Deutsches Historisches Museum - Leonore Koschnick, Benjamin Mortzfeld
Theiss Verlag

ISBN 978-3-806236385

Flugblatt, Bilderbogen, Comicstrip

Gier nach neuen Bildern

Mit der Entdeckung des Buchdrucks finden Nachrichten eine revolutionäre Weise der Übermittlung und Vervielfältigung. Die Erfindung Druckerpresse gibt einem neuen Berufszweig ihren Namen und Presse steht ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts für die „Gesamtheit der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften“. Von Beginn an wird das neue Medium nicht nur zum Drucken von Texten, sondern auch für die Produktion von Bildern in hoher Auflage genutzt. Die Neugier auf sensationelle Nachrichten, politische Bildsatire und humorvolle Reportagen ist seit jeher groß.

Heute sind Bilder im Nachrichtengeschäft unverzichtbar; ihre Wirkung so relevant wie zur Zeit der Reformation. Seit rund 130 Jahren wird der Bildjournalismus von Fotos bestimmt. Doch wie arbeitete die Bildpresse vor der Erfindung der Fotografie? Die Ausstellung "Gier nach neuen Bildern" im Deutschen Historischen Museum Berlin dokumentiert vom 29. September 2017 bis 8. April 2018 den "Bildjournalismus" vor der Fotografie. Der Begleitband zur Ausstellung präsentiert einen reichen Querschnitt von etwa 180 Druckgrafiken aus 500 Jahren, von Einblattholzschnitten über Flugblätter der Frühen Neuzeit bis zu populären Karikaturen und Comics der Gegenwart. Beeindruckend zeigt das im Theiss-Verlag erschienene Buch die Spannbreite und Evolution beliebter Bilderproduktionen und auch, wie sich manche Motive und Themen über Jahrhunderte gleichbleiben.

Als im 16. Jahrhundert der Begriff "newe Zeittung" aufkommt, wird darunter lediglich die Neuigkeit verstanden, die auch mündlich überbracht werden kann. Erst die gedruckten Flugblätter, die im Laufe des Jahrhunderts entstehen, entsprechen unserem heutigen Verständnis von Printmedien und finden reißenden Absatz. Bei der Produktion der Pamphlete, Druckschriften und Bilderbogen kommen unterschiedliche graphische Techniken zum Einsatz. Die frühen "Briefmaler" bevorzugen den Holzschnitt; der gleichzeitig aufkommende Kupferstich hingegen ist wesentlich aufwendiger und teurer, jedoch auch präziser. Die höchsten Auflagen werden ab 1800 durch die Lithographie und den Holzstich ermöglicht.

Die Berliner Ausstellung zur Frühgeschichte des Bildjournalismus präsentiert drei Geschäftsmodelle der Flugblatt- und Bilderbogenproduktion, die sich vom 16. bis ins 20. Jahrhundert kaum verändert haben. Das Angebot an Sensationspresse – etwa mit Bildern von Naturkatastrophen oder Neuigkeiten aus den Adelshäusern – gilt dem breiten Publikum. Die scharfe Bildsatire hingegen, zum Beispiel im Kampf um den "rechten" Glauben oder gegen Zensur und Unterdrückung, wendet sich an eine Käuferschicht mit speziellen politischen Interessen. Für die lehrreiche und humorvolle Unterhaltung begeistert sich schließlich eine Kundschaft, die auch gern für ihren Nachwuchs die entsprechenden Bilderbogen erwirbt. Es sind erstaunliche Parallelen zur heutigen Medienlandschaft, zu Gestaltung und Propaganda, die sich dem kritischen Beobachter erschließen.