönchen und Laienbrüdern, Nonnen, Kranken, Leprakranken und öffentlichen Sünderinnen, die sich bekehrt hatten. Der Orden wuchs rasch; nicht zuletzt deshalb, weil die aus meist hochstehenden Familien stammenden Äbtissinnen, der Abtei zu großzügigen Privilegien verhalfen. In der Klosterkirche wurden auf eigenen Wunsch die Könige der Plantagenet-Dynastie beigesetzt. Heinrich II. war Herzog der Normandie und von Aquitanien, Graf von Anjou sowie von 1154 bis 1189 König von England und beherrschte zeitweise Wales, Schottland, das östliche Irland und das westliche Frankreich. Aus seiner Ehe mit Eleonore von Aquitanien stammen Wilhelm, Herzog der Normandie und Graf von Poitiers, Heinrich der Jüngere und Gottfried, Herzog der Bretagne. Seine erst zwölfjährige Tochter Mathilde wurde am 1.Februar 1168 mit Heinrich dem Löwen, aus dem Geschlecht der Welfen, verheiratet. Damit begründeten sie die engen Beziehungen zwischen dem Haus der Welfen und der englischen Krone. Ihre Schwester Eleonore heiratete Alfons VIII., König von Kastilien, Johanna im Februar 1177 Wilhelm II. von Sizilien und später Raimond VI. Graf von Toulouse. Heinrichs Söhne Richard (Löwenherz) und Johann Ohneland gingen auch literarisch in die Geschichte ein. Das Kloster beherbergt ebenfalls die Gräber ihres zweiten Mannes Heinrich II. von England, dem gemeinsamen Sohn Richard Löwenherz und der Ehefrau seines jüngsten Sohnes Johann Ohneland. Eleonore von Aquitanien zog sich im Alter in dieses Kloster zurück und fand dort neben dem Grab ihres zweiten Mannes Heinrich II. von England ihre letzte Ruhe. Richard Löwenherz, der 1199 im Alter von 41 Jahren bei der Belagerung der Burg Châlus tödlich getroffen wurde, und Isabella von Angoulême, die Ehefrau des Johann Ohneland, wurden hier ebenfalls bestattet.

Historisch gesehen waren wir hier an den Wurzeln des Hundertjährigen Krieges angelangt. Doch alles erreicht einmal seinen Zenit. 1789 lösten Revolutionäre das Kloster auf und Napoleon ließ es zu einem Gefängnis umbauen, welches es bis 1963 bleiben sollte. In den letzten Jahren wurden die Klostergebäude stark restauriert und in vielen Gebäuden der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt. Zahlreiche Veranstaltungen, ist zu lesen, finden hier heute statt: Konzerte, Ausstellungen, Konferenzen. Wir verließen die letzte Ruhestätte der Engländer, ließen uns gegenüber der kleinen Dorfkirche Saint-Michel einen Café au lait und ein Croisson schmecken und folgten unserer Route weiter nach Poitiers. Am späten Nachmittag erreichten wir die Umgehungsstraße von Poitiers und wir entschlossen uns, jenseits von Hotel de L’Europe, Best Western und Holiday Inn zu übernachten. In Coulombiers fanden wir die Auberge du Centre-Poitou, ein kleines beschauliches Familienhotel.

Den folgenden Tag besichtigten wir Poitiers, wo 732 Karl Martell das weitere Vordringen der Mauren nach Mitteleuropa stoppte und 1356 der französische König Johann der Gute nach der Schlacht von Maupertuis zwischen England und Frankreich gefangen genommen wurde. Die kleine Provinzstadt, Hildesheim hat mehr Einwohner, wurde aufgrund ihrer Geschichte und der 78 unter Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmäler mit dem Prädikat Stadt der Kunst und Geschichte ausgezeichnet. Karl VII. gründete 1432 die Universität von Poitiers. Es sind auch die vielen sakralen, frühchristlichen Bauten, die Poitiers interessant und spannend machen. Die romanische Stiftskirche Notre-Dame la Grande ist eine der Hauptanziehungspunkte; von wuchtiger und düsterer Schönheit die Kapelle. Über die praktisch benannte Rue de la Cathédrale liefen wir hinunter zur Kathedrale Saint-Pierre. Der Bau des mächtigen Doms dauerte von 1166 bis 1271 und erinnerte uns an Ken Folletts „Säulen der Erde“. Wikipedia schrieb dazu: „Als man mit dem Bau der Kathedrale begann, vereinte die Diözese von Poitiers etwa 1200 Pfarreien. Zu diesem Zeitpunkt war Eleonore von Aquitanien 44 Jahre alt und schon seit über einem Jahrzehnt Königin von England. Im Jahr der Grundsteinlegung brachte sie ihr 10. Kind Johann Ohneland zur Welt und lebte auf ihrem Schloss zu Poitiers, das sie zu einem Zentrum des höfischen Lebens ausbaute.“

Für uns ging das höfische Leben an der Loire vorerst dem Ende entgegen. Wir ließen Poitiers hinter uns und steuerten auf den Atlantik zu, den wir bei Biscarosse erreichten. Hier verbrachten wir einige Tage, lauschten den Wellen und studierten die Sonnenuntergänge und Surfer. Unsere Reise ins Land der Katharer brachte mich später wieder zurück ins Languedoc. Doch das ist eine andere Reise.

Wasserschloss Chenonceau

Das Schloss besteht aus einem nahezu quadratischen Wohngebäude, dem sich südlich eine, durch  Katharina von Medici errichtet, Galerie anschließt. Die beiden Gebäude stehen im Wasser des Cher.

Galerie von Chenonceau

Von 1940 bis 1942 bestand im Schloss die kuriose Situation, dass die Demarkationslinie zwischen Vichy-Frankreich, der sogenannten „freien Zone“ und dem von deutschen Truppen besetzten nördlichen Teil des Landes entlang des Chers und deshalb quer durch das Gebäude verlief. Während der Haupteingang auf besetztem Gebiet stand, lag der Südausgang der Galerie im freien Teil, so dass das Schloss einen häufig genutzten Fluchtweg darstellte.

Villandry

Mit dem Gemüsegarten griff man eine Tradition des 16.Jahrhunderts auf, als man mit der Einrichtung der ersten botanischen Gärten Raritäten aus Amerika einführte und in Europas Luxusgärten gezogen wurden, wo man sie ei sorgfältiger Überwachung dem neuen Klima anpasste.

Chinon

In der kleinen Ortschaft, die an der Vienne liegt, leben heute etwas mehr als 8.000 Menschen.

Abbaye Royal de Fontevraud

Die Abtei aus dem frühen 12.Jahrhundert gilt als größter Gebäudekomplex Europas.

Poitiers

Die romanische Stiftskirche Notre-Dame la Grande aus dem 12.Jahrhundert ist eine der Hauptanziehungspunkte der Universitätsstadt.