Anatoliy Babiychuk
FOTOHOF edition

ISBN 978-3-902993-57-1

Horaivka

Wer kennt Horaivka? Während die meisten Ukraineberichte von den Kämpfen im Osten handeln, von Oligarchen und zerschossenen Häusern erzählen, fließt der in den Westkarpaten entspringende Dnister mäandernd am kleinen Ort Horaivka vorbei, dem Schwarzen Meer entgegen. Achthundert Kilometer Luftlinie sind es bis Donezk in der Ostukraine, bis Kiew nur etwas mehr als dreihundert Kilometer und bis Warschau keine sechshundert. Bis zur nächstgrößeren Stadt Kamjanez-Podilskyj ist es eine Stunde mit dem Auto. Die Siedlung hat etwa 520 Einwohner, einen Kindergarten, eine Schule und eine Postfiliale, eine Erste-Hilfe-Station, zwei kleine Geschäfte und einen Dorfklub. Und Anatoliy Babiychuk.

Seit 2009 fotografiert der aus der Ukraine stammende und nun in Wien lebende Fotograf regelmäßig bei seinen Besuchen in Horaivka. Das Interesse Babiychuks gilt dabei den Bewohnern in ihrem einfachen Alltagsleben, das sich in der ursprünglichen Struktur des dörflichen Lebens abspielt. „Meine Motivation leitete sich nicht von der Suche nach Sensation, sondern vom Interesse an meiner Heimat, am Kennenlernen von neuen Menschen, deren sozialen Umfeld und ihrer Lebensentwürfe ab.“ hebt der Ukrainer hervor. Der im FOTOHOF edition erschienene Bildband gewährt Einblicke in das Leben der Menschen am Dnister. Es ist ein vergessen wirkender Landstrich im Osten Europas, eine von unzähligen Siedlungen, deren Bewohner durch den Fotografen in den Mittelpunkt gestellt werden. Keine Prunkbauten, Schlösser oder Parkanlagen stehen im Fokus der Fotografien, sondern die Einwohner von Horaivka.

Wie beispielsweise Vasyl Stepanovych Boiko, der, geboren 1937 in Horaivka, nach seiner Armeezeit sein Arbeitsleben im örtlichen Staatsbetrieb verbrachte oder Halyna Illivna Halampeta, die im kleinen Einkaufsladen des Ortes arbeitet. Taras Vasyl’ovych Horbniak studierte Landwirtschaft, arbeitete als Ingenieur bis zur Rente und führt heute Besucher durch das nahe Bakota. Es sind die alltäglichen Geschichten und Gesichter der Nachbarn, wie die von Stanislav Tkachuk der, 1996 geboren, in Kharkiv Pharmazie studierte und seit seinem Abschluß 2017 als Packer im polnischen Werk von Procter & Gamble arbeitet.

„In diesem Projekt setzte ich mich mit der Gegenwart und Vergangenheit meiner Heimat, der Ukraine, auseinander.“ Anatoliy Babiychuk gelingt es, einen unzensierten Blick in das tägliche Leben der Dorfbewohner zu werfen und dabei die Menschen in ihrer Umgebung zu portraitieren – Kinder im Kindergarten und in der Schule, die Erwachsenen auf den Straßen, in ihrem Zuhause, in der Arbeit und bei Festen. Die schlichten Portraits überzeugen wie ihre Protagonisten durch ihre wohltuende Echtheit und bringen den kleinen Ort und seine Einwohner näher.