ANDALUSIEN
ZWISCHEN GRANADA, SEVILLA UND JEREZ DE LA FRONTERA
Cordoba - Mezquita

Das Emirat von Cordoba kennzeichnete für fast 200 Jahre den Höhepunkt der islamischen Eroberungen auf der Iberischen Halbinsel. 756 gegründet, war das Reich unter anderen lange Zeit der arabischen Bürokratie ausgesetzt. Erst nach der Befriedung Andalusiens nahm Abd ar-Rahman III. 929 den Titel eines Kalifen an. 1031 wurde mit Hischam III. der letzte Umayyadenkalif abgesetzt und das Kalifat endgültig aufgehoben.

Emir Abd ar-Rahman I. begann 785 mit dem Bau der Mezquita. Etwa 860 Marmorsäulen in parallelen Reihen mit jeweils zwei übereinanderliegende Bögen prägen die Moschee, die bereits1236, im Jahr der Rückeroberung durch die Christen, zur christlichen Kathedrale geweiht wurde. Die Moschee war so groß, dass man in ihrer Mitte ab 1523 über 234 Jahre hinweg ein gewaltiges Kirchenschiff im Stil der Renaissance erbauen konnte.

Emirat von Granada

Noch heute ist das Weltkulturerbe Alhambra von Granada (im Bild der Löwenhof) eines der beeindruckendsten muslimischen Vermächtnisse. Die Festung auf dem Sabikah-Hügel vereint islamische Gärten und Wohnkomplexe im maurischen Stil mit trutzigen Mauern und praktischen Wehranlagen.

"Als der erste Triumph das Jahr (1492 a.d.R.) beglänzt, ist es noch keine zwei Tage alt: Im Morgengrauen des 2.Januar ergibt sich Granada, die Märchenstadt, der Granatapfel Mohammeds, den christlichen Belagerern. Die letzte Festung des Halbmonds auf der iberischen Halbinsel gibt auf, von Blockade, Hunger und Angst zermürbt. Drei Kanonenschüsse, von der spanischen Vorhut auf einem Turm der Alhambra-Festung abgefeuert, geben das Signal zur Übergabe. Die Sieger nehmen sich, was ihnen gehört. An ihrer Spitze reitet König Ferdinand von Aragon, gefolgt von Isabella, der Königin Kastiliens. Die muslimische Delegation wird angeführt von Emir Abu Abdallah, genannt Boabdil. Ein Bild, wie es bald darauf Spaniens Altäre und Kirchenwände schmücken wird: Der zerrüttete Haufen der Mauren zeiht dem herrischen, geordneten Lanzenwald der Spanier entgegen. … Um drei Uhr nachmittags übergibt Emir Boabdil die Schlüssel zur Stadt und zur Festung Alhambra den Eroberern. Dem Grafen von Tedilla, dem zukünftigen Vizekönig Granadas, steckt Boabdil einen Ring an den Finger: „Gott allein ist der wahre Gott“, steht darauf. „Tragt ihr ihn nun“, sagt der Maure. „Und möge Euch Gott mehr Glück schenken als mir.“ Dann reitet er mit seinem Gefolge nach Süden, den Schneegipfeln der Sierra Nevada entgegen. Auf einer Anhöhe, so berichtet es die Legende, dreht er sich um und blickt noch einmal auf seine Stadt, Tränen in den Augen. „Weine wie eine Frau um das, was du nicht wie ein Mann verteidigen konntest“, soll da seine Mutter gesagt haben. Der neue Kommandant von Granada lässt die Fahnen der Sieger auf dem Torre de Comares hissen, der gewaltigsten Zinne der Alhambra.“

2008 beschreibt der Berliner Journalist Jörg-Uwe Albig in GEO Epoche das „Jahr der Wunder“. 1492 triumphieren Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, die nur wenige Jahre zuvor ihre Königreiche zusammengeschlossen hatten, endgültig über die Mauren und lassen den Genuesen Christoph Kolumbus durch ihre Finanzierung die neue Welt entdecken. Spanien ist nun auf dem Weg, ein moderner Staat zu werden; der Gelehrte Antonio de Nebrija schafft mit seiner kastilischen Grammatik die Grundlagen der spanischen Sprache und der neue Papst kam aus Valencia. Doch der Weg der späteren Weltmacht war auch geprägt von Inquisition, Judenverfolgung und brutalen Eroberungszügen. Während das Spanische Reich unter den Habsburgern zur uneingeschränkten Weltmacht aufstieg, gingen die letzten größeren Kolonien Ende des 19.Jahrhunderts im Spanisch-Amerikanischen Krieg verloren. Im 20.Jahrhundert trieben Bürgerkrieg und jahrzehntelange Diktatur von General Franzisco Franco Spanien in Blut und Lethargie. 

Andalusien war irgendwie anders als das übrige Spanien. Doch welcher Sachse möchte sich nicht von einem Rheinländer unterscheiden? Andalusien indessen stand für Pferdezucht und Aceitunas, den grünen Oliven, Zigeuner, Boabdil, Flamenco und Stierkämpfe, sündhaft köstlichen Sherry und Exotik im Süden Europas. Viel Zeit blieb mir nicht in Andalusien und mehr als einen schnellen Herzschlag sollte ich nicht in der spanischen Provinz bleiben. Doch Al-Andalus ließ mich auch in den folgenden Jahren nicht mehr los. Es war die wunderbare Mischung von Stolz und Vorurteil, Landschaft und Historie die mich gefangen nahmen. Zugegeben lag es auch an den Erinnerungen vergangener Kindheitstage, als im Fernsehen der andalusische Rebell Curro Jiménez über die Mattscheibe ritt. Doch wer erinnert sich heute noch an ihn. Spanien war für viele das Land der warmen Sonne und der Bettenhochburgen. Spanien, einst Weltmacht, zählt heute zu den wirtschaftlichen und sozialen Sorgenkindern der Europäischen Union.

Ich erreichte Granada an einem warmen Frühlingsabend, etwas mehr als 500 Jahre nach dem siegreichen Ende der Reconquista. Fünf Jahrhunderte prägten die Muslimen Lebensart und Baustil in al-Andalus, trieben weite Teile der iberischen Halbinsel zur Hochkultur und verwalteten die bevölkerungsreichsten Städte des Abendlandes. Das Emirat am Fuß der Sierra Nevada blieb das letzte muslimische Reich Westeuropas. Doch die Straßen um Alhambra, Generalife und Albaicín, dem ehemaligen maurische Wohnviertel, strahlten immer noch im Glanz einer längst untergegangenen Epoche.

Granada ist „eine verarmte, verschüchterte Stadt, ein Paradies der Geizkragen“ stellt sich Federico García Lorca 1936 gegen seine Heimatstadt. Der linke und homosexuelle Poet zählt zu den bedeutendsten spanischen Autoren und doch zu den 150.000 stillgeschwiegenen Opfern der Franco-Säuberungen. „Die Schrumpfmacht leidet unter einem kollektiven Minderwertigkeitskomplex, der den Nationalisten Zulauf verschafft.“, schreibt Jürgen Schaefer 2010. Auch wenn nach Francos Tod 1975 dessen politischen Erben „Versöhnung“ fordern, so ist die Erinnerung an die Verschleppten und Ermordeten bis heute nicht erloschen. Doch ich wußte damals nicht viel von den Hintergründen jener Jahre, auch wenn mir Pablo Picassos „Guernica“ und „Wem die Stunde schlägt“ von Ernest Hemingway bekannt war; fand eine rustikale Herberge in den verwinkelten Gassen des Stadtteils Realejo und genoss den warmen Abend am Fuße der Alhambra.

Das berühmte Erbe der Muslime sah ich mir am nächsten Tag an. Es war ein merklich kühler, vernebelter Vormittag, der die nahen Berge der Sierra Nevada einhüllte. Über die, im 13. und 14. Jahrhundert auf älteren Anlagen erbaute Residenz der maurischen Könige der Naṣriden-Dynastie, ist soviel geschrieben und berichtet worden, dass ich mir dieses ersparen möchte. Nur die Zeit sei erwähnt. Genügend Zeit. Diese ist nämlich für Entdecken und Genießen des riesigen Komplexes immens wichtig. Nach Alhambra, Generalife und Albaicín, die seit 1984 Weltkulturerbe der UNESCO sind, lief ich noch hinüber ins Zentrum mit seinen großen Boulevards, wo sich Schmuckläden und Modeboutiquen mit touristischen Nippesläden abwechselten. Die Kathedrale gilt heute als eine der schönsten Renaissancekirchen der Welt.

Als ich in die südöstlich gelegene Sierra Nevada fuhr, erwartete mich eine geschlossene Wand dichtesten Nebels. Zahllose Skifahrer tummelten sich in Sonnenstühlen, die im hohen Schnee aufgestellt waren. „Das kommt sicher vom Sherry“, schoss es mir durch den Kopf und ich fuhr enttäuscht den Berg wieder hinunter. Als jedoch die ersten Sonnenstrahlen die schweren Nebel zur Seite stießen, lösten sich alle Fragen auf. Weit reichte der Blick nun hinunter in die weite Ebene. Granada lag mit seiner herausragenden Alhambra vor und die Sierra mit ihren weichenden Nebelbänken und Schneeflecken hinter mir.

Über die „Sehr noble, berühmte und treue Stadt Jaén, Wächter und Verteidiger der Könige von Kastilien.“ erreichte ich Cordoba, das 169 v. Chr. von den Römern besetzt wurde und sich zum Hauptort Südspaniens entwickelte. Die langen Jahre der Mauren, im 10.Jahrhundert lebten  ungefähr eine halbe Million Menschen in der Stadt, die damals ein der größten der bekannten Welt war, haben auch hier ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen. Die Mezquita de Córdoba ist das bedeutendste Bauwerk am Guadalquivir. Der in unmittelbarer Nähe gelegene Fluss wird hier durch die sogenannte Römische Brücke überspannt. Auf dem Weg nach Sevilla übernachtete ich in einem kleinen Ort am Fluss und genoss das nächste Frühstück in der kleinen Bar gegenüber der Kirche. Es war Sonntag, die Glocken riefen zum Kirchgang und ich teilte mir die Theke mit einigen Einwohnern, die ihren Kaffee tranken, während ich Brot und Schinken genoss.

Sevilla erreichte ich gegen Mittag. Früher mündete hier der Guadalqivir in einen großen Binnensee, der einen Zugang zum Atlantik hatte, selbst zu den Zeiten Kolumbus‘ löschten die Schiffe ihre Fracht aus der Neuen Welt im Hafen von Sevilla und die Stadt stieg im 16. und 17. Jahrhundert zu internationaler Bedeutung hoch. Amerigo Vespucci und Ferdinand Magellan starteten hier ihre Entdeckungsreisen. Das transatlantische Handelsmonopol verlor Sevilla 1717 durch das günstiger gelegene Cádiz, wozu die zunehmende Versandung des Guadalquivir maßgeblich beitrug.

Die Kathedrale Maria de la Sede, die zwischen 1401 und 1519 an die Stelle einer ehemaligen Moschee erbaut wurde, die Giralda, mit ihren 97 Metern alle nahen, mittelalterlichen Gebäude überragend und der Orangenhof, die einzigen Überbleibsel der ehemaligen Moschee, Alcázar, der maurische Palast, das von Christoph Kolumbus' Sohn gegründete Colegio de San Telmo und die Stierkampfarena, die nach der Madrider Anlage die Las Ventas die größte Arena in Spanien ist standen auf meinem überschaubaren Besuchsprogramm. Mein Auto hatte ich in der Nähe der Plaza de América geparkt, die neben der Plaza de España während der Ibero-Amerikanische Ausstellung von 1929 entstanden waren.

In Jerez de la Frontera; der Namenszusatz de la Frontera („an der Grenze“) hinter vielen Orten weist die lange umkämpften Gebiet zwischen Mauren und Christen aus, traf ich bei González-Byass auf die Sherry-Tradition. Seinen Namen verdankt der schwere Wein den Briten, die bereits seit dem späten 13.Jahrhundert die größten Hauptabnehmer sind und aus dem Sherish Sherry machten. Im späten Mittelalter wurde der Weinexport immer mehr zur wirtschaftlichen Basis der Region. Als 1587 Francis Drake die spanische Flotte bei Cádiz zerstörte, segelte er mit einer Beute von fast dreitausend Fass Sherry nach England zurück. Um 1775 entstand in Jerez, offenbar als Folge eines schleppenden Absatzverlaufs, das System für das Altern von Sherry, das Solera-Verfahren. Die Reblaus verwüstete in den letzten Jahren des 19.Jahrhunderts, wie schon im Rest Europas, die Weinberge. 1933 wurde der Consejo Regulador de la Denominación de Origen Jerez-Xérès-Sherry gegründet. Dieses Kontrollgremium regelt bis heute Produktion, Qualität und Export des Weines und wacht über die geschützte Herkunftsbezeichnung Sherry. Nachdem in den frühen 1980er Jahren der Sherrymarkt zusammenbrach, verfügte nach jahrelangen Auseinandersetzungen die Europäische Union zum 01.Januar 1996, dass sich künftig nur noch der Wein ‚Sherry‘ nennen darf, der nach den festgelegten, traditionellen Methoden im gesetzlich geschützten Anbaugebiet hergestellt und abgefüllt wird.

Die weltbekannte Königlich-Andalusische Reitschule von Jerez ließ ich unbedarft und sträflich unbeachtet links liegen und erreichte nach einer weiteren Übernachtung Cadiz am nächsten Vormittag. Die Altstadt mit ihren mächtigen Festungsmauern war noch von morgendlichen Nebelschwaden durchzogen, die vom Meer herkamen. Der Atlantik lag weit und bleiern vor mir. Seit den Tagen des Kolumbus hatte sich viel geändert. Von Tarifa war es nur einen Steinwurf bis Afrika. Der schwarze Kontinent und Tanger lagen im Dunst. Windräder reihten sich auf der Anhöhe aneinander und die Straße schlängelte sich an der Küste hinunter nach Algeciras.

Es war eine jahrhundertealte Streiterei, die ich mit Gibraltar kennenlernte. Die Affeninsel stand seit dem Vertrag von Utrecht 1713 den Briten formell zu (Am 04. August 1704 wurde die Insel durch Prinz Georg von Hessen-Darmstadt im Spanischen Erbfolgekrieg an Bord der englisch-holländischen Flotte unter Admiral Sir George Rooke erobert) und wurde 1830 zur britischen Kronkolonie. Während des Weltkrieges wurde die Zivilbevölkerung Gibraltars umgesiedelt und der Felsen in eine unterirdische Festung für bis zu 15.000 Soldaten umgewandelt. Die britische Exklave erreichte ich über das Rollfeld des Flughafens, spazierte bis zur Spitze des Felsen und grinste den Gibraltaraffen ins Gesicht. Diese  Berberaffen, auch Magot genannt und eine Makakenart aus der Familie der Meerkatzenverwandten ist  vor allem dafür bekannt, dass er außer dem Menschen die einzige freilebende Primatenart Europas ist.

Ich nahm auf dem Rückweg nach Malaga (die Bettenhochburg war mir zuwider) den Abstecher nach Ronda in Kauf. Das kleine Nest, welches aufgrund seiner Lage und der berühmten Stierkampfarena bekannt und über enge, kurvige Straßen und zwischen herrlichen Korkeichenwäldern zu erreichen ist, liegt auf einem windigen Hochplateau. „Waren schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert Reisende nach Ronda gekommen, darunter Künstler wie Doré oder Rilke, wurde es ab den 1960ern wiederum allmählich zum Ziel von Touristen. Neben der außergewöhnlichen Lage der Stadt auf dem Felsplateau, trug vor allem die Bedeutung Rondas als Geburtsstätte des modernen Stierkampfes zu seiner Anziehungskraft bei. Heute ist Ronda, neben den Küstenregionen und Städten wie Sevilla, Córdoba und Granada, eines der bedeutendsten touristischen Ziele Südspaniens.“ (Wikipedia)

Sierra Nevada

Das "schneebedeckte Gebirge" ist mit 3482 m das höchste Gebirge der Iberischen Halbinsel.

corrida de toros

Während die ersten Stierkämpfe auf das frühe 18.Jahrhundert zurückgehen (frühe trat Kämpfer und Pferd gegen den Stier an), gelten die Veranstaltungen einerseits als enormer Wirtschaftsfaktor in Spanien und andererseits den Gegnern als rotes Tuch und Tierquälerei.

Alhambra - Generalife

Der Palacio de Generalife war der Sommerpalast und Landsitz der Nasriden-Sultane. Im 13.Jahrhundert errichtet, bildet die Anlage eines der Zentren der Alhambra und eines der besten Beispiele für einen Garten im Mittelalter Andalusiens.

Gibraltar

Der Affenfelsen gegenüber Afrika gehört als britische Exklave seit 1704 zu den Streitpunkten zwischen Spanien und Britannien. In der letzten Volksabstimmung 2002 entschieden sich 17.900 zu 187 Stimmen für den Verbleib unter britischer Hoheit.

Ronda

In Ronda entwickelten im 18. und 19. Jahrhundert drei Generationen von Mitgliedern der Familie Romero jene Regeln, nach denen heute noch gekämpft wird - vom Gebrauch des Tuches, dem Kampf des Toreros nicht mehr zu Pferd sondern zu Fuß, bis hin zu Stil und Posen - bekannt als Escuela Rondeña – der „Ronda-Schule“.